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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

falsche Ausdrucksweise. Läßt man da die bildliche Redeweise nicht besser weg/
oder entnimmt den Vergleich einer dem Verständnisse der Leser geläufigem
Situation?

Wir haben diese Zuschrift gern veröffentlicht. Bei der Häufigkeit, und"deo
gerade dieses Bild in letzterer Zeit in der Zeitungssprache verwertet wird, erweckt
das Gesagte vielleicht allgemeineres Interesse und trägt mit dazu bei, den nnglün
lichen Ausdruck, wie er gekommen ist, wieder verschwinden zu lassen. i




Litteratur
Der Papstesel. Ein Beitrag zur Kultur- und Kunstgeschichte des Refvrmationszeiralters'
von Konrad Lange. Göttinnen, Bandenhveck und Ruprecht

Der seltene Kupferstich, der in der Wittenberger Holzschnittkopie von 1523
durch Melanchthon und Luther die Bezeichnung "Papstesel" erhalten hat, ist in
neuerer Zeit namentlich wegen seiner Bedeutung für die Geschichte der graphischen
Künste Gegenstand der Untersuchung gewesen. Das Monogramm V wurde zunächst
auf den Goldschmied und Stecher Wenzel von Olmütz gedeutet, daun nahm Thausing,
stets kühn in seinen Hypothesen und hartnäckig an ihnen festhaltend, es für Wol-
gemut in Anspruch, den er demzufolge zu einem Vorläufer der Reformation machte,
W. Schmidt endlich hat dem mährischen Meister sein Eigentum zurückerstattet.
Dafür wird letzterem der Ruhm, vor Dürer geätzt zu haben, abgesprochen, da die
meisten Sachverständigen, die in der Lage gewesen sind, das Blatt zu prüfen, es
als Stich erkannt haben. Diese Fragen behandelt Konrad Lauge in den ersten
Abschnitten seiner Schrift nur kurz, sehr eingehend und stellenweise weit ausholend
erörtert er die Entstehung und Bedeutung der Darstellung. Bekanntlich zeigt diese
ein Fabeltier mit Eselskopf, Rumpf einer Frau, schuppigen Armen und Beinen,,'
Ochsenhuf und Adlerklaue als Füßen, einer bärtigen Maske über dem Hinterteil
und in einen Drachenkopf ausgehendem Schweife; im Hintergründe die Engelsburg,
die Beste des Papstes, und die Torre ti Roral, das damalige Staatsgefängnis,
zwischen beiden den Tiberfluß, der das Ufer überspült, sodaß das Ungeheuer ans
dem nassen Boden steht (dies scheint uus aus der Abbildung ganz deutlich hervor¬
zugehen, während Lange meint, es stehe "auf einer Wasserfläche," was gerade zu
seiner Deutung weniger stimmen würde); der Fluß trägt außer der Bezeichnung
Vsvsi'S noch das Datum IkmvsiÄ 1496. Dies bedeutet nicht die Zeit der Ent¬
stehung des Bildes, sondern die Überschwemmung in Rom, nach deren Verlaufen
angeblich die abgebildete Mißgeburt gefunden wurde. ' !

Lange schließt sich nun der Ansicht an, die auf Grund der fehlerhaften
italienischen Aufschriften und des Umstandes, daß gegenüber den schriftlichen Nach-,
richten über das Fabelgeschöpf Rechts und Links vertauscht erscheinen, Wenzels Stich-
für die Kopie eines italienischen Blattes halt. Nach seiner sehr einleuchtende".
Darstellung wäre zu vermuten, daß zuerst einfach nach der in Rom umlanfenden-
Beschreibung des merkwürdigen Fundes ein Bild komponirt und dies dann sür
ein Spottbild ans die unier der Herrschaft Alexanders VI. entwürdigte und durch


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falsche Ausdrucksweise. Läßt man da die bildliche Redeweise nicht besser weg/
oder entnimmt den Vergleich einer dem Verständnisse der Leser geläufigem
Situation?

Wir haben diese Zuschrift gern veröffentlicht. Bei der Häufigkeit, und"deo
gerade dieses Bild in letzterer Zeit in der Zeitungssprache verwertet wird, erweckt
das Gesagte vielleicht allgemeineres Interesse und trägt mit dazu bei, den nnglün
lichen Ausdruck, wie er gekommen ist, wieder verschwinden zu lassen. i




Litteratur
Der Papstesel. Ein Beitrag zur Kultur- und Kunstgeschichte des Refvrmationszeiralters'
von Konrad Lange. Göttinnen, Bandenhveck und Ruprecht

