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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Herrn Tobiassens Weihnachtsabend
v Lrnst Ahlgren on Therese Lvrck Übersetzt von

u bist von je ein Dummkopf gewesen, sagte Herr Tobiassen am
Morgen des heiligen Christtagcs zu sich selbst, als er fertig war
mit Rasiren und nun das Licht gegen den Spiegel hielt, um zu
sehen, ob die Arbeit gelungen sei. Er blickte lauge auf das alte
^Gesicht, das thu aus dem Spiegel mit nicht weniger Aufmerk¬
samkeit betrachtete.

Ja, Herr Tvbiassen war ein ungewöhnlicher alter Dummkopf, das wußte
er. Aber er konnte nicht recht begreifen, warum ers war. Von Kindesbeinen
an hatte er sich Mulle gegeben, so klug und verständig zu sein wie alle andern,
aber es war ihm nicht geglückt. Und deshalb betrachtete er nnn so genan
sein Gesicht, als ob er dort eine Antwort auf die Fragen finden könnte, die
er sich selbst stellte. Das Gesicht sah aber aus, als könnte es einem ganz
gescheiten alten Herrn angehören. Daher glaubte auch jedermann, daß er
anders sei, als er in Wirklichkeit war. lind das war gut.

Ein lustiges Gesicht war es. Es konnte laug und es konnte kurz werden.
Es hatte weiche, bewegliche Züge, ganz wie aus Kautschuk. Der Mund war
zusammengedrückt, als ob mau ihn durchnäht hätte, um dem Kinn einen Halt
zu geben. Die Nase war klumpig und groß, sie beherrschte das Ganze mit
komischer Majestät. Über dem bloßen Scheitel lag das Haar sorgfältig in
dünnen Streifen, um die Kahlheit zu verbergen, aber von Ohr zu Ohr wuchs
es in knrzgeschnittener stahlgrauer Fülle ringsum im Nacken.

Aus diesem Gummigesicht lugten ein paar helle Angen, beschattet von
gardiuenähnlichen Augenlidern mit vielen Falten. Durch einen boshaften
kleinen Zug um den Mundwinkel, im Perein mit einem Znsammenkneipen der
Augenlider konnte sich das Antlitz in eine Inkarnation altersschlaner Ver¬
schmitztheit verwandeln. Das wußte Herr Tvbiasse", und er wußte, daß dies




Herrn Tobiassens Weihnachtsabend
v Lrnst Ahlgren on Therese Lvrck Übersetzt von

u bist von je ein Dummkopf gewesen, sagte Herr Tobiassen am
Morgen des heiligen Christtagcs zu sich selbst, als er fertig war
mit Rasiren und nun das Licht gegen den Spiegel hielt, um zu
sehen, ob die Arbeit gelungen sei. Er blickte lauge auf das alte
^Gesicht, das thu aus dem Spiegel mit nicht weniger Aufmerk¬
samkeit betrachtete.

Ja, Herr Tvbiassen war ein ungewöhnlicher alter Dummkopf, das wußte
er. Aber er konnte nicht recht begreifen, warum ers war. Von Kindesbeinen
an hatte er sich Mulle gegeben, so klug und verständig zu sein wie alle andern,
aber es war ihm nicht geglückt. Und deshalb betrachtete er nnn so genan
sein Gesicht, als ob er dort eine Antwort auf die Fragen finden könnte, die
er sich selbst stellte. Das Gesicht sah aber aus, als könnte es einem ganz
gescheiten alten Herrn angehören. Daher glaubte auch jedermann, daß er
anders sei, als er in Wirklichkeit war. lind das war gut.

Ein lustiges Gesicht war es. Es konnte laug und es konnte kurz werden.
Es hatte weiche, bewegliche Züge, ganz wie aus Kautschuk. Der Mund war
zusammengedrückt, als ob mau ihn durchnäht hätte, um dem Kinn einen Halt
zu geben. Die Nase war klumpig und groß, sie beherrschte das Ganze mit
komischer Majestät. Über dem bloßen Scheitel lag das Haar sorgfältig in
dünnen Streifen, um die Kahlheit zu verbergen, aber von Ohr zu Ohr wuchs
es in knrzgeschnittener stahlgrauer Fülle ringsum im Nacken.

Aus diesem Gummigesicht lugten ein paar helle Angen, beschattet von
gardiuenähnlichen Augenlidern mit vielen Falten. Durch einen boshaften
kleinen Zug um den Mundwinkel, im Perein mit einem Znsammenkneipen der
Augenlider konnte sich das Antlitz in eine Inkarnation altersschlaner Ver¬
schmitztheit verwandeln. Das wußte Herr Tvbiasse», und er wußte, daß dies


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[0618] [Abbildung] Herrn Tobiassens Weihnachtsabend v Lrnst Ahlgren on Therese Lvrck Übersetzt von u bist von je ein Dummkopf gewesen, sagte Herr Tobiassen am Morgen des heiligen Christtagcs zu sich selbst, als er fertig war mit Rasiren und nun das Licht gegen den Spiegel hielt, um zu sehen, ob die Arbeit gelungen sei. Er blickte lauge auf das alte ^Gesicht, das thu aus dem Spiegel mit nicht weniger Aufmerk¬ samkeit betrachtete. Ja, Herr Tvbiassen war ein ungewöhnlicher alter Dummkopf, das wußte er. Aber er konnte nicht recht begreifen, warum ers war. Von Kindesbeinen an hatte er sich Mulle gegeben, so klug und verständig zu sein wie alle andern, aber es war ihm nicht geglückt. Und deshalb betrachtete er nnn so genan sein Gesicht, als ob er dort eine Antwort auf die Fragen finden könnte, die er sich selbst stellte. Das Gesicht sah aber aus, als könnte es einem ganz gescheiten alten Herrn angehören. Daher glaubte auch jedermann, daß er anders sei, als er in Wirklichkeit war. lind das war gut. Ein lustiges Gesicht war es. Es konnte laug und es konnte kurz werden. Es hatte weiche, bewegliche Züge, ganz wie aus Kautschuk. Der Mund war zusammengedrückt, als ob mau ihn durchnäht hätte, um dem Kinn einen Halt zu geben. Die Nase war klumpig und groß, sie beherrschte das Ganze mit komischer Majestät. Über dem bloßen Scheitel lag das Haar sorgfältig in dünnen Streifen, um die Kahlheit zu verbergen, aber von Ohr zu Ohr wuchs es in knrzgeschnittener stahlgrauer Fülle ringsum im Nacken. Aus diesem Gummigesicht lugten ein paar helle Angen, beschattet von gardiuenähnlichen Augenlidern mit vielen Falten. Durch einen boshaften kleinen Zug um den Mundwinkel, im Perein mit einem Znsammenkneipen der Augenlider konnte sich das Antlitz in eine Inkarnation altersschlaner Ver¬ schmitztheit verwandeln. Das wußte Herr Tvbiasse», und er wußte, daß dies

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/618>, abgerufen am 28.04.2024.