Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Litteratur

Oberförster erzählt der jungen Gräfin die seltsame Geschichte von der Resel in einer
Ruhestunde nach der Jagd. Ihr, wie wir nach und nach merken, wenig geliebter Mann,
ein blasirter Graf, mit einer frühen Glatze auf dem jungen Kopfe, sitzt dabei,
schläft jedoch gelangweilt el", während die Gräfin mit steigender Teilnahme der
Erzählung des Oberförsters folgt. So ist also schon die änßere Situation, in der
die Geschichte erzählt wird, in symbolischer Beziehung zu ihrem Inhalt. Auszerdem
spielt sich aber, während wir die Geschichte von der Resel vernehmen, gleichzeitig
ein kleines Drama vor uns ab. Denn die Gräfin begleitet jeden Schritt mit leb¬
haften und unwillkürlichen Glossen, ungesucht vergleicht sie ihr eignes Schicksal mit
dem der Resel, die Parallele wird bis zum Ende durchgeführt' wir haben zwei
Schicksale erfahren, mittelbar und unmittelbar. Wie das gemacht ist, kann nicht
genug bewundert werden. Die Verfasserin beherrscht die Geheimnisse der epischen
Kunst wie gegenwärtig vielleicht kein zweiter deutscher Novellist. Dn fällt kein
überflüssiges Wort; jeder Satz atmet die ganze Wmosphäre dessen, der ihn spricht;
es wird keine Seelenanalyse getrieben, sondern nur rein gestaltet. Darum sind
diese räumlich so wenig ausgiebigen Novellen wahre Kunstwerke.




An unsre Freunde
Auch diesmal wieder einsten wie zum Beginn des neuen
Jahres an alle unsre Freunde, an alle, die die Airhtnng und
die Bestrebungen der Grenzlwten billigen, die herzliche Bitte,
so viel als möglich durch mündliche Empfehlung zu ihrer Wer-
breitnng beizutragen. Insbesondre bitten wir auch darum,
dahin zu wirken, datz sie in grösserer Anzahl in die Lesezirkel
eingestellt werden. Ans den zahlreichen zustimmenden Briefen
und Karten, die uns das ganze Jahr über zugehen, fehen wir
fort und fort, wie spät die Grenzboten in die Hände mancher
Lefer Kommen! Da freut sich einer im Dezember noch über
einen Aufsatz in einer Juttinnmmer - ist das Wohl glaublich?
Es ist ja geWitz sehr ehrenvoll und erfreulich für uns, wenn
unsre Leser der Meinung sind, datz eine Grenzbotennnmmer
auch nach einem halben Jahre noch nicht veraltet sei; dennoch,
unser Wunsch und unser ganzes Sinnen und Trachten ist es,
die Grenzboten so zu gestalten, datz sie frisch gelesen werden
müssen. Darum nochmals: wo die Grenzboten in einem ein-
zigen Exemplar monatelang, vievteljahrelang träge durch den
Lesezirkel schleichen, da dringe man darauf, datz ste in mehreren
Exemplaren eingestellt werden.
Verlag und Redaktion der Grenzlwten




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

Oberförster erzählt der jungen Gräfin die seltsame Geschichte von der Resel in einer
Ruhestunde nach der Jagd. Ihr, wie wir nach und nach merken, wenig geliebter Mann,
ein blasirter Graf, mit einer frühen Glatze auf dem jungen Kopfe, sitzt dabei,
schläft jedoch gelangweilt el«, während die Gräfin mit steigender Teilnahme der
Erzählung des Oberförsters folgt. So ist also schon die änßere Situation, in der
die Geschichte erzählt wird, in symbolischer Beziehung zu ihrem Inhalt. Auszerdem
spielt sich aber, während wir die Geschichte von der Resel vernehmen, gleichzeitig
ein kleines Drama vor uns ab. Denn die Gräfin begleitet jeden Schritt mit leb¬
haften und unwillkürlichen Glossen, ungesucht vergleicht sie ihr eignes Schicksal mit
dem der Resel, die Parallele wird bis zum Ende durchgeführt' wir haben zwei
Schicksale erfahren, mittelbar und unmittelbar. Wie das gemacht ist, kann nicht
genug bewundert werden. Die Verfasserin beherrscht die Geheimnisse der epischen
Kunst wie gegenwärtig vielleicht kein zweiter deutscher Novellist. Dn fällt kein
überflüssiges Wort; jeder Satz atmet die ganze Wmosphäre dessen, der ihn spricht;
es wird keine Seelenanalyse getrieben, sondern nur rein gestaltet. Darum sind
diese räumlich so wenig ausgiebigen Novellen wahre Kunstwerke.




