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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen

sprachlichen Unterrichts genannt werden), wobei höchstens die Frage offen
bleibt, ob Jäger wirklich den äußersten rechten Flügel in dieser Frage bildet.
Wie soll da eine Einigung über den neuen Lehrplan, auch nur des Gymna¬
siums, möglich sein? Oder hätte man etwa Vorschläge über die Unterrichts¬
methode versuchen sollen? Auch hier stößt man auf die gleiche Unmöglichkeit.
Der Stand der Gymnasiallehrer zählt Mitglieder, die auf die Herbart-Zillerschen
Grundsätze schwören, neben solchen, die davon so gut wie nichts wissen wollen,
vielleicht auch so gut wie nichts wissen; in beiden Lagern sind hochangesehene
Namen. Wir haben zwei beliebige Punkte herausgegriffen; fast in allen andern
würde sich, wenn wir darauf eingehen wollten, dasselbe ergeben.

Die zweite Vorfrage lautete: Wie sind die Thesen entstanden? Hierüber heißt
es in der offenbar von berufener Seite ausgehenden Kundgebung, die die Zeitungen
in den letzten Tagen veröffentlichten: "Nachdem zunächst innerhalb der einzelnen
Lehrerkollegien, sodann innerhalb der Prvvinzialvereine Veratungen statt¬
gefunden hatten, traten am 17. August d. I. die Delegieren ^warum nicht Ab¬
geordneten?^ sämtlicher Prvvinzialvereine in Berlin zusammen. Nach eingehender
Beratung wurden 29 Thesen aufgestellt, welche der Kommission als Wünsche
des preußischen höheren Lehrerstandes übermittelt werden sollen." Aus dieser
Darstellung läßt sich auch ohne Aufwendung besondern Scharfsinns entnehmen,
daß die Thesen, so wie sie vorliegen, als Ergebnis einer Filtrirung zu be¬
trachten sind, bei der schließlich nur das stehen geblieben ist, was einer sehr
gemäßigten Durchschuittsmeinung der Gymnasiallehrerkreise entsprach oder nicht
widersprach. Die Vorschläge der Prvvinzialvereine haben offenbar zum Teil
entschiedner gelautet, vor allem wohl manche Punkte mit hereingezogen (auf
weitere Erörterungen darüber müssen wir für jetzt verzichten), deren Berührung
schließlich doch nicht allgemein für passend gehalten worden ist.

Die übrig gebliebenen Thesen beziehen sich nun auf drei Punkte: 1. die
Dauer des Studiums und die Art der Prüfungen (These 1 bis 9); 2. Rang,
Titel, Art des Aufrückens und Gehalt der Lehrer (und Direktoren) (These 10
bis 26); Uuterrichtsgesetz, Zusammensetzung der höhern Unterrichtsbc-
hörden (These 27 bis 29). Im allgemeinen wird man den darin ausgesprochenen
Wünschen das Zeugnis nicht versagen können, daß sie gerechtfertigt sind. Die
Stimmen, die sich bisher in der Presse darüber haben vernehmen lassen, äußern
sich auch vorwiegend in diesen: Sinne, soweit sie nicht in der schon berührten
Weise von falschen Voraussetzungen über den überhaupt möglichen Inhalt der
Thesen ausgehen.

Gehen wir etwas ins einzelne, so wird der Inhalt des ersten Abschnitts
den Nichtfachmäuueru verhültuismäßig wenig Interesse einflößen; sie werden
im allgemeinen gern glauben, daß die hier gemachten Vorschläge das Richtige
treffen. Wir verzeichnen nur den Hauptinhalt. Das vierjährige Studium
(These 1) ist schon jetzt thatsächlich fast allgemein. Die Trennung der wissen-


Die wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen

sprachlichen Unterrichts genannt werden), wobei höchstens die Frage offen
bleibt, ob Jäger wirklich den äußersten rechten Flügel in dieser Frage bildet.
Wie soll da eine Einigung über den neuen Lehrplan, auch nur des Gymna¬
siums, möglich sein? Oder hätte man etwa Vorschläge über die Unterrichts¬
methode versuchen sollen? Auch hier stößt man auf die gleiche Unmöglichkeit.
Der Stand der Gymnasiallehrer zählt Mitglieder, die auf die Herbart-Zillerschen
Grundsätze schwören, neben solchen, die davon so gut wie nichts wissen wollen,
vielleicht auch so gut wie nichts wissen; in beiden Lagern sind hochangesehene
Namen. Wir haben zwei beliebige Punkte herausgegriffen; fast in allen andern
würde sich, wenn wir darauf eingehen wollten, dasselbe ergeben.

Die zweite Vorfrage lautete: Wie sind die Thesen entstanden? Hierüber heißt
es in der offenbar von berufener Seite ausgehenden Kundgebung, die die Zeitungen
in den letzten Tagen veröffentlichten: „Nachdem zunächst innerhalb der einzelnen
Lehrerkollegien, sodann innerhalb der Prvvinzialvereine Veratungen statt¬
gefunden hatten, traten am 17. August d. I. die Delegieren ^warum nicht Ab¬
geordneten?^ sämtlicher Prvvinzialvereine in Berlin zusammen. Nach eingehender
Beratung wurden 29 Thesen aufgestellt, welche der Kommission als Wünsche
des preußischen höheren Lehrerstandes übermittelt werden sollen." Aus dieser
Darstellung läßt sich auch ohne Aufwendung besondern Scharfsinns entnehmen,
daß die Thesen, so wie sie vorliegen, als Ergebnis einer Filtrirung zu be¬
trachten sind, bei der schließlich nur das stehen geblieben ist, was einer sehr
gemäßigten Durchschuittsmeinung der Gymnasiallehrerkreise entsprach oder nicht
widersprach. Die Vorschläge der Prvvinzialvereine haben offenbar zum Teil
entschiedner gelautet, vor allem wohl manche Punkte mit hereingezogen (auf
weitere Erörterungen darüber müssen wir für jetzt verzichten), deren Berührung
schließlich doch nicht allgemein für passend gehalten worden ist.

