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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Römische Frühlingsbtlder

Methode betriebenen Ausgrabungen der antiken Stadtreste, der Palast- und
Tempeltrümmer zum Opfer. Auf dein Palatin schmelzen die farnesinischen
Gärten zusammen, indem die Kaiserpaläste bloßgelegt werden und ihre Umrisse
immer deutlicher zeigen, im Norden von Rom schwinden oder verkümmern die
altberühmten Gärten bei und vor der Port" Sakara, indem neue langweilige
Straßen emporwachsen. Aber die Gartenherrlichkeit der Villa Mattei auf der
Höhe des Cälius bewahrt bis zur Stunde ihren ganzen Umfang, ihren vollen
malerischen Reiz. Ist sie auch nur an einzelnen Tagen zugänglich, so hat sie
dann vor dem Borghese- und dem Doria-Pamsiligarteu den Vorzug, daß sie
sich nur Spaziergängern, nicht Spazierfahrern öffnet, daß ihre grünen Schatten
und blumengeschmückten Terrassen vom Staube der Wagen unberührt bleiben,
daß die wunderbare Stille, die der majestätisch einsamen Lage hoch über dem
Treiben der Stadt und mit dem Blick auf die Niesenruinen der Caracallathermen
und in die Weite der Campagna hinaus entspricht, den Vollgenuß ihrer schönen
Gänge und Plätze, ihrer gewaltigen Umgebungen erhöht.

Der Zugang zu diesem anmutigen Fleck voll frischen Grüns, voll poetischer
Laubdächer, aus denen man, lauschig eingeschränkt, in schimmernde Weiten blickt,
ist natürlich auch echt römisch. Lange, einsame, zwischen hohen und niedern Mauern
hinlaufende, meist staubige Straßen, an denen sich nur hie und da ein Haus,
eine Kirchen- oder Klosterpforte aufthut, führen vom Kolosseum oder vom
Lateranpalast zu einem wunderlichen, mit Bäumen bepflanzten Platze, der Piazzn
della Navicella, an dem wiederum zwei Kirchen, der uralte ehrwürdige Rund¬
bau von San Stefano rotondo und die Kirche San Maria in Domeniea, ein
Renaissancebau der anspruchslvsern Art, emporragen. Im römischen Volks¬
munde heißt die letztere Kirche schlechtweg Maria della Navicella -- Maria
vom Schiffchen -- wegen des kleinen Marmorschiffes, das vor ihrem Eingang
steht und als Nachbild eines unter Leo dem Zehnten aufgefundenen und auf¬
gestellten antiken Weiheschiffes gilt. Jedenfalls ist das Schiff ein seltsamer
Schmuck des Platzes, den keiner vergessen wird, der ihn einmal gesehen hat;
es würde, wenn die Italiener den Begriff von wandernden Gesellen, von
Handwerkslmrschenbrauch und Spruch besäßen, unfehlbar zu den Wahrzeichen
von Rom gehören. Dicht neben der Kirche befindet sich das Eingangsthor
zur Villa Mattei. Eine schöne Allee führt zu dem Haupthause, das sich
stattlich in einfacher, gleichsam bequemer Würde auf der Höhe des Hügel¬
gartens erhebt -- die meisten Besucher wird es, wie uns, vor allem in die
prächtig schattigen Gänge locken, die sich links vom Hause hinziehen und
zwischen Bäumen und hohen Büschen zu den Terrassen an: Südrande des
Hügels führen.

Wer doch die Unendlichkeit der Bilder in eines fassen, wer die Schönheit, die
Überfülle der Formen- und Farbenreize im Wort malen könnte! Wem es nur
gelänge, den stillbeglückenden Zauber, der in dem wunschlosen Hinabblick von


Römische Frühlingsbtlder

Methode betriebenen Ausgrabungen der antiken Stadtreste, der Palast- und
Tempeltrümmer zum Opfer. Auf dein Palatin schmelzen die farnesinischen
Gärten zusammen, indem die Kaiserpaläste bloßgelegt werden und ihre Umrisse
immer deutlicher zeigen, im Norden von Rom schwinden oder verkümmern die
altberühmten Gärten bei und vor der Port» Sakara, indem neue langweilige
Straßen emporwachsen. Aber die Gartenherrlichkeit der Villa Mattei auf der
Höhe des Cälius bewahrt bis zur Stunde ihren ganzen Umfang, ihren vollen
malerischen Reiz. Ist sie auch nur an einzelnen Tagen zugänglich, so hat sie
dann vor dem Borghese- und dem Doria-Pamsiligarteu den Vorzug, daß sie
sich nur Spaziergängern, nicht Spazierfahrern öffnet, daß ihre grünen Schatten
und blumengeschmückten Terrassen vom Staube der Wagen unberührt bleiben,
daß die wunderbare Stille, die der majestätisch einsamen Lage hoch über dem
Treiben der Stadt und mit dem Blick auf die Niesenruinen der Caracallathermen
und in die Weite der Campagna hinaus entspricht, den Vollgenuß ihrer schönen
Gänge und Plätze, ihrer gewaltigen Umgebungen erhöht.