An unsre Freunde
Auch diesmal wieder einsten wie zum Beginn des neuen
Jahres an alle unsre Freunde, an alle, die die Airhtnng und
die Bestrebungen der Grenzlwten billigen, die herzliche Bitte,
so viel als möglich durch mündliche Empfehlung zu ihrer Wer-
breitnng beizutragen. Insbesondre bitten wir auch darum,
dahin zu wirken, datz sie in grösserer Anzahl in die Lesezirkel
eingestellt werden. Ans den zahlreichen zustimmenden Briefen
und Karten, die uns das ganze Jahr über zugehen, fehen wir
fort und fort, wie spät die Grenzboten in die Hände mancher
Lefer Kommen! Da freut sich einer im Dezember noch über
einen Aufsatz in einer Juttinnmmer - ist das Wohl glaublich?
Es ist ja geWitz sehr ehrenvoll und erfreulich für uns, wenn
unsre Leser der Meinung sind, datz eine Grenzbotennnmmer
auch nach einem halben Jahre noch nicht veraltet sei; dennoch,
unser Wunsch und unser ganzes Sinnen und Trachten ist es,
die Grenzboten so zu gestalten, datz sie frisch gelesen werden
müssen. Darum nochmals: wo die Grenzboten in einem ein-
zigen Exemplar monatelang, vievteljahrelang träge durch den
Lesezirkel schleichen, da dringe man darauf, datz ste in mehreren
Exemplaren eingestellt werden.
Verlag und Redaktion der Grenzlwten




