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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Backofen gebant zu werden brauchte, und der Herr Kruor über seine vierzig Mark
Pachtgelds und die Frau Kantor über einen ausgezeichneten Topfkuchen, Und der
Gemeindebäcker war sehr zufrieden und betrachtete von da an den bewußten
Schweineeimer, der noch immer hinterm Thore lag, mit einer gewissen Rührung.


lui naturam (lelinsttvit,


Maßgebliches und Unmaßgebliches
Von der Moltkefeier.

An Jnbiläen Pflegen sich die Grenzboten aus Ge¬
schmacksrücksichten nicht zu beteiligen. Mit patriotischen Gedenktagen eine Ausnahme
zu machen, liegt für sie kein Grund vor, da sie ja uicht nötig haben, gleich manchen
andern Organen durch billige Festjubelphrasen unpatriotische Bestrebungen vergessen
zu machen. So haben wir es denn auch um neunzigsten Geburtstage Moltkes
unterlassen, Empfindungen auszusprechen, an denen niemand zweifelt, und aus dem
Leben und Wirken des großen Strategen Dinge zu erzählen, die keinem unsrer
Leser unbekannt sind. Nachdem jedoch das Fest vorüber ist, können wir es nicht
unterlassen, unsre herzliche Frende darüber auszusprechen, daß dem deutschen Volke
einmal Gelegenheit gegeben worden ist, sich in der Dankbarkeit gegen einen der
Begründer seiner politischen Einheit wirklich eins zu fühlen und seine Einmütigkeit
vor aller Welt zu zeigen. Unter den Festartikeln erschien uns der eines "frei¬
sinnigen" Blattes beachtungswert, das sich militärischer Mitarbeiter rühmt. Der
Verfasser suchte nachzuweisen, daß für die Entwicklung der modernen Strntegik, die
in Moltke ihren Vollender feiert, nur Napoleon I. und die Preußischen Generale
aus der Zeit der Befreiungskriege in Betracht kämen, während Friedrich der Große
noch nicht zu rechnen sei. Einige Wochenblätter und Zeitungen griffen auf die
historische" Arbeiten Moltkes zurück und hoben mit Befriedigung hervor, daß er
darin liberale Ansichten vertritt, das relative Recht der Revolutionen anerkennt,
für das Volk gegen Pfaffen und Innrer Partei nimmt und den Kaiser Josef II.
preist. Es wäre interessant, zu erfahren, ob und wie weit der greise Denker die
Ansichten seiner jüngern Jahre durch die Erfahrungen und Forschungen seines
spätern langen Lebens bestätigt gefunden hat. Fast alle Festartikel erwähnten, daß
Moltke die Größe der Übel eines.Krieges vollauf würdigt und tief empfindet, die
Notwendigkeit, einen so großen Teil des Nationalvermögens und der Volkskraft
auf Vorbereitungen zum Kriege zu verwenden beklagt, nichtsdestoweniger aber den
Krieg fiir ein unentbehrliches Glied der in unserm irdischen Leben geltenden gött¬
lichen Weltordnung hält. Ein sehr liebenswürdiger Aufsatz der Neuen Freien
Presse sammelte Proben gemütvollen Humors aus Moltkes Aufzeichnungen. Ge¬
mütliche Züge in seinem Leben aufzuspüren, bemühten sich außerdem namentlich die
Schlesier, die stolz darauf sind, daß er sich in ihrer Mitte sein Heim gegründet
hat; besonders den Kindern der Gemeinde Creisau erweist er sich als liebreichen
und fürsorglichen Wohlthäter.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Backofen gebant zu werden brauchte, und der Herr Kruor über seine vierzig Mark
Pachtgelds und die Frau Kantor über einen ausgezeichneten Topfkuchen, Und der
Gemeindebäcker war sehr zufrieden und betrachtete von da an den bewußten
Schweineeimer, der noch immer hinterm Thore lag, mit einer gewissen Rührung.


lui naturam (lelinsttvit,


Maßgebliches und Unmaßgebliches
Von der Moltkefeier.

