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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Das Zukunftsreich Zambesia und dessen Begründer

Thannweier als ein Wunder. Er selbst hat seine eitle Mutter in dein Wahne
gelassen und sie durch alle möglichen Nvrspiegelnngen immer mehr in der
Überzeugung bestärkt, daß er der größte Baumeister Deutschlands sei und
vom Kaiser von Rußland einen Ruf nach Petersburg erhalten habe, um dort
einen Dom zu bauen. Ein guter Freund in Petersburg besorgt ahnungslos
alle diese, aus Spillings zweiter Gedankenwelt stammenden Briefe Spillings an
die Mutter und befördert alle aus Thaunweier an Spilling einlaufenden
Sendungen nach Hinterpmnmern. Alle Jahre, wenn die Sommerferien ba¬
sirt, erscheint der Stolpenburger Zeichenlehrer als russischer Vanrat in Thaun¬
weier und wird vom ganzen Städtchen jubelnd begrüßt und gefeiert. Was
er sich in Stvlpeuburg abgedarbt hat, das geht in Thaunweier in großen,
von Spilling bezahlten Volkslustbarkeiten drauf. Endlich zerrinnt der ganze
russische Spuk; Spilling schnappt in Stolpenbnrg über, und ein junger
Ghmuasiallehrer, Dr. Wiegmid, der im Begriff ist, eine Schweizerreise an¬
zutreten, übernimmt es, die Mutter von der Erkrankung des Sohnes in
Kenntnis zu setzen. Die durch Wiegaud in Thaunweier verursachten Ver¬
wirrungen und Mißverständnisse sind sehr ergötzlich geschildert. In Wiegaud
finden wir endlich einen vernünftigen und umgänglichen Vertreter der Philo¬
logie, "von Manieren und einer heitern Weitläufigkeit, wie sie in seinem
Stande nicht alle Tage angetroffen werden."




Das Zukunftsreich Zambesia und dessen Begründer")

i
n bisher meines Wissens unerklärtes Kunststück indischer Magier
besteht darin, daß sie ein Samenkorn in die Erde stecken und
vor den Augen der Herumstehenden in unglaublich kurzer
Zeit eine ganz regelrecht sich entwickelnde Pflanze mit Zweigen
und Blättern hervorzaubern. Ich erinnere mich nicht, ob die
Augenzeugen, die mir das erzählten, hinzugefügt haben, daß es dieses botanische
Wunder bei derselben Gelegenheit auch zu Vlüteu und Früchten gebracht habe.

Unter demselben Vorbehalte der Blüten (Gold) und Früchte (Dividenden)
vollzieht sich vor den Augen der staunenden Welt, die durch Zeitungen und
Telegraphen auf dem Laufenden erhalten wird, ein politisch-wirtschaftliches
Wunder im Innern Afrikas. Ans einem Flüchenraume, so groß etwa wie



Die nachfolgende höchst interessante und lehrreiche Betrachtung stammt ans der Feder
D Red eines Kandsmannes, der kürzlich aus Kapstadt heimgekehrt ist.
Das Zukunftsreich Zambesia und dessen Begründer

Thannweier als ein Wunder. Er selbst hat seine eitle Mutter in dein Wahne
gelassen und sie durch alle möglichen Nvrspiegelnngen immer mehr in der
Überzeugung bestärkt, daß er der größte Baumeister Deutschlands sei und
vom Kaiser von Rußland einen Ruf nach Petersburg erhalten habe, um dort
einen Dom zu bauen. Ein guter Freund in Petersburg besorgt ahnungslos
alle diese, aus Spillings zweiter Gedankenwelt stammenden Briefe Spillings an
die Mutter und befördert alle aus Thaunweier an Spilling einlaufenden
Sendungen nach Hinterpmnmern. Alle Jahre, wenn die Sommerferien ba¬
sirt, erscheint der Stolpenburger Zeichenlehrer als russischer Vanrat in Thaun¬
weier und wird vom ganzen Städtchen jubelnd begrüßt und gefeiert. Was
er sich in Stvlpeuburg abgedarbt hat, das geht in Thaunweier in großen,
von Spilling bezahlten Volkslustbarkeiten drauf. Endlich zerrinnt der ganze
russische Spuk; Spilling schnappt in Stolpenbnrg über, und ein junger
Ghmuasiallehrer, Dr. Wiegmid, der im Begriff ist, eine Schweizerreise an¬
zutreten, übernimmt es, die Mutter von der Erkrankung des Sohnes in
Kenntnis zu setzen. Die durch Wiegaud in Thaunweier verursachten Ver¬
wirrungen und Mißverständnisse sind sehr ergötzlich geschildert. In Wiegaud
finden wir endlich einen vernünftigen und umgänglichen Vertreter der Philo¬
logie, „von Manieren und einer heitern Weitläufigkeit, wie sie in seinem
Stande nicht alle Tage angetroffen werden."




