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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen

"HMcum man zu einem gerechten Urteil über die 29 Thesen gelangen
will, in denen der höhere Lehrerstand Preußens seine Wünsche
der demnächst zusammentretender Schulkommissivn gegenüber zum
Ausdruck gebracht hat,*) so find zunächst zwei teilweise mitein¬
ander zusammenhängende Vorfragen zu erledigen. Erstens: Was
sollen die Thesen, und was sollen sie nicht? Zweitens: Wie sind sie entstanden?

Sie sollen eine Zusammenfassung der Wünsche sein, deren Erfüllung
die Gesamtheit der Lehrer an den höheren Lehranstalten Preußens für
nötig hält, wenn ihrem Stande die richtige Stellung gegeben werden soll.
Die Thesen beabsichtigen nicht und konnten nicht beabsichtigen, irgendwie
Stellung zu der Schulreformfrcige im eigentlichen Sinne zu nehmen. Wer
also dergleichen in ihnen sucht, wird sie enttäuscht aus der Hand legen,
much wenn er dein höhern Lehrerstande wohlwollender gegenübersteht, als
dies z. B. bei einem Korrespondenten der Frankfurter Zeitung (2(i. September)
der Fall zu sein scheint, der, da er sich "für Schulreform interessire," wie er
etwas allgemein sagt, die Resolutionen mit großer Spannung zur Hand ge¬
nommen hat, weil er aber das erwartete umfassende Reformprogramm darin
nicht gefunden hat, seinem Ingrimm darüber lebhaften Ausdruck giebt. Daß
die Aufstellung eines solchen Programms durch die Vertreter fast des ge¬
samten höhern Lehrerstandes einfach ein Ding der Unmöglichkeit gewesen
wäre, sollte eigentlich auch solchen gegenüber, die sich nicht näher mit der
Sache befaßt haben, keiner Auseinandersetzung bedürfen. Unter unsern Gym¬
nasiallehrern -- man gestatte mir der Kürze wegen diesen Ausdruck -- sind
alle Standpunkte von Jäger bis Preyer vertreten (Preyer darf wohl, obwohl
nicht Lehrer, als der geeignetste Vertreter der grundsätzlichen Gegner des alt-



Über diesen Gegenstand sind uns drei Aufsätze von drei völlig verschiednen Stand-
Punkten ans zugegangen: der erste stammt, wie jeder sieht, ans der Feder eines Lehrers, der
zweite ist von einem Richter geschrieben, den dritten hat uns ein ganz unparteiischer Mit¬
arbeiter eingesendet. Es wird für unsre Leser ebenso lehrreich wie ergötzlich sein, sie alle drei
kennen zu lernen. In welchen: Grade sie unsern eignen Anschauungen entsprechen glauben
,
D. Red. wir einigermaßen durch die Anordnung angedeutet zu haben.


Die Wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen

»HMcum man zu einem gerechten Urteil über die 29 Thesen gelangen
will, in denen der höhere Lehrerstand Preußens seine Wünsche
der demnächst zusammentretender Schulkommissivn gegenüber zum
Ausdruck gebracht hat,*) so find zunächst zwei teilweise mitein¬
ander zusammenhängende Vorfragen zu erledigen. Erstens: Was
sollen die Thesen, und was sollen sie nicht? Zweitens: Wie sind sie entstanden?

Sie sollen eine Zusammenfassung der Wünsche sein, deren Erfüllung
die Gesamtheit der Lehrer an den höheren Lehranstalten Preußens für
nötig hält, wenn ihrem Stande die richtige Stellung gegeben werden soll.
Die Thesen beabsichtigen nicht und konnten nicht beabsichtigen, irgendwie
Stellung zu der Schulreformfrcige im eigentlichen Sinne zu nehmen. Wer
also dergleichen in ihnen sucht, wird sie enttäuscht aus der Hand legen,
much wenn er dein höhern Lehrerstande wohlwollender gegenübersteht, als
dies z. B. bei einem Korrespondenten der Frankfurter Zeitung (2(i. September)
der Fall zu sein scheint, der, da er sich „für Schulreform interessire," wie er
etwas allgemein sagt, die Resolutionen mit großer Spannung zur Hand ge¬
nommen hat, weil er aber das erwartete umfassende Reformprogramm darin
nicht gefunden hat, seinem Ingrimm darüber lebhaften Ausdruck giebt. Daß
die Aufstellung eines solchen Programms durch die Vertreter fast des ge¬
samten höhern Lehrerstandes einfach ein Ding der Unmöglichkeit gewesen
wäre, sollte eigentlich auch solchen gegenüber, die sich nicht näher mit der
Sache befaßt haben, keiner Auseinandersetzung bedürfen. Unter unsern Gym¬
nasiallehrern — man gestatte mir der Kürze wegen diesen Ausdruck — sind
alle Standpunkte von Jäger bis Preyer vertreten (Preyer darf wohl, obwohl
nicht Lehrer, als der geeignetste Vertreter der grundsätzlichen Gegner des alt-