Die übrig gebliebenen Thesen beziehen sich nun auf drei Punkte: 1. die
Dauer des Studiums und die Art der Prüfungen (These 1 bis 9); 2. Rang,
Titel, Art des Aufrückens und Gehalt der Lehrer (und Direktoren) (These 10
bis 26); Uuterrichtsgesetz, Zusammensetzung der höhern Unterrichtsbc-
hörden (These 27 bis 29). Im allgemeinen wird man den darin ausgesprochenen
Wünschen das Zeugnis nicht versagen können, daß sie gerechtfertigt sind. Die
Stimmen, die sich bisher in der Presse darüber haben vernehmen lassen, äußern
sich auch vorwiegend in diesen: Sinne, soweit sie nicht in der schon berührten
Weise von falschen Voraussetzungen über den überhaupt möglichen Inhalt der
Thesen ausgehen.

Gehen wir etwas ins einzelne, so wird der Inhalt des ersten Abschnitts
den Nichtfachmäuueru verhültuismäßig wenig Interesse einflößen; sie werden
im allgemeinen gern glauben, daß die hier gemachten Vorschläge das Richtige
treffen. Wir verzeichnen nur den Hauptinhalt. Das vierjährige Studium
(These 1) ist schon jetzt thatsächlich fast allgemein. Die Trennung der wissen-


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[0166] Die wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen sprachlichen Unterrichts genannt werden), wobei höchstens die Frage offen bleibt, ob Jäger wirklich den äußersten rechten Flügel in dieser Frage bildet. Wie soll da eine Einigung über den neuen Lehrplan, auch nur des Gymna¬ siums, möglich sein? Oder hätte man etwa Vorschläge über die Unterrichts¬ methode versuchen sollen? Auch hier stößt man auf die gleiche Unmöglichkeit. Der Stand der Gymnasiallehrer zählt Mitglieder, die auf die Herbart-Zillerschen Grundsätze schwören, neben solchen, die davon so gut wie nichts wissen wollen, vielleicht auch so gut wie nichts wissen; in beiden Lagern sind hochangesehene Namen. Wir haben zwei beliebige Punkte herausgegriffen; fast in allen andern würde sich, wenn wir darauf eingehen wollten, dasselbe ergeben. Die zweite Vorfrage lautete: Wie sind die Thesen entstanden? Hierüber heißt es in der offenbar von berufener Seite ausgehenden Kundgebung, die die Zeitungen in den letzten Tagen veröffentlichten: „Nachdem zunächst innerhalb der einzelnen Lehrerkollegien, sodann innerhalb der Prvvinzialvereine Veratungen statt¬ gefunden hatten, traten am 17. August d. I. die Delegieren ^warum nicht Ab¬ geordneten?^ sämtlicher Prvvinzialvereine in Berlin zusammen. Nach eingehender Beratung wurden 29 Thesen aufgestellt, welche der Kommission als Wünsche des preußischen höheren Lehrerstandes übermittelt werden sollen." Aus dieser Darstellung läßt sich auch ohne Aufwendung besondern Scharfsinns entnehmen, daß die Thesen, so wie sie vorliegen, als Ergebnis einer Filtrirung zu be¬ trachten sind, bei der schließlich nur das stehen geblieben ist, was einer sehr gemäßigten Durchschuittsmeinung der Gymnasiallehrerkreise entsprach oder nicht widersprach. Die Vorschläge der Prvvinzialvereine haben offenbar zum Teil entschiedner gelautet, vor allem wohl manche Punkte mit hereingezogen (auf weitere Erörterungen darüber müssen wir für jetzt verzichten), deren Berührung schließlich doch nicht allgemein für passend gehalten worden ist. Die übrig gebliebenen Thesen beziehen sich nun auf drei Punkte: 1. die Dauer des Studiums und die Art der Prüfungen (These 1 bis 9); 2. Rang, Titel, Art des Aufrückens und Gehalt der Lehrer (und Direktoren) (These 10 bis 26); Uuterrichtsgesetz, Zusammensetzung der höhern Unterrichtsbc- hörden (These 27 bis 29). Im allgemeinen wird man den darin ausgesprochenen Wünschen das Zeugnis nicht versagen können, daß sie gerechtfertigt sind. Die Stimmen, die sich bisher in der Presse darüber haben vernehmen lassen, äußern sich auch vorwiegend in diesen: Sinne, soweit sie nicht in der schon berührten Weise von falschen Voraussetzungen über den überhaupt möglichen Inhalt der Thesen ausgehen. Gehen wir etwas ins einzelne, so wird der Inhalt des ersten Abschnitts den Nichtfachmäuueru verhültuismäßig wenig Interesse einflößen; sie werden im allgemeinen gern glauben, daß die hier gemachten Vorschläge das Richtige treffen. Wir verzeichnen nur den Hauptinhalt. Das vierjährige Studium (These 1) ist schon jetzt thatsächlich fast allgemein. Die Trennung der wissen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/166>, abgerufen am 13.05.2024.