Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
71

Ach, erbarm dich noch:
Und folgt auch kein Gehör,
Bergeß ich doch
Dein Wesen nimmermehr.

Der sanfte Händedruck begeistert ihn dünn zu einem zweiten Gedicht auf sie
mit ähnlichem Inhalt:


Versteht ihr mich, ihr sanften Hände,
Wnrmn euch mein Verlangen drückt?
Die Freiheit, merk' ich, geht zum Ende
Und wird mir mit Gewalt entrückt.

Aber er weiß ihr nicht zu nahen. Ein flüchtiges Begegnen am Abend ist alles:


Und hätt' ich auch uoch sonst zu hoffen,
So wehrt es mir die kurze Zeit,
Es steht kein Weg zum Umgang offen;
Komm, selige Gelegenheit,
Und schaffe, daß ich zeigen könne,
Wie zart und rein mein Herze brenne.
Ich weiß, die artige Rosette
Erklärte sich vor meine Treu,
Wofern sie erst geprüfet hätte,
Wie gleich ihr mein Gemüte sei.
Und wenn sie ans Erfahrung wüßte,
Was aunes Verliebter dulden müßte!
Ich bin mit mancher umgegangen,
Die noch wohl liebenswürdig wär;
Bis jetzo blieb ich nugefaugeu;
Du, schönes Kind, kommst ungefähr
Und rührst mich gleich zum erstenmale
Auch nur mit einem holden Strahle.

Selbst der Traum zaubert ihm ihr Bild vor, und so hofft er, daß sich ver¬
wirklichen werde, was er gesehen hat:


Dies alles ist wohl nicht vergebens,
Der Himmel paart oft wunderlich;
Zum Troste des betrübten Lebeus
Begehre' ich sonst kein Kind als dich;
Die Liebe könnte Mittel zeigen,
Und heute - doch ich muß uur schweigen.

Eine eigentümliche Zurückhaltung klingt aus diesen Worten. Aber der Dichter
wird wärmer und geht einen Schritt weiter. Er schreibt ein heißglühendes
drittes Gedicht, worin er die Geliebte um einen Kuß bittet:


Ach, was ist das vor ein Leben,
Niemals recht verliebt zu sein!
Nichts kann Trost im llugliick geben,
Als ein Kuß voll süßer Pein.

71

Ach, erbarm dich noch:
Und folgt auch kein Gehör,
Bergeß ich doch
Dein Wesen nimmermehr.

Der sanfte Händedruck begeistert ihn dünn zu einem zweiten Gedicht auf sie
mit ähnlichem Inhalt:


Versteht ihr mich, ihr sanften Hände,
Wnrmn euch mein Verlangen drückt?
Die Freiheit, merk' ich, geht zum Ende
Und wird mir mit Gewalt entrückt.

Aber er weiß ihr nicht zu nahen. Ein flüchtiges Begegnen am Abend ist alles:


Und hätt' ich auch uoch sonst zu hoffen,
So wehrt es mir die kurze Zeit,
Es steht kein Weg zum Umgang offen;
Komm, selige Gelegenheit,
Und schaffe, daß ich zeigen könne,
Wie zart und rein mein Herze brenne.
Ich weiß, die artige Rosette
Erklärte sich vor meine Treu,
Wofern sie erst geprüfet hätte,
Wie gleich ihr mein Gemüte sei.
Und wenn sie ans Erfahrung wüßte,
Was aunes Verliebter dulden müßte!
Ich bin mit mancher umgegangen,
Die noch wohl liebenswürdig wär;
Bis jetzo blieb ich nugefaugeu;
Du, schönes Kind, kommst ungefähr
Und rührst mich gleich zum erstenmale
Auch nur mit einem holden Strahle.

Selbst der Traum zaubert ihm ihr Bild vor, und so hofft er, daß sich ver¬
wirklichen werde, was er gesehen hat:


Dies alles ist wohl nicht vergebens,
Der Himmel paart oft wunderlich;
Zum Troste des betrübten Lebeus
Begehre' ich sonst kein Kind als dich;
Die Liebe könnte Mittel zeigen,
Und heute - doch ich muß uur schweigen.

Eine eigentümliche Zurückhaltung klingt aus diesen Worten. Aber der Dichter
wird wärmer und geht einen Schritt weiter. Er schreibt ein heißglühendes
drittes Gedicht, worin er die Geliebte um einen Kuß bittet:


Ach, was ist das vor ein Leben,
Niemals recht verliebt zu sein!
Nichts kann Trost im llugliick geben,
Als ein Kuß voll süßer Pein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208016"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> 71</head><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_9" type="poem">
              <l> Ach, erbarm dich noch:<lb/>
Und folgt auch kein Gehör,<lb/>
Bergeß ich doch<lb/>
Dein Wesen nimmermehr.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_205" prev="#ID_204" next="#ID_206"> Der sanfte Händedruck begeistert ihn dünn zu einem zweiten Gedicht auf sie<lb/>
mit ähnlichem Inhalt:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_10" type="poem">
              <l> Versteht ihr mich, ihr sanften Hände,<lb/>
Wnrmn euch mein Verlangen drückt?<lb/>
Die Freiheit, merk' ich, geht zum Ende<lb/>
Und wird mir mit Gewalt entrückt.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_206" prev="#ID_205" next="#ID_207"> Aber er weiß ihr nicht zu nahen. Ein flüchtiges Begegnen am Abend ist alles:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_11" type="poem">
              <l> Und hätt' ich auch uoch sonst zu hoffen,<lb/>
So wehrt es mir die kurze Zeit,<lb/>
Es steht kein Weg zum Umgang offen;<lb/>
Komm, selige Gelegenheit,<lb/>
Und schaffe, daß ich zeigen könne,<lb/>
Wie zart und rein mein Herze brenne.</l>
              <l> Ich weiß, die artige Rosette<lb/>
Erklärte sich vor meine Treu,<lb/>
Wofern sie erst geprüfet hätte,<lb/>
Wie gleich ihr mein Gemüte sei.<lb/>
Und wenn sie ans Erfahrung wüßte,<lb/>
Was aunes Verliebter dulden müßte!</l>
              <l> Ich bin mit mancher umgegangen,<lb/>
Die noch wohl liebenswürdig wär;<lb/>
Bis jetzo blieb ich nugefaugeu;<lb/>
Du, schönes Kind, kommst ungefähr<lb/>
Und rührst mich gleich zum erstenmale<lb/>
Auch nur mit einem holden Strahle.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_207" prev="#ID_206" next="#ID_208"> Selbst der Traum zaubert ihm ihr Bild vor, und so hofft er, daß sich ver¬<lb/>
wirklichen werde, was er gesehen hat:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_12" type="poem">
              <l> Dies alles ist wohl nicht vergebens,<lb/>
Der Himmel paart oft wunderlich;<lb/>
Zum Troste des betrübten Lebeus<lb/>
Begehre' ich sonst kein Kind als dich;<lb/>
Die Liebe könnte Mittel zeigen,<lb/>
Und heute  - doch ich muß uur schweigen.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_208" prev="#ID_207" next="#ID_209"> Eine eigentümliche Zurückhaltung klingt aus diesen Worten. Aber der Dichter<lb/>
wird wärmer und geht einen Schritt weiter. Er schreibt ein heißglühendes<lb/>
drittes Gedicht, worin er die Geliebte um einen Kuß bittet:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_13" type="poem">
              <l> Ach, was ist das vor ein Leben,<lb/>
Niemals recht verliebt zu sein!<lb/>
Nichts kann Trost im llugliick geben,<lb/>
Als ein Kuß voll süßer Pein.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0079] 71 Ach, erbarm dich noch: Und folgt auch kein Gehör, Bergeß ich doch Dein Wesen nimmermehr. Der sanfte Händedruck begeistert ihn dünn zu einem zweiten Gedicht auf sie mit ähnlichem Inhalt: Versteht ihr mich, ihr sanften Hände, Wnrmn euch mein Verlangen drückt? Die Freiheit, merk' ich, geht zum Ende Und wird mir mit Gewalt entrückt. Aber er weiß ihr nicht zu nahen. Ein flüchtiges Begegnen am Abend ist alles: Und hätt' ich auch uoch sonst zu hoffen, So wehrt es mir die kurze Zeit, Es steht kein Weg zum Umgang offen; Komm, selige Gelegenheit, Und schaffe, daß ich zeigen könne, Wie zart und rein mein Herze brenne. Ich weiß, die artige Rosette Erklärte sich vor meine Treu, Wofern sie erst geprüfet hätte, Wie gleich ihr mein Gemüte sei. Und wenn sie ans Erfahrung wüßte, Was aunes Verliebter dulden müßte! Ich bin mit mancher umgegangen, Die noch wohl liebenswürdig wär; Bis jetzo blieb ich nugefaugeu; Du, schönes Kind, kommst ungefähr Und rührst mich gleich zum erstenmale Auch nur mit einem holden Strahle. Selbst der Traum zaubert ihm ihr Bild vor, und so hofft er, daß sich ver¬ wirklichen werde, was er gesehen hat: Dies alles ist wohl nicht vergebens, Der Himmel paart oft wunderlich; Zum Troste des betrübten Lebeus Begehre' ich sonst kein Kind als dich; Die Liebe könnte Mittel zeigen, Und heute - doch ich muß uur schweigen. Eine eigentümliche Zurückhaltung klingt aus diesen Worten. Aber der Dichter wird wärmer und geht einen Schritt weiter. Er schreibt ein heißglühendes drittes Gedicht, worin er die Geliebte um einen Kuß bittet: Ach, was ist das vor ein Leben, Niemals recht verliebt zu sein! Nichts kann Trost im llugliick geben, Als ein Kuß voll süßer Pein.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/79
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/79>, abgerufen am 28.04.2024.