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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Inbegriffes meiner Wünsche, Allah sei gepriesen, der mich in euern Zügen
lesen läßt, daß die Befürchtungen meiner Gebieterin vergebens gewesen sind!

Mein Entzücken ließ sie nicht ausreden. O daß ich alle Befürchtungen
Ihrer und meiner Gebieterin zu tilgen vermöchte, wenn es anders möglich ist,
daß Befürchtungen einem so vollkommenen Wesen haben nahen können, als
Ihre und meine Gebieterin ist.

Die Sklavin in ihren Mienen zeigte ebenso viel Freude, als sie in den
meinen bei Erwähnung ihrer Herrin gelesen haben mochte.

Reden Sie, fuhr ich fort, sprechen, befehlen Sie. Was kann ich thun,
ihres Anblickes würdig zu werden, ohne den ich, ich fühle es zu gewiß, nicht
mehr leben kann.

Allah ist groß! rief sie aus. Wisset, daß die liebenswürdigste Prinzessin
der Welt, Sonne des Gebens genannt, so sehr nach euerm Anblick schmachtet,
daß die Perlen ihrer Gazellenaugen uicht mehr über Rosen rollen, sondern
über Lilien. schlaflose Nächte haben die Sonne in einen Mond verwandelt,
der in Thränenwolken badet.

Während die gute Sklavin so sprach, lenkte sie ihre Schritte nach dem
Königsplatze zu, über den Königsplatz dahin, die Zeitzer Straße entlang; wir
waren am Hürtelschen Palais angekommen, als sie stehen blieb und in die
Hände schlug. Da öffnete sich die Thüre, der Schwarze, den ich schon zwei¬
mal in der Begleitung der schönen Perserin gesehen hatte, ließ uns eintreten
und verschloß hinter uns wieder die Thüre.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Helgoländer

gehören jetzt zu Deutschland, das werde" ihnen die
Verhandlungen in der Reichstagssitznng vom 2. Dezember zu vollem Bewußtsein
gebracht haben. Fast alle Parteien bemühten sich, die Frage unter die höchsten
Gesichtspunkte zu bringen. Zuerst Herr Windthorst. Da es Katholiken, über deren
Unterdrückung er hätte klagen können, auf der Insel nicht giebt, und die Einrichtung
eines Jesuitenscminars dort der Zukunft vorbehalten bleiben muß, nahm er wenigstens
mit bekannter Gewandtheit einen schicklichen Anlaß (nach dem Muster: "Fiel da
nicht ein Schuß? Apropos Schuß u. s. w."), um der berechtigten Eigentümlichkeit
der hannoverschen Volksschule eine Thräne nicht uach-, sondern vorznweinen, und
so wenigstens zu versuchen, ob sich nicht den Helgoländern ein wenig Mißtrauen
gegen Preußen einimpfen ließe. Der Sozialdemokrat Herr Stadthagen überraschte
durch die Entschlossenheit, mit der er das ihm natürlich widerwärtige Wort
"patriotisch" in den Mund nahm, und es hätte der Versicherung nicht bedurft, daß


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Inbegriffes meiner Wünsche, Allah sei gepriesen, der mich in euern Zügen
lesen läßt, daß die Befürchtungen meiner Gebieterin vergebens gewesen sind!

Mein Entzücken ließ sie nicht ausreden. O daß ich alle Befürchtungen
Ihrer und meiner Gebieterin zu tilgen vermöchte, wenn es anders möglich ist,
daß Befürchtungen einem so vollkommenen Wesen haben nahen können, als
Ihre und meine Gebieterin ist.

Die Sklavin in ihren Mienen zeigte ebenso viel Freude, als sie in den
meinen bei Erwähnung ihrer Herrin gelesen haben mochte.

Reden Sie, fuhr ich fort, sprechen, befehlen Sie. Was kann ich thun,
ihres Anblickes würdig zu werden, ohne den ich, ich fühle es zu gewiß, nicht
mehr leben kann.

Allah ist groß! rief sie aus. Wisset, daß die liebenswürdigste Prinzessin
der Welt, Sonne des Gebens genannt, so sehr nach euerm Anblick schmachtet,
daß die Perlen ihrer Gazellenaugen uicht mehr über Rosen rollen, sondern
über Lilien. schlaflose Nächte haben die Sonne in einen Mond verwandelt,
der in Thränenwolken badet.

