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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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WH
t)^Mcum die Frage anfgeN'orfcn N'ird, n>o unsre öffentliche ^i'einung
ihre" Ausdruck findet, so wird sich, selbst die Sunune aller
unsrer Tagesblätter und Zeitungen zusammengenommen, noch
ein unmeßbarer Rest finden, der sich in keiner der Schablonen
unterbringen läßt, die uns die Musterkarte der Parteiauffassungen
übermitteln. Es giebt im deutschen Reiche weit mehr Selbständigkeit deo
politischen Denkens, als bei flüchtigem Anhören zu Tage tritt, und die Lumpen¬
sammler der Tagesmeinungen gehen bei ihren, Rundgänge durch die Gassen
gerade an den Thüren vorüber, hinter denen am häuslichen Herde ein Feuer
echter, in sich geschlossener, altüberkommener Überzeugungen heilig gehalten
wird. In den abgeschlossenen Kreisen unsers höhern Beamtentums, in den
der politischen Kannegießerei grundsätzlich abgewandten Reihen unsrer Offiziere,
in einem sehr ansehnlichen Teile unsrer Gelehrtenwelt und in wenig zahlreichen,
aber kenntlichen Gruppen der Großindustrie, de^ Handels, der Landwirtschaft
wird die Parteipvlitik nicht mitgemacht, wird in allen großen nationalen
Frage", ohne Rücksicht uns Parteiparvle Stellung gesucht und genommen.

, Nun sagen wir wohl nicht zu pick, wenn wir behaupten, daß diese Stillen
im Lande, gleich weit entfernt vom Hurrahrufen, wie von den Weserufer,
die unsre politischen Klageweiber wie üblich ertönen lassen, zunächst noch eine
reservirte und kritisch abwartende Haltung einnehmen. Wir haben in den
letzten nenn Monaten so vielerlei in Angriff genommen, so weit aussehende
Fragen aufgeworfen und so viele politische Gedanken zur Erörterung gestellt,
daß es trotz Kongreß, Kommissionen, Landtags- und Reichstagsverhandlungeu
sehr schwer fällt, die Tragweite unsrer Reformarbeit im einzelnen sowohl wie
in ihrem Zusammenhange zu überschauen. Die durch deu Kongreß der inter¬
nationalen Behandlung zugewiesene soziale Frage ist, was diese Seite ihrer


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t)^Mcum die Frage anfgeN'orfcn N'ird, n>o unsre öffentliche ^i'einung
ihre» Ausdruck findet, so wird sich, selbst die Sunune aller
unsrer Tagesblätter und Zeitungen zusammengenommen, noch
ein unmeßbarer Rest finden, der sich in keiner der Schablonen
unterbringen läßt, die uns die Musterkarte der Parteiauffassungen
übermitteln. Es giebt im deutschen Reiche weit mehr Selbständigkeit deo
politischen Denkens, als bei flüchtigem Anhören zu Tage tritt, und die Lumpen¬
sammler der Tagesmeinungen gehen bei ihren, Rundgänge durch die Gassen
gerade an den Thüren vorüber, hinter denen am häuslichen Herde ein Feuer
echter, in sich geschlossener, altüberkommener Überzeugungen heilig gehalten
wird. In den abgeschlossenen Kreisen unsers höhern Beamtentums, in den
der politischen Kannegießerei grundsätzlich abgewandten Reihen unsrer Offiziere,
in einem sehr ansehnlichen Teile unsrer Gelehrtenwelt und in wenig zahlreichen,
aber kenntlichen Gruppen der Großindustrie, de^ Handels, der Landwirtschaft
wird die Parteipvlitik nicht mitgemacht, wird in allen großen nationalen
Frage», ohne Rücksicht uns Parteiparvle Stellung gesucht und genommen.

, Nun sagen wir wohl nicht zu pick, wenn wir behaupten, daß diese Stillen
im Lande, gleich weit entfernt vom Hurrahrufen, wie von den Weserufer,
die unsre politischen Klageweiber wie üblich ertönen lassen, zunächst noch eine
reservirte und kritisch abwartende Haltung einnehmen. Wir haben in den
letzten nenn Monaten so vielerlei in Angriff genommen, so weit aussehende
Fragen aufgeworfen und so viele politische Gedanken zur Erörterung gestellt,
daß es trotz Kongreß, Kommissionen, Landtags- und Reichstagsverhandlungeu
sehr schwer fällt, die Tragweite unsrer Reformarbeit im einzelnen sowohl wie
in ihrem Zusammenhange zu überschauen. Die durch deu Kongreß der inter¬
nationalen Behandlung zugewiesene soziale Frage ist, was diese Seite ihrer


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[0057] [Abbildung] I^ro R.e^e WH t)^Mcum die Frage anfgeN'orfcn N'ird, n>o unsre öffentliche ^i'einung ihre» Ausdruck findet, so wird sich, selbst die Sunune aller unsrer Tagesblätter und Zeitungen zusammengenommen, noch ein unmeßbarer Rest finden, der sich in keiner der Schablonen unterbringen läßt, die uns die Musterkarte der Parteiauffassungen übermitteln. Es giebt im deutschen Reiche weit mehr Selbständigkeit deo politischen Denkens, als bei flüchtigem Anhören zu Tage tritt, und die Lumpen¬ sammler der Tagesmeinungen gehen bei ihren, Rundgänge durch die Gassen gerade an den Thüren vorüber, hinter denen am häuslichen Herde ein Feuer echter, in sich geschlossener, altüberkommener Überzeugungen heilig gehalten wird. In den abgeschlossenen Kreisen unsers höhern Beamtentums, in den der politischen Kannegießerei grundsätzlich abgewandten Reihen unsrer Offiziere, in einem sehr ansehnlichen Teile unsrer Gelehrtenwelt und in wenig zahlreichen, aber kenntlichen Gruppen der Großindustrie, de^ Handels, der Landwirtschaft wird die Parteipvlitik nicht mitgemacht, wird in allen großen nationalen Frage», ohne Rücksicht uns Parteiparvle Stellung gesucht und genommen. , Nun sagen wir wohl nicht zu pick, wenn wir behaupten, daß diese Stillen im Lande, gleich weit entfernt vom Hurrahrufen, wie von den Weserufer, die unsre politischen Klageweiber wie üblich ertönen lassen, zunächst noch eine reservirte und kritisch abwartende Haltung einnehmen. Wir haben in den letzten nenn Monaten so vielerlei in Angriff genommen, so weit aussehende Fragen aufgeworfen und so viele politische Gedanken zur Erörterung gestellt, daß es trotz Kongreß, Kommissionen, Landtags- und Reichstagsverhandlungeu sehr schwer fällt, die Tragweite unsrer Reformarbeit im einzelnen sowohl wie in ihrem Zusammenhange zu überschauen. Die durch deu Kongreß der inter¬ nationalen Behandlung zugewiesene soziale Frage ist, was diese Seite ihrer Grcnzkwtm I 1391 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/57>, abgerufen am 26.05.2024.