Der Zugang zu diesem anmutigen Fleck voll frischen Grüns, voll poetischer
Laubdächer, aus denen man, lauschig eingeschränkt, in schimmernde Weiten blickt,
ist natürlich auch echt römisch. Lange, einsame, zwischen hohen und niedern Mauern
hinlaufende, meist staubige Straßen, an denen sich nur hie und da ein Haus,
eine Kirchen- oder Klosterpforte aufthut, führen vom Kolosseum oder vom
Lateranpalast zu einem wunderlichen, mit Bäumen bepflanzten Platze, der Piazzn
della Navicella, an dem wiederum zwei Kirchen, der uralte ehrwürdige Rund¬
bau von San Stefano rotondo und die Kirche San Maria in Domeniea, ein
Renaissancebau der anspruchslvsern Art, emporragen. Im römischen Volks¬
munde heißt die letztere Kirche schlechtweg Maria della Navicella — Maria
vom Schiffchen — wegen des kleinen Marmorschiffes, das vor ihrem Eingang
steht und als Nachbild eines unter Leo dem Zehnten aufgefundenen und auf¬
gestellten antiken Weiheschiffes gilt. Jedenfalls ist das Schiff ein seltsamer
Schmuck des Platzes, den keiner vergessen wird, der ihn einmal gesehen hat;
es würde, wenn die Italiener den Begriff von wandernden Gesellen, von
Handwerkslmrschenbrauch und Spruch besäßen, unfehlbar zu den Wahrzeichen
von Rom gehören. Dicht neben der Kirche befindet sich das Eingangsthor
zur Villa Mattei. Eine schöne Allee führt zu dem Haupthause, das sich
stattlich in einfacher, gleichsam bequemer Würde auf der Höhe des Hügel¬
gartens erhebt — die meisten Besucher wird es, wie uns, vor allem in die
prächtig schattigen Gänge locken, die sich links vom Hause hinziehen und
zwischen Bäumen und hohen Büschen zu den Terrassen an: Südrande des
Hügels führen.

Wer doch die Unendlichkeit der Bilder in eines fassen, wer die Schönheit, die
Überfülle der Formen- und Farbenreize im Wort malen könnte! Wem es nur
gelänge, den stillbeglückenden Zauber, der in dem wunschlosen Hinabblick von


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[0134] Römische Frühlingsbtlder Methode betriebenen Ausgrabungen der antiken Stadtreste, der Palast- und Tempeltrümmer zum Opfer. Auf dein Palatin schmelzen die farnesinischen Gärten zusammen, indem die Kaiserpaläste bloßgelegt werden und ihre Umrisse immer deutlicher zeigen, im Norden von Rom schwinden oder verkümmern die altberühmten Gärten bei und vor der Port» Sakara, indem neue langweilige Straßen emporwachsen. Aber die Gartenherrlichkeit der Villa Mattei auf der Höhe des Cälius bewahrt bis zur Stunde ihren ganzen Umfang, ihren vollen malerischen Reiz. Ist sie auch nur an einzelnen Tagen zugänglich, so hat sie dann vor dem Borghese- und dem Doria-Pamsiligarteu den Vorzug, daß sie sich nur Spaziergängern, nicht Spazierfahrern öffnet, daß ihre grünen Schatten und blumengeschmückten Terrassen vom Staube der Wagen unberührt bleiben, daß die wunderbare Stille, die der majestätisch einsamen Lage hoch über dem Treiben der Stadt und mit dem Blick auf die Niesenruinen der Caracallathermen und in die Weite der Campagna hinaus entspricht, den Vollgenuß ihrer schönen Gänge und Plätze, ihrer gewaltigen Umgebungen erhöht. Der Zugang zu diesem anmutigen Fleck voll frischen Grüns, voll poetischer Laubdächer, aus denen man, lauschig eingeschränkt, in schimmernde Weiten blickt, ist natürlich auch echt römisch. Lange, einsame, zwischen hohen und niedern Mauern hinlaufende, meist staubige Straßen, an denen sich nur hie und da ein Haus, eine Kirchen- oder Klosterpforte aufthut, führen vom Kolosseum oder vom Lateranpalast zu einem wunderlichen, mit Bäumen bepflanzten Platze, der Piazzn della Navicella, an dem wiederum zwei Kirchen, der uralte ehrwürdige Rund¬ bau von San Stefano rotondo und die Kirche San Maria in Domeniea, ein Renaissancebau der anspruchslvsern Art, emporragen. Im römischen Volks¬ munde heißt die letztere Kirche schlechtweg Maria della Navicella — Maria vom Schiffchen — wegen des kleinen Marmorschiffes, das vor ihrem Eingang steht und als Nachbild eines unter Leo dem Zehnten aufgefundenen und auf¬ gestellten antiken Weiheschiffes gilt. Jedenfalls ist das Schiff ein seltsamer Schmuck des Platzes, den keiner vergessen wird, der ihn einmal gesehen hat; es würde, wenn die Italiener den Begriff von wandernden Gesellen, von Handwerkslmrschenbrauch und Spruch besäßen, unfehlbar zu den Wahrzeichen von Rom gehören. Dicht neben der Kirche befindet sich das Eingangsthor zur Villa Mattei. Eine schöne Allee führt zu dem Haupthause, das sich stattlich in einfacher, gleichsam bequemer Würde auf der Höhe des Hügel¬ gartens erhebt — die meisten Besucher wird es, wie uns, vor allem in die prächtig schattigen Gänge locken, die sich links vom Hause hinziehen und zwischen Bäumen und hohen Büschen zu den Terrassen an: Südrande des Hügels führen. Wer doch die Unendlichkeit der Bilder in eines fassen, wer die Schönheit, die Überfülle der Formen- und Farbenreize im Wort malen könnte! Wem es nur gelänge, den stillbeglückenden Zauber, der in dem wunschlosen Hinabblick von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/134>, abgerufen am 11.05.2024.