Während die gute Sklavin so sprach, lenkte sie ihre Schritte nach dem
Königsplatze zu, über den Königsplatz dahin, die Zeitzer Straße entlang; wir
waren am Hürtelschen Palais angekommen, als sie stehen blieb und in die
Hände schlug. Da öffnete sich die Thüre, der Schwarze, den ich schon zwei¬
mal in der Begleitung der schönen Perserin gesehen hatte, ließ uns eintreten
und verschloß hinter uns wieder die Thüre.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Helgoländer

gehören jetzt zu Deutschland, das werde» ihnen die
Verhandlungen in der Reichstagssitznng vom 2. Dezember zu vollem Bewußtsein
gebracht haben. Fast alle Parteien bemühten sich, die Frage unter die höchsten
Gesichtspunkte zu bringen. Zuerst Herr Windthorst. Da es Katholiken, über deren
Unterdrückung er hätte klagen können, auf der Insel nicht giebt, und die Einrichtung
eines Jesuitenscminars dort der Zukunft vorbehalten bleiben muß, nahm er wenigstens
mit bekannter Gewandtheit einen schicklichen Anlaß (nach dem Muster: „Fiel da
nicht ein Schuß? Apropos Schuß u. s. w."), um der berechtigten Eigentümlichkeit
der hannoverschen Volksschule eine Thräne nicht uach-, sondern vorznweinen, und
so wenigstens zu versuchen, ob sich nicht den Helgoländern ein wenig Mißtrauen
gegen Preußen einimpfen ließe. Der Sozialdemokrat Herr Stadthagen überraschte
durch die Entschlossenheit, mit der er das ihm natürlich widerwärtige Wort
„patriotisch" in den Mund nahm, und es hätte der Versicherung nicht bedurft, daß


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[0538] Maßgebliches und Unmaßgebliches Inbegriffes meiner Wünsche, Allah sei gepriesen, der mich in euern Zügen lesen läßt, daß die Befürchtungen meiner Gebieterin vergebens gewesen sind! Mein Entzücken ließ sie nicht ausreden. O daß ich alle Befürchtungen Ihrer und meiner Gebieterin zu tilgen vermöchte, wenn es anders möglich ist, daß Befürchtungen einem so vollkommenen Wesen haben nahen können, als Ihre und meine Gebieterin ist. Die Sklavin in ihren Mienen zeigte ebenso viel Freude, als sie in den meinen bei Erwähnung ihrer Herrin gelesen haben mochte. Reden Sie, fuhr ich fort, sprechen, befehlen Sie. Was kann ich thun, ihres Anblickes würdig zu werden, ohne den ich, ich fühle es zu gewiß, nicht mehr leben kann. Allah ist groß! rief sie aus. Wisset, daß die liebenswürdigste Prinzessin der Welt, Sonne des Gebens genannt, so sehr nach euerm Anblick schmachtet, daß die Perlen ihrer Gazellenaugen uicht mehr über Rosen rollen, sondern über Lilien. schlaflose Nächte haben die Sonne in einen Mond verwandelt, der in Thränenwolken badet. Während die gute Sklavin so sprach, lenkte sie ihre Schritte nach dem Königsplatze zu, über den Königsplatz dahin, die Zeitzer Straße entlang; wir waren am Hürtelschen Palais angekommen, als sie stehen blieb und in die Hände schlug. Da öffnete sich die Thüre, der Schwarze, den ich schon zwei¬ mal in der Begleitung der schönen Perserin gesehen hatte, ließ uns eintreten und verschloß hinter uns wieder die Thüre. (Schluß folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Helgoländer gehören jetzt zu Deutschland, das werde» ihnen die Verhandlungen in der Reichstagssitznng vom 2. Dezember zu vollem Bewußtsein gebracht haben. Fast alle Parteien bemühten sich, die Frage unter die höchsten Gesichtspunkte zu bringen. Zuerst Herr Windthorst. Da es Katholiken, über deren Unterdrückung er hätte klagen können, auf der Insel nicht giebt, und die Einrichtung eines Jesuitenscminars dort der Zukunft vorbehalten bleiben muß, nahm er wenigstens mit bekannter Gewandtheit einen schicklichen Anlaß (nach dem Muster: „Fiel da nicht ein Schuß? Apropos Schuß u. s. w."), um der berechtigten Eigentümlichkeit der hannoverschen Volksschule eine Thräne nicht uach-, sondern vorznweinen, und so wenigstens zu versuchen, ob sich nicht den Helgoländern ein wenig Mißtrauen gegen Preußen einimpfen ließe. Der Sozialdemokrat Herr Stadthagen überraschte durch die Entschlossenheit, mit der er das ihm natürlich widerwärtige Wort „patriotisch" in den Mund nahm, und es hätte der Versicherung nicht bedurft, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/538>, abgerufen am 27.04.2024.