Über diesen Gegenstand sind uns drei Aufsätze von drei völlig verschiednen Stand-
Punkten ans zugegangen: der erste stammt, wie jeder sieht, ans der Feder eines Lehrers, der
zweite ist von einem Richter geschrieben, den dritten hat uns ein ganz unparteiischer Mit¬
arbeiter eingesendet. Es wird für unsre Leser ebenso lehrreich wie ergötzlich sein, sie alle drei
kennen zu lernen. In welchen: Grade sie unsern eignen Anschauungen entsprechen glauben
,
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[0165] [Abbildung] Die Wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen »HMcum man zu einem gerechten Urteil über die 29 Thesen gelangen will, in denen der höhere Lehrerstand Preußens seine Wünsche der demnächst zusammentretender Schulkommissivn gegenüber zum Ausdruck gebracht hat,*) so find zunächst zwei teilweise mitein¬ ander zusammenhängende Vorfragen zu erledigen. Erstens: Was sollen die Thesen, und was sollen sie nicht? Zweitens: Wie sind sie entstanden? Sie sollen eine Zusammenfassung der Wünsche sein, deren Erfüllung die Gesamtheit der Lehrer an den höheren Lehranstalten Preußens für nötig hält, wenn ihrem Stande die richtige Stellung gegeben werden soll. Die Thesen beabsichtigen nicht und konnten nicht beabsichtigen, irgendwie Stellung zu der Schulreformfrcige im eigentlichen Sinne zu nehmen. Wer also dergleichen in ihnen sucht, wird sie enttäuscht aus der Hand legen, much wenn er dein höhern Lehrerstande wohlwollender gegenübersteht, als dies z. B. bei einem Korrespondenten der Frankfurter Zeitung (2(i. September) der Fall zu sein scheint, der, da er sich „für Schulreform interessire," wie er etwas allgemein sagt, die Resolutionen mit großer Spannung zur Hand ge¬ nommen hat, weil er aber das erwartete umfassende Reformprogramm darin nicht gefunden hat, seinem Ingrimm darüber lebhaften Ausdruck giebt. Daß die Aufstellung eines solchen Programms durch die Vertreter fast des ge¬ samten höhern Lehrerstandes einfach ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, sollte eigentlich auch solchen gegenüber, die sich nicht näher mit der Sache befaßt haben, keiner Auseinandersetzung bedürfen. Unter unsern Gym¬ nasiallehrern — man gestatte mir der Kürze wegen diesen Ausdruck — sind alle Standpunkte von Jäger bis Preyer vertreten (Preyer darf wohl, obwohl nicht Lehrer, als der geeignetste Vertreter der grundsätzlichen Gegner des alt- Über diesen Gegenstand sind uns drei Aufsätze von drei völlig verschiednen Stand- Punkten ans zugegangen: der erste stammt, wie jeder sieht, ans der Feder eines Lehrers, der zweite ist von einem Richter geschrieben, den dritten hat uns ein ganz unparteiischer Mit¬ arbeiter eingesendet. Es wird für unsre Leser ebenso lehrreich wie ergötzlich sein, sie alle drei kennen zu lernen. In welchen: Grade sie unsern eignen Anschauungen entsprechen glauben , D. Red. wir einigermaßen durch die Anordnung angedeutet zu haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/165>, abgerufen am 28.04.2024.