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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Sehr wünschenswert wäre es ja, wenn wir einen Stab juristisch gebildeter
Männer in unsern Kolonien hätten, und wenn diese so vertraut mit den Sitten
der Eingebornen, den örtlichen Verhältnissen des Landes u. s. w. wären, daß
sie auf Grund der praktisch erworbenen Kenntnisse eine Verwaltung ins Leben
rufen könnten, die den Verhältnissen der Kolonie Rechnung trüge, auf sie
gegründet ist. Da uus diese nicht zu Gebote stehen, so werden wir den Rat
solcher Männer zu hören haben, die, obwohl keine Juristen, mit Land und
Leute" wirklich vertraut geworden sind und in ihrer Stellung durch ihre
Leistungen bewiese" haben, daß sie fähig sind, die Verhältnisse zu beurteilen
und zu lenken. Wir werden diese Männer hauptsächlich uuter denen finden,
die, sei es durch Kapitalaulagen, sei es auf irgend eine andre Weise, besondres
Interesse für unsre Kolonien an deu Tag gelegt haben. Solche Müuuer
werden wir in erster Linie unter unsern Reisende" zu suchen haben. Leider
ist es nur Mode geworden, jeden, der einmal in Sansibar gewesen ist, als
Afrikareisenden und folglich als Sachverständigen auszugeben. Doch dürfte
diese Art von Reisenden, deren Zahl ja hente Legion ist, kaum in der Lage
sein, zu beweisen, daß sie Land und Leute wirklich keime" gelernt haben.
Wir können aber auch andre namhaft machen, die allerdings mit reichen
Schützen erweiterten Wissens heimgekehrt sind.

Ich glaube, aus deu vorstehenden kurzen Erwägungen ergiebt sich ein
deutlicher Fingerzeig für die Zusammensetzung unsers neuen Kvlonialmtes.
Die Kenner von Land und Leuten werden wir unter unsern hervorragenden
Reisenden zu suchen haben. Die großen Kolonisationsgesellschaften werden die¬
jenigen Mitglieder zu stellen haben, die die in den Kolonien zu erstrebenden
Ziele aufstellen und in Vorschlag bringen. Die Kapitalisten, die die Kvloni-
sntiousgesellschaftcn durch Beiträge lebensfähig gemacht haben, sollten ebenfalls
vertreten sein, um ihre Billigung über die angeregten Ziele und über die Ver¬
wendung der Kapitalien aussprechen zu können.

So weit wird wohl jeder uns beistimmen. Aber ein geringes Nachdenken
belehrt uns, daß auch noch andre Interessen im Kolonialrate der Vertretung
bedürfen. Einem christlichen Kulturvolle liegt es ganz entschieden ob, bei seiner
Berührung mit heidnischen Völkern diesen die Gesittung beizubringen, die fast
als das alleinige Ergebnis der Glaubenslehre des Kulturvolkes zu betrachten
ist. Das Nächstliegende Mittel ist die Mission. Ganz abgesehen von ihrer
göttlichen Aufgabe und dein Umstände, daß sie sich mit weltlichen Dingen nicht
befassen soll, ist sie dennoch überall von großem Einfluß auf die wirtschaftliche
Entwicklung roher Naturvölker gewesen, sei es in fördernden, sei es in hin¬
dernden Sinne, je nach deu Grundsätzen, die die Sendboten der Mission be¬
seelten, ja vielleicht sogcwlein wenig nach ihrem Bildungsgrade. Ist es doch
die Verschiedenheit der geistigen Entwicklungsstufe, die deu Menschen befähigt,
seinem Berufe eine weitere oder eine engere Auslegung zu geben. Abgesehen


Sehr wünschenswert wäre es ja, wenn wir einen Stab juristisch gebildeter
Männer in unsern Kolonien hätten, und wenn diese so vertraut mit den Sitten
der Eingebornen, den örtlichen Verhältnissen des Landes u. s. w. wären, daß
sie auf Grund der praktisch erworbenen Kenntnisse eine Verwaltung ins Leben
rufen könnten, die den Verhältnissen der Kolonie Rechnung trüge, auf sie
gegründet ist. Da uus diese nicht zu Gebote stehen, so werden wir den Rat
solcher Männer zu hören haben, die, obwohl keine Juristen, mit Land und
Leute« wirklich vertraut geworden sind und in ihrer Stellung durch ihre
Leistungen bewiese» haben, daß sie fähig sind, die Verhältnisse zu beurteilen
und zu lenken. Wir werden diese Männer hauptsächlich uuter denen finden,
die, sei es durch Kapitalaulagen, sei es auf irgend eine andre Weise, besondres
Interesse für unsre Kolonien an deu Tag gelegt haben. Solche Müuuer
werden wir in erster Linie unter unsern Reisende» zu suchen haben. Leider
ist es nur Mode geworden, jeden, der einmal in Sansibar gewesen ist, als
Afrikareisenden und folglich als Sachverständigen auszugeben. Doch dürfte
diese Art von Reisenden, deren Zahl ja hente Legion ist, kaum in der Lage
sein, zu beweisen, daß sie Land und Leute wirklich keime» gelernt haben.
Wir können aber auch andre namhaft machen, die allerdings mit reichen
Schützen erweiterten Wissens heimgekehrt sind.

Ich glaube, aus deu vorstehenden kurzen Erwägungen ergiebt sich ein
deutlicher Fingerzeig für die Zusammensetzung unsers neuen Kvlonialmtes.
Die Kenner von Land und Leuten werden wir unter unsern hervorragenden
Reisenden zu suchen haben. Die großen Kolonisationsgesellschaften werden die¬
jenigen Mitglieder zu stellen haben, die die in den Kolonien zu erstrebenden
Ziele aufstellen und in Vorschlag bringen. Die Kapitalisten, die die Kvloni-
sntiousgesellschaftcn durch Beiträge lebensfähig gemacht haben, sollten ebenfalls
vertreten sein, um ihre Billigung über die angeregten Ziele und über die Ver¬
wendung der Kapitalien aussprechen zu können.

So weit wird wohl jeder uns beistimmen. Aber ein geringes Nachdenken
belehrt uns, daß auch noch andre Interessen im Kolonialrate der Vertretung
bedürfen. Einem christlichen Kulturvolle liegt es ganz entschieden ob, bei seiner
Berührung mit heidnischen Völkern diesen die Gesittung beizubringen, die fast
als das alleinige Ergebnis der Glaubenslehre des Kulturvolkes zu betrachten
ist. Das Nächstliegende Mittel ist die Mission. Ganz abgesehen von ihrer
göttlichen Aufgabe und dein Umstände, daß sie sich mit weltlichen Dingen nicht
befassen soll, ist sie dennoch überall von großem Einfluß auf die wirtschaftliche
Entwicklung roher Naturvölker gewesen, sei es in fördernden, sei es in hin¬
dernden Sinne, je nach deu Grundsätzen, die die Sendboten der Mission be¬
seelten, ja vielleicht sogcwlein wenig nach ihrem Bildungsgrade. Ist es doch
die Verschiedenheit der geistigen Entwicklungsstufe, die deu Menschen befähigt,
seinem Berufe eine weitere oder eine engere Auslegung zu geben. Abgesehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/442>, abgerufen am 13.05.2024.