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209289"/>
            <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_148" prev="#ID_147"> Oberförster erzählt der jungen Gräfin die seltsame Geschichte von der Resel in einer<lb/>
Ruhestunde nach der Jagd. Ihr, wie wir nach und nach merken, wenig geliebter Mann,<lb/>
ein blasirter Graf, mit einer frühen Glatze auf dem jungen Kopfe, sitzt dabei,<lb/>
schläft jedoch gelangweilt el«, während die Gräfin mit steigender Teilnahme der<lb/>
Erzählung des Oberförsters folgt. So ist also schon die änßere Situation, in der<lb/>
die Geschichte erzählt wird, in symbolischer Beziehung zu ihrem Inhalt. Auszerdem<lb/>
spielt sich aber, während wir die Geschichte von der Resel vernehmen, gleichzeitig<lb/>
ein kleines Drama vor uns ab. Denn die Gräfin begleitet jeden Schritt mit leb¬<lb/>
haften und unwillkürlichen Glossen, ungesucht vergleicht sie ihr eignes Schicksal mit<lb/>
dem der Resel, die Parallele wird bis zum Ende durchgeführt' wir haben zwei<lb/>
Schicksale erfahren, mittelbar und unmittelbar. Wie das gemacht ist, kann nicht<lb/>
genug bewundert werden. Die Verfasserin beherrscht die Geheimnisse der epischen<lb/>
Kunst wie gegenwärtig vielleicht kein zweiter deutscher Novellist. Dn fällt kein<lb/>
überflüssiges Wort; jeder Satz atmet die ganze Wmosphäre dessen, der ihn spricht;<lb/>
es wird keine Seelenanalyse getrieben, sondern nur rein gestaltet. Darum sind<lb/>
diese räumlich so wenig ausgiebigen Novellen wahre Kunstwerke.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="advertisement">
                <p> An unsre Freunde<lb/>
Auch diesmal wieder einsten wie zum Beginn des neuen<lb/>
Jahres an alle unsre Freunde, an alle, die die Airhtnng und<lb/>
die Bestrebungen der Grenzlwten billigen, die herzliche Bitte,<lb/>
so viel als möglich durch mündliche Empfehlung zu ihrer Wer-<lb/>
breitnng beizutragen. Insbesondre bitten wir auch darum,<lb/>
dahin zu wirken, datz sie in grösserer Anzahl in die Lesezirkel<lb/>
eingestellt werden. Ans den zahlreichen zustimmenden Briefen<lb/>
und Karten, die uns das ganze Jahr über zugehen, fehen wir<lb/>
fort und fort, wie spät die Grenzboten in die Hände mancher<lb/>
Lefer Kommen! Da freut sich einer im Dezember noch über<lb/>
einen Aufsatz in einer Juttinnmmer - ist das Wohl glaublich?<lb/>
Es ist ja geWitz sehr ehrenvoll und erfreulich für uns, wenn<lb/>
unsre Leser der Meinung sind, datz eine Grenzbotennnmmer<lb/>
auch nach einem halben Jahre noch nicht veraltet sei; dennoch,<lb/>
unser Wunsch und unser ganzes Sinnen und Trachten ist es,<lb/>
die Grenzboten so zu gestalten, datz sie frisch gelesen werden<lb/>
müssen. Darum nochmals: wo die Grenzboten in einem ein-<lb/>
zigen Exemplar monatelang, vievteljahrelang träge durch den<lb/>
Lesezirkel schleichen, da dringe man darauf, datz ste in mehreren<lb/>
Exemplaren eingestellt werden.<lb/>
Verlag und Redaktion der Grenzlwten</p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig &#x2014; Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] Litteratur Oberförster erzählt der jungen Gräfin die seltsame Geschichte von der Resel in einer Ruhestunde nach der Jagd. Ihr, wie wir nach und nach merken, wenig geliebter Mann, ein blasirter Graf, mit einer frühen Glatze auf dem jungen Kopfe, sitzt dabei, schläft jedoch gelangweilt el«, während die Gräfin mit steigender Teilnahme der Erzählung des Oberförsters folgt. So ist also schon die änßere Situation, in der die Geschichte erzählt wird, in symbolischer Beziehung zu ihrem Inhalt. Auszerdem spielt sich aber, während wir die Geschichte von der Resel vernehmen, gleichzeitig ein kleines Drama vor uns ab. Denn die Gräfin begleitet jeden Schritt mit leb¬ haften und unwillkürlichen Glossen, ungesucht vergleicht sie ihr eignes Schicksal mit dem der Resel, die Parallele wird bis zum Ende durchgeführt' wir haben zwei Schicksale erfahren, mittelbar und unmittelbar. Wie das gemacht ist, kann nicht genug bewundert werden. Die Verfasserin beherrscht die Geheimnisse der epischen Kunst wie gegenwärtig vielleicht kein zweiter deutscher Novellist. Dn fällt kein überflüssiges Wort; jeder Satz atmet die ganze Wmosphäre dessen, der ihn spricht; es wird keine Seelenanalyse getrieben, sondern nur rein gestaltet. Darum sind diese räumlich so wenig ausgiebigen Novellen wahre Kunstwerke. An unsre Freunde Auch diesmal wieder einsten wie zum Beginn des neuen Jahres an alle unsre Freunde, an alle, die die Airhtnng und die Bestrebungen der Grenzlwten billigen, die herzliche Bitte, so viel als möglich durch mündliche Empfehlung zu ihrer Wer- breitnng beizutragen. Insbesondre bitten wir auch darum, dahin zu wirken, datz sie in grösserer Anzahl in die Lesezirkel eingestellt werden. Ans den zahlreichen zustimmenden Briefen und Karten, die uns das ganze Jahr über zugehen, fehen wir fort und fort, wie spät die Grenzboten in die Hände mancher Lefer Kommen! Da freut sich einer im Dezember noch über einen Aufsatz in einer Juttinnmmer - ist das Wohl glaublich? Es ist ja geWitz sehr ehrenvoll und erfreulich für uns, wenn unsre Leser der Meinung sind, datz eine Grenzbotennnmmer auch nach einem halben Jahre noch nicht veraltet sei; dennoch, unser Wunsch und unser ganzes Sinnen und Trachten ist es, die Grenzboten so zu gestalten, datz sie frisch gelesen werden müssen. Darum nochmals: wo die Grenzboten in einem ein- zigen Exemplar monatelang, vievteljahrelang träge durch den Lesezirkel schleichen, da dringe man darauf, datz ste in mehreren Exemplaren eingestellt werden. Verlag und Redaktion der Grenzlwten Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/56
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/56>, abgerufen am 06.05.2024.