An Jnbiläen Pflegen sich die Grenzboten aus Ge¬
schmacksrücksichten nicht zu beteiligen. Mit patriotischen Gedenktagen eine Ausnahme
zu machen, liegt für sie kein Grund vor, da sie ja uicht nötig haben, gleich manchen
andern Organen durch billige Festjubelphrasen unpatriotische Bestrebungen vergessen
zu machen. So haben wir es denn auch um neunzigsten Geburtstage Moltkes
unterlassen, Empfindungen auszusprechen, an denen niemand zweifelt, und aus dem
Leben und Wirken des großen Strategen Dinge zu erzählen, die keinem unsrer
Leser unbekannt sind. Nachdem jedoch das Fest vorüber ist, können wir es nicht
unterlassen, unsre herzliche Frende darüber auszusprechen, daß dem deutschen Volke
einmal Gelegenheit gegeben worden ist, sich in der Dankbarkeit gegen einen der
Begründer seiner politischen Einheit wirklich eins zu fühlen und seine Einmütigkeit
vor aller Welt zu zeigen. Unter den Festartikeln erschien uns der eines „frei¬
sinnigen" Blattes beachtungswert, das sich militärischer Mitarbeiter rühmt. Der
Verfasser suchte nachzuweisen, daß für die Entwicklung der modernen Strntegik, die
in Moltke ihren Vollender feiert, nur Napoleon I. und die Preußischen Generale
aus der Zeit der Befreiungskriege in Betracht kämen, während Friedrich der Große
noch nicht zu rechnen sei. Einige Wochenblätter und Zeitungen griffen auf die
historische» Arbeiten Moltkes zurück und hoben mit Befriedigung hervor, daß er
darin liberale Ansichten vertritt, das relative Recht der Revolutionen anerkennt,
für das Volk gegen Pfaffen und Innrer Partei nimmt und den Kaiser Josef II.
preist. Es wäre interessant, zu erfahren, ob und wie weit der greise Denker die
Ansichten seiner jüngern Jahre durch die Erfahrungen und Forschungen seines
spätern langen Lebens bestätigt gefunden hat. Fast alle Festartikel erwähnten, daß
Moltke die Größe der Übel eines.Krieges vollauf würdigt und tief empfindet, die
Notwendigkeit, einen so großen Teil des Nationalvermögens und der Volkskraft
auf Vorbereitungen zum Kriege zu verwenden beklagt, nichtsdestoweniger aber den
Krieg fiir ein unentbehrliches Glied der in unserm irdischen Leben geltenden gött¬
lichen Weltordnung hält. Ein sehr liebenswürdiger Aufsatz der Neuen Freien
Presse sammelte Proben gemütvollen Humors aus Moltkes Aufzeichnungen. Ge¬
mütliche Züge in seinem Leben aufzuspüren, bemühten sich außerdem namentlich die
Schlesier, die stolz darauf sind, daß er sich in ihrer Mitte sein Heim gegründet
hat; besonders den Kindern der Gemeinde Creisau erweist er sich als liebreichen
und fürsorglichen Wohlthäter.


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[0294] Maßgebliches und Unmaßgebliches Backofen gebant zu werden brauchte, und der Herr Kruor über seine vierzig Mark Pachtgelds und die Frau Kantor über einen ausgezeichneten Topfkuchen, Und der Gemeindebäcker war sehr zufrieden und betrachtete von da an den bewußten Schweineeimer, der noch immer hinterm Thore lag, mit einer gewissen Rührung. lui naturam (lelinsttvit, Maßgebliches und Unmaßgebliches Von der Moltkefeier. An Jnbiläen Pflegen sich die Grenzboten aus Ge¬ schmacksrücksichten nicht zu beteiligen. Mit patriotischen Gedenktagen eine Ausnahme zu machen, liegt für sie kein Grund vor, da sie ja uicht nötig haben, gleich manchen andern Organen durch billige Festjubelphrasen unpatriotische Bestrebungen vergessen zu machen. So haben wir es denn auch um neunzigsten Geburtstage Moltkes unterlassen, Empfindungen auszusprechen, an denen niemand zweifelt, und aus dem Leben und Wirken des großen Strategen Dinge zu erzählen, die keinem unsrer Leser unbekannt sind. Nachdem jedoch das Fest vorüber ist, können wir es nicht unterlassen, unsre herzliche Frende darüber auszusprechen, daß dem deutschen Volke einmal Gelegenheit gegeben worden ist, sich in der Dankbarkeit gegen einen der Begründer seiner politischen Einheit wirklich eins zu fühlen und seine Einmütigkeit vor aller Welt zu zeigen. Unter den Festartikeln erschien uns der eines „frei¬ sinnigen" Blattes beachtungswert, das sich militärischer Mitarbeiter rühmt. Der Verfasser suchte nachzuweisen, daß für die Entwicklung der modernen Strntegik, die in Moltke ihren Vollender feiert, nur Napoleon I. und die Preußischen Generale aus der Zeit der Befreiungskriege in Betracht kämen, während Friedrich der Große noch nicht zu rechnen sei. Einige Wochenblätter und Zeitungen griffen auf die historische» Arbeiten Moltkes zurück und hoben mit Befriedigung hervor, daß er darin liberale Ansichten vertritt, das relative Recht der Revolutionen anerkennt, für das Volk gegen Pfaffen und Innrer Partei nimmt und den Kaiser Josef II. preist. Es wäre interessant, zu erfahren, ob und wie weit der greise Denker die Ansichten seiner jüngern Jahre durch die Erfahrungen und Forschungen seines spätern langen Lebens bestätigt gefunden hat. Fast alle Festartikel erwähnten, daß Moltke die Größe der Übel eines.Krieges vollauf würdigt und tief empfindet, die Notwendigkeit, einen so großen Teil des Nationalvermögens und der Volkskraft auf Vorbereitungen zum Kriege zu verwenden beklagt, nichtsdestoweniger aber den Krieg fiir ein unentbehrliches Glied der in unserm irdischen Leben geltenden gött¬ lichen Weltordnung hält. Ein sehr liebenswürdiger Aufsatz der Neuen Freien Presse sammelte Proben gemütvollen Humors aus Moltkes Aufzeichnungen. Ge¬ mütliche Züge in seinem Leben aufzuspüren, bemühten sich außerdem namentlich die Schlesier, die stolz darauf sind, daß er sich in ihrer Mitte sein Heim gegründet hat; besonders den Kindern der Gemeinde Creisau erweist er sich als liebreichen und fürsorglichen Wohlthäter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/294>, abgerufen am 28.04.2024.