Das Zukunftsreich Zambesia und dessen Begründer")

i
n bisher meines Wissens unerklärtes Kunststück indischer Magier
besteht darin, daß sie ein Samenkorn in die Erde stecken und
vor den Augen der Herumstehenden in unglaublich kurzer
Zeit eine ganz regelrecht sich entwickelnde Pflanze mit Zweigen
und Blättern hervorzaubern. Ich erinnere mich nicht, ob die
Augenzeugen, die mir das erzählten, hinzugefügt haben, daß es dieses botanische
Wunder bei derselben Gelegenheit auch zu Vlüteu und Früchten gebracht habe.

Unter demselben Vorbehalte der Blüten (Gold) und Früchte (Dividenden)
vollzieht sich vor den Augen der staunenden Welt, die durch Zeitungen und
Telegraphen auf dem Laufenden erhalten wird, ein politisch-wirtschaftliches
Wunder im Innern Afrikas. Ans einem Flüchenraume, so groß etwa wie



Die nachfolgende höchst interessante und lehrreiche Betrachtung stammt ans der Feder
D Red eines Kandsmannes, der kürzlich aus Kapstadt heimgekehrt ist.
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[0299] Das Zukunftsreich Zambesia und dessen Begründer Thannweier als ein Wunder. Er selbst hat seine eitle Mutter in dein Wahne gelassen und sie durch alle möglichen Nvrspiegelnngen immer mehr in der Überzeugung bestärkt, daß er der größte Baumeister Deutschlands sei und vom Kaiser von Rußland einen Ruf nach Petersburg erhalten habe, um dort einen Dom zu bauen. Ein guter Freund in Petersburg besorgt ahnungslos alle diese, aus Spillings zweiter Gedankenwelt stammenden Briefe Spillings an die Mutter und befördert alle aus Thaunweier an Spilling einlaufenden Sendungen nach Hinterpmnmern. Alle Jahre, wenn die Sommerferien ba¬ sirt, erscheint der Stolpenburger Zeichenlehrer als russischer Vanrat in Thaun¬ weier und wird vom ganzen Städtchen jubelnd begrüßt und gefeiert. Was er sich in Stvlpeuburg abgedarbt hat, das geht in Thaunweier in großen, von Spilling bezahlten Volkslustbarkeiten drauf. Endlich zerrinnt der ganze russische Spuk; Spilling schnappt in Stolpenbnrg über, und ein junger Ghmuasiallehrer, Dr. Wiegmid, der im Begriff ist, eine Schweizerreise an¬ zutreten, übernimmt es, die Mutter von der Erkrankung des Sohnes in Kenntnis zu setzen. Die durch Wiegaud in Thaunweier verursachten Ver¬ wirrungen und Mißverständnisse sind sehr ergötzlich geschildert. In Wiegaud finden wir endlich einen vernünftigen und umgänglichen Vertreter der Philo¬ logie, „von Manieren und einer heitern Weitläufigkeit, wie sie in seinem Stande nicht alle Tage angetroffen werden." Das Zukunftsreich Zambesia und dessen Begründer") i n bisher meines Wissens unerklärtes Kunststück indischer Magier besteht darin, daß sie ein Samenkorn in die Erde stecken und vor den Augen der Herumstehenden in unglaublich kurzer Zeit eine ganz regelrecht sich entwickelnde Pflanze mit Zweigen und Blättern hervorzaubern. Ich erinnere mich nicht, ob die Augenzeugen, die mir das erzählten, hinzugefügt haben, daß es dieses botanische Wunder bei derselben Gelegenheit auch zu Vlüteu und Früchten gebracht habe. Unter demselben Vorbehalte der Blüten (Gold) und Früchte (Dividenden) vollzieht sich vor den Augen der staunenden Welt, die durch Zeitungen und Telegraphen auf dem Laufenden erhalten wird, ein politisch-wirtschaftliches Wunder im Innern Afrikas. Ans einem Flüchenraume, so groß etwa wie Die nachfolgende höchst interessante und lehrreiche Betrachtung stammt ans der Feder D Red eines Kandsmannes, der kürzlich aus Kapstadt heimgekehrt ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/299>, abgerufen am 04.05.2024.