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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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zusammenschließenden Ereignisse träte, so wäre die Wirkung für die thätigen
und die empfangenden Teilnehmer unaussprechlich viel tiefer und erschütternder,
als je das einfache Wort oder selbst die gewaltigen Klänge von Händel oder
Bach sie hervorzubringen vermögen.




Römische Frühlingsbilder
Adolf Stern Von
6. Villa Mattei

ur jeden, der mit freien: Herzen und klarem Blick, ohne atemlose
Hast wie ohne Überhebung eine Reihe glücklicher Wochen in der
ewigen Stadt verlebt, hat die Folge der Tage ein festliches Ge¬
präge und selbst dann noch ein leuchtendes Kolorit, wenn Wolken
und rauschende Frühlingsregen gelegentlich die Sonne ablösen.
Der Reichtum, die Überfülle des zu Schauenden lassen den Mißmut über ein
paar düstere Stunden kaum aufkommen, und die Macht wie die Mannichfaltigkeit
der Eindrücke erhalten die Seele in freudiger Spannung. Wo jeder Tag
geistige Erhebung und erhöhte Stimmung bringt, heben sich die einzelnen Tage
nicht besonders von einander ab, ein gleichmäßig klares Licht ruht über allen
Erinnerungen an solche Lenz- und Festzeit, und man trügt eine Art Scheu,
einzelnen Stunden und Erlebnissen den Vorzug zu geben. Und dennoch schwebt
um einzelne ein Hauch, der so erquickend und zugleich so unfaßbar, so flüchtig
war, daß er sich uicht schildern, kaum im Gedächtnis halten läßt, obwohl er
die Sehnsucht zurückließ, ihn noch einmal zu empfinden. Ein paar der köst¬
lichsten dieser Stunden wurden uns in den Schatteugüngen und an den Aus¬
sichtspunkten des Gartens der Villa Muttel zuteil. Die Villa ist eiuer der
wenigen halb städtischen, halb ländlichen Sitze im Süden von Rom, die uns
noch ganz vergegenwärtigen, wie sich neues Leben mitten zwischen den Trümmern
des alten erhob, wie sich in Zeiten genießenden Behagens auf den Höhen und
ein den Abhängen der römischen Hügel eine Gartenpracht ausbreitete, von der
heute uur noch ein Teil vorhanden ist. Denn diese grünen Schöpfungen des
sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts müssen jetzt den Lebenden
wie den Toten weichen. Ein Teil verschwindet vor der spekulativen und ge¬
schmacklosen Baulust der Neurömer, ein andrer fällt den mit Energie und


zusammenschließenden Ereignisse träte, so wäre die Wirkung für die thätigen
und die empfangenden Teilnehmer unaussprechlich viel tiefer und erschütternder,
als je das einfache Wort oder selbst die gewaltigen Klänge von Händel oder
Bach sie hervorzubringen vermögen.




Römische Frühlingsbilder
Adolf Stern Von
6. Villa Mattei

ur jeden, der mit freien: Herzen und klarem Blick, ohne atemlose
Hast wie ohne Überhebung eine Reihe glücklicher Wochen in der
ewigen Stadt verlebt, hat die Folge der Tage ein festliches Ge¬
präge und selbst dann noch ein leuchtendes Kolorit, wenn Wolken
und rauschende Frühlingsregen gelegentlich die Sonne ablösen.
Der Reichtum, die Überfülle des zu Schauenden lassen den Mißmut über ein
paar düstere Stunden kaum aufkommen, und die Macht wie die Mannichfaltigkeit
der Eindrücke erhalten die Seele in freudiger Spannung. Wo jeder Tag
geistige Erhebung und erhöhte Stimmung bringt, heben sich die einzelnen Tage
nicht besonders von einander ab, ein gleichmäßig klares Licht ruht über allen
Erinnerungen an solche Lenz- und Festzeit, und man trügt eine Art Scheu,
einzelnen Stunden und Erlebnissen den Vorzug zu geben. Und dennoch schwebt
um einzelne ein Hauch, der so erquickend und zugleich so unfaßbar, so flüchtig
war, daß er sich uicht schildern, kaum im Gedächtnis halten läßt, obwohl er
die Sehnsucht zurückließ, ihn noch einmal zu empfinden. Ein paar der köst¬
lichsten dieser Stunden wurden uns in den Schatteugüngen und an den Aus¬
sichtspunkten des Gartens der Villa Muttel zuteil. Die Villa ist eiuer der
wenigen halb städtischen, halb ländlichen Sitze im Süden von Rom, die uns
noch ganz vergegenwärtigen, wie sich neues Leben mitten zwischen den Trümmern
des alten erhob, wie sich in Zeiten genießenden Behagens auf den Höhen und
ein den Abhängen der römischen Hügel eine Gartenpracht ausbreitete, von der
heute uur noch ein Teil vorhanden ist. Denn diese grünen Schöpfungen des
sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts müssen jetzt den Lebenden
wie den Toten weichen. Ein Teil verschwindet vor der spekulativen und ge¬
schmacklosen Baulust der Neurömer, ein andrer fällt den mit Energie und


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[0133] zusammenschließenden Ereignisse träte, so wäre die Wirkung für die thätigen und die empfangenden Teilnehmer unaussprechlich viel tiefer und erschütternder, als je das einfache Wort oder selbst die gewaltigen Klänge von Händel oder Bach sie hervorzubringen vermögen. Römische Frühlingsbilder Adolf Stern Von 6. Villa Mattei ur jeden, der mit freien: Herzen und klarem Blick, ohne atemlose Hast wie ohne Überhebung eine Reihe glücklicher Wochen in der ewigen Stadt verlebt, hat die Folge der Tage ein festliches Ge¬ präge und selbst dann noch ein leuchtendes Kolorit, wenn Wolken und rauschende Frühlingsregen gelegentlich die Sonne ablösen. Der Reichtum, die Überfülle des zu Schauenden lassen den Mißmut über ein paar düstere Stunden kaum aufkommen, und die Macht wie die Mannichfaltigkeit der Eindrücke erhalten die Seele in freudiger Spannung. Wo jeder Tag geistige Erhebung und erhöhte Stimmung bringt, heben sich die einzelnen Tage nicht besonders von einander ab, ein gleichmäßig klares Licht ruht über allen Erinnerungen an solche Lenz- und Festzeit, und man trügt eine Art Scheu, einzelnen Stunden und Erlebnissen den Vorzug zu geben. Und dennoch schwebt um einzelne ein Hauch, der so erquickend und zugleich so unfaßbar, so flüchtig war, daß er sich uicht schildern, kaum im Gedächtnis halten läßt, obwohl er die Sehnsucht zurückließ, ihn noch einmal zu empfinden. Ein paar der köst¬ lichsten dieser Stunden wurden uns in den Schatteugüngen und an den Aus¬ sichtspunkten des Gartens der Villa Muttel zuteil. Die Villa ist eiuer der wenigen halb städtischen, halb ländlichen Sitze im Süden von Rom, die uns noch ganz vergegenwärtigen, wie sich neues Leben mitten zwischen den Trümmern des alten erhob, wie sich in Zeiten genießenden Behagens auf den Höhen und ein den Abhängen der römischen Hügel eine Gartenpracht ausbreitete, von der heute uur noch ein Teil vorhanden ist. Denn diese grünen Schöpfungen des sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts müssen jetzt den Lebenden wie den Toten weichen. Ein Teil verschwindet vor der spekulativen und ge¬ schmacklosen Baulust der Neurömer, ein andrer fällt den mit Energie und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/133>, abgerufen am 28.04.2024.