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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Skat hinzu, dem Skat erkennt er nur den Vorzug zu, dem Philister Schweigen
aufzuerlegen. Als ein schweres Verhängnis betrachtet er das Umsichgreifen des
"herzlosen demokratischen Amerikanismus." Manchen sitzenden Hieb erhalten die
vulgären Zeitungen, die Berliner "Genies ersten Ranges, Nebenbuhler Goethes,"
eitle Gelehrte und Schriftsteller, die sich an den berühmten Mann hinandrängen
oder ihn herablassend belehren, andre, die gegen die neue Orthographie sind, weil
diese das Zeilenhonorar schmälert, die affektirte Ausdrucksweise der ,.Geistreichen"
(z. B. Fanny Hensel an ihren Bruder Felix Mendelssohn in London: "Das
Meer ist doch das echte Scheidewasser") u. a. in. Mit der grünen Moderne
scheint Hehn nicht mehr in Berührung gekommen zu sein; die Zurechnungsfähigen
in dieser Gesellschaft konnten sich aber den Satz merken: "Das Leben bringt uus
Plagen genug, und wir brauchen sie durch Phantasie uicht noch zu vermehren."
Alles das würde an Wert nichts eingebüßt haben, wenn der Herausgeber die
Namen von Personen, auf die eiuzelue Bemerkungen gemünzt sind, wegge¬
lassen hätte.

Verlockend wäre es, aus den Briefen alles das zusammenzustellen, was uns
Hehn in seinem häuslichen Leben und bei der Arbeit zeigt, den unermüdlich fleißigen
Mann, der sich fortwährend der Weichlichkeit, des Hanges zum Aufschieben be¬
schuldigt, der sich einen halben und verfehlte" Menschen nennt, weil er unbeweibt
geblieben ist. Doch wir wollen nicht dem Buche den ganzen Saft auspressen.




Litteratur
Das Repertoire des Weimarischen Theaters unter Goethes Leitung 1791 bis
1817. Bearbeitet und herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt, Großherzl, stiess,
Archivdirektor. Hamburg und Leipzig, Leopold Voß, 1891

Das Buch eröffnet eine Reihe von "theatergeschichtlichen Forschungen," die
Berthold Litzmann in Jena herausgeben will. In dieser Sammlung sollen Arbeiten
ans dein Gebiete der Theatergeschichte veröffentlicht werden, die in einer allgemein
literarhistorischen Zeitschrift "ihres allzu speziellen Themas wegen" vielleicht keine
Aufnahme finden würden (also eine Sammclstelle sür ein Spezicilfnch ans der
SpezialWissenschaft), daneben sollen Quellen gedruckt werden, die irgendwie in dieses
Gebiet einschlagen, gleichviel ob sie aus archivalischen oder biographischen Material
bestehen.

Die Befürchtungen, die man bei diesem Programm hegen wird, daß hier für
ein größeres gebildetes Publikum nichts zu finden sein werde, daß nur die einge¬
weihtesten hier wie auf einem abgelegenen Fleckchen die aus tiefsten Gründen herauf¬
geholten Schätze für sich bergen möchten, ohne sie ans helle Tageslicht zu bringen,
diese Befürchtungen kann der vorliegende erste Band der Sammlung in einer
Hinsicht zerstreuen, auf der andern Seite rechtfertigt er sie freilich. Sein Inhalt
darf gewiß auf allgemeinere Beachtuug Anspruch erheben, dagegen wird die Form
schwