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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Der Kolonialrat und die Zukunft Ostafrikas
Joachim Graf Pfeil von

el den vielen Behauptungen, Andeutungen und Vermutungen, die
heute fast liberall über den neu zu errichtenden Kolonialrat aus¬
gesprochen werden, ist es vielleicht uicht unangebracht, einmal
in aller Ruhe und Unbefangenheit zu erwägen, wie ein solcher
Kolonialrat beschaffen zu sein haben wird und welche Thätigkeit
ihm eigentlich zufällt. Wir wollen uns dabei eben so fern halten vou jener
Schwärmerei, die in ihm die Rettung der aufs äußerste gefährdeten Kolvuial-
Pvlitik erblickt, die hofft, daß er die Veranlassung zu neuen Reisen und
Expeditionen sein werde zum Zwecke der Abschließung neuer Verträge mit Häupt¬
lingen entlegener Gebiete, die hofft, durch ihn das englisch-deutsche Abkommen
rückgängig gemacht zu sehen n. s. w., eben so fern von dieser, als von dem
traurigen Pessimismus, der da glaubt, daß es eine Übereilung gewesen sei,
koloniale Gebiete in Besitz zu nehmen, der in dem Kolonialrat nur eine neue
Ausgabe für Zwecke, die keinen Gewinn bringen, erblickt. Wir wollen vielmehr
mit unbefangenem Blicke die Sachlage ansehen und aus ihr heraus Gestalt
und Zweck des Kolonialrates folgern.

Es ist bisher und vielleicht nicht mit Unrecht behauptet worden, daß
unsre koloniale Verwaltung einen etwas büreaukratischen Charakter getragen
habe. Dieser Umstand ist wohl auf die Thatsache zurückzuführen, daß die
Regelung kolonialer Aufgaben bisher von Juristen, die unsre Kolonien nie
betreten hatten, vollzogen wurde. Diese Herren sind jedenfalls in der Lage, eine
Maßnahme in Einklang mit europäischen Rechtsbegriffen zu bringen, aber
damit ist noch lange nicht gesagt, daß diese dann auch in einem Lande, wo
Rechtsbegriffe entweder noch nicht vorhanden, oder die vorhandnen ganz andrer
Natur sind als die unsern, von praktischer Bedeutung werden kann.


Grenzboten III 1890 , L5


Der Kolonialrat und die Zukunft Ostafrikas
Joachim Graf Pfeil von

el den vielen Behauptungen, Andeutungen und Vermutungen, die
heute fast liberall über den neu zu errichtenden Kolonialrat aus¬
gesprochen werden, ist es vielleicht uicht unangebracht, einmal
in aller Ruhe und Unbefangenheit zu erwägen, wie ein solcher
Kolonialrat beschaffen zu sein haben wird und welche Thätigkeit
ihm eigentlich zufällt. Wir wollen uns dabei eben so fern halten vou jener
Schwärmerei, die in ihm die Rettung der aufs äußerste gefährdeten Kolvuial-
Pvlitik erblickt, die hofft, daß er die Veranlassung zu neuen Reisen und
Expeditionen sein werde zum Zwecke der Abschließung neuer Verträge mit Häupt¬
lingen entlegener Gebiete, die hofft, durch ihn das englisch-deutsche Abkommen
rückgängig gemacht zu sehen n. s. w., eben so fern von dieser, als von dem
traurigen Pessimismus, der da glaubt, daß es eine Übereilung gewesen sei,
koloniale Gebiete in Besitz zu nehmen, der in dem Kolonialrat nur eine neue
Ausgabe für Zwecke, die keinen Gewinn bringen, erblickt. Wir wollen vielmehr
mit unbefangenem Blicke die Sachlage ansehen und aus ihr heraus Gestalt
und Zweck des Kolonialrates folgern.

Es ist bisher und vielleicht nicht mit Unrecht behauptet worden, daß
unsre koloniale Verwaltung einen etwas büreaukratischen Charakter getragen
habe. Dieser Umstand ist wohl auf die Thatsache zurückzuführen, daß die
Regelung kolonialer Aufgaben bisher von Juristen, die unsre Kolonien nie
betreten hatten, vollzogen wurde. Diese Herren sind jedenfalls in der Lage, eine
Maßnahme in Einklang mit europäischen Rechtsbegriffen zu bringen, aber
damit ist noch lange nicht gesagt, daß diese dann auch in einem Lande, wo
Rechtsbegriffe entweder noch nicht vorhanden, oder die vorhandnen ganz andrer
Natur sind als die unsern, von praktischer Bedeutung werden kann.


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[0441] [Abbildung] Der Kolonialrat und die Zukunft Ostafrikas Joachim Graf Pfeil von el den vielen Behauptungen, Andeutungen und Vermutungen, die heute fast liberall über den neu zu errichtenden Kolonialrat aus¬ gesprochen werden, ist es vielleicht uicht unangebracht, einmal in aller Ruhe und Unbefangenheit zu erwägen, wie ein solcher Kolonialrat beschaffen zu sein haben wird und welche Thätigkeit ihm eigentlich zufällt. Wir wollen uns dabei eben so fern halten vou jener Schwärmerei, die in ihm die Rettung der aufs äußerste gefährdeten Kolvuial- Pvlitik erblickt, die hofft, daß er die Veranlassung zu neuen Reisen und Expeditionen sein werde zum Zwecke der Abschließung neuer Verträge mit Häupt¬ lingen entlegener Gebiete, die hofft, durch ihn das englisch-deutsche Abkommen rückgängig gemacht zu sehen n. s. w., eben so fern von dieser, als von dem traurigen Pessimismus, der da glaubt, daß es eine Übereilung gewesen sei, koloniale Gebiete in Besitz zu nehmen, der in dem Kolonialrat nur eine neue Ausgabe für Zwecke, die keinen Gewinn bringen, erblickt. Wir wollen vielmehr mit unbefangenem Blicke die Sachlage ansehen und aus ihr heraus Gestalt und Zweck des Kolonialrates folgern. Es ist bisher und vielleicht nicht mit Unrecht behauptet worden, daß unsre koloniale Verwaltung einen etwas büreaukratischen Charakter getragen habe. Dieser Umstand ist wohl auf die Thatsache zurückzuführen, daß die Regelung kolonialer Aufgaben bisher von Juristen, die unsre Kolonien nie betreten hatten, vollzogen wurde. Diese Herren sind jedenfalls in der Lage, eine Maßnahme in Einklang mit europäischen Rechtsbegriffen zu bringen, aber damit ist noch lange nicht gesagt, daß diese dann auch in einem Lande, wo Rechtsbegriffe entweder noch nicht vorhanden, oder die vorhandnen ganz andrer Natur sind als die unsern, von praktischer Bedeutung werden kann. Grenzboten III 1890 , L5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/441>, abgerufen am 28.04.2024.