Der seltene Kupferstich, der in der Wittenberger Holzschnittkopie von 1523
durch Melanchthon und Luther die Bezeichnung „Papstesel" erhalten hat, ist in
neuerer Zeit namentlich wegen seiner Bedeutung für die Geschichte der graphischen
Künste Gegenstand der Untersuchung gewesen. Das Monogramm V wurde zunächst
auf den Goldschmied und Stecher Wenzel von Olmütz gedeutet, daun nahm Thausing,
stets kühn in seinen Hypothesen und hartnäckig an ihnen festhaltend, es für Wol-
gemut in Anspruch, den er demzufolge zu einem Vorläufer der Reformation machte,
W. Schmidt endlich hat dem mährischen Meister sein Eigentum zurückerstattet.
Dafür wird letzterem der Ruhm, vor Dürer geätzt zu haben, abgesprochen, da die
meisten Sachverständigen, die in der Lage gewesen sind, das Blatt zu prüfen, es
als Stich erkannt haben. Diese Fragen behandelt Konrad Lauge in den ersten
Abschnitten seiner Schrift nur kurz, sehr eingehend und stellenweise weit ausholend
erörtert er die Entstehung und Bedeutung der Darstellung. Bekanntlich zeigt diese
ein Fabeltier mit Eselskopf, Rumpf einer Frau, schuppigen Armen und Beinen,,'
Ochsenhuf und Adlerklaue als Füßen, einer bärtigen Maske über dem Hinterteil
und in einen Drachenkopf ausgehendem Schweife; im Hintergründe die Engelsburg,
die Beste des Papstes, und die Torre ti Roral, das damalige Staatsgefängnis,
zwischen beiden den Tiberfluß, der das Ufer überspült, sodaß das Ungeheuer ans
dem nassen Boden steht (dies scheint uus aus der Abbildung ganz deutlich hervor¬
zugehen, während Lange meint, es stehe „auf einer Wasserfläche," was gerade zu
seiner Deutung weniger stimmen würde); der Fluß trägt außer der Bezeichnung
Vsvsi'S noch das Datum IkmvsiÄ 1496. Dies bedeutet nicht die Zeit der Ent¬
stehung des Bildes, sondern die Überschwemmung in Rom, nach deren Verlaufen
angeblich die abgebildete Mißgeburt gefunden wurde. ' !

Lange schließt sich nun der Ansicht an, die auf Grund der fehlerhaften
italienischen Aufschriften und des Umstandes, daß gegenüber den schriftlichen Nach-,
richten über das Fabelgeschöpf Rechts und Links vertauscht erscheinen, Wenzels Stich-
für die Kopie eines italienischen Blattes halt. Nach seiner sehr einleuchtende».
Darstellung wäre zu vermuten, daß zuerst einfach nach der in Rom umlanfenden-
Beschreibung des merkwürdigen Fundes ein Bild komponirt und dies dann sür
ein Spottbild ans die unier der Herrschaft Alexanders VI. entwürdigte und durch


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[0050] Litteratur falsche Ausdrucksweise. Läßt man da die bildliche Redeweise nicht besser weg/ oder entnimmt den Vergleich einer dem Verständnisse der Leser geläufigem Situation? Wir haben diese Zuschrift gern veröffentlicht. Bei der Häufigkeit, und"deo gerade dieses Bild in letzterer Zeit in der Zeitungssprache verwertet wird, erweckt das Gesagte vielleicht allgemeineres Interesse und trägt mit dazu bei, den nnglün lichen Ausdruck, wie er gekommen ist, wieder verschwinden zu lassen. i Litteratur Der Papstesel. Ein Beitrag zur Kultur- und Kunstgeschichte des Refvrmationszeiralters' von Konrad Lange. Göttinnen, Bandenhveck und Ruprecht Der seltene Kupferstich, der in der Wittenberger Holzschnittkopie von 1523 durch Melanchthon und Luther die Bezeichnung „Papstesel" erhalten hat, ist in neuerer Zeit namentlich wegen seiner Bedeutung für die Geschichte der graphischen Künste Gegenstand der Untersuchung gewesen. Das Monogramm V wurde zunächst auf den Goldschmied und Stecher Wenzel von Olmütz gedeutet, daun nahm Thausing, stets kühn in seinen Hypothesen und hartnäckig an ihnen festhaltend, es für Wol- gemut in Anspruch, den er demzufolge zu einem Vorläufer der Reformation machte, W. Schmidt endlich hat dem mährischen Meister sein Eigentum zurückerstattet. Dafür wird letzterem der Ruhm, vor Dürer geätzt zu haben, abgesprochen, da die meisten Sachverständigen, die in der Lage gewesen sind, das Blatt zu prüfen, es als Stich erkannt haben. Diese Fragen behandelt Konrad Lauge in den ersten Abschnitten seiner Schrift nur kurz, sehr eingehend und stellenweise weit ausholend erörtert er die Entstehung und Bedeutung der Darstellung. Bekanntlich zeigt diese ein Fabeltier mit Eselskopf, Rumpf einer Frau, schuppigen Armen und Beinen,,' Ochsenhuf und Adlerklaue als Füßen, einer bärtigen Maske über dem Hinterteil und in einen Drachenkopf ausgehendem Schweife; im Hintergründe die Engelsburg, die Beste des Papstes, und die Torre ti Roral, das damalige Staatsgefängnis, zwischen beiden den Tiberfluß, der das Ufer überspült, sodaß das Ungeheuer ans dem nassen Boden steht (dies scheint uus aus der Abbildung ganz deutlich hervor¬ zugehen, während Lange meint, es stehe „auf einer Wasserfläche," was gerade zu seiner Deutung weniger stimmen würde); der Fluß trägt außer der Bezeichnung Vsvsi'S noch das Datum IkmvsiÄ 1496. Dies bedeutet nicht die Zeit der Ent¬ stehung des Bildes, sondern die Überschwemmung in Rom, nach deren Verlaufen angeblich die abgebildete Mißgeburt gefunden wurde. ' ! Lange schließt sich nun der Ansicht an, die auf Grund der fehlerhaften italienischen Aufschriften und des Umstandes, daß gegenüber den schriftlichen Nach-, richten über das Fabelgeschöpf Rechts und Links vertauscht erscheinen, Wenzels Stich- für die Kopie eines italienischen Blattes halt. Nach seiner sehr einleuchtende». Darstellung wäre zu vermuten, daß zuerst einfach nach der in Rom umlanfenden- Beschreibung des merkwürdigen Fundes ein Bild komponirt und dies dann sür ein Spottbild ans die unier der Herrschaft Alexanders VI. entwürdigte und durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/50>, abgerufen am 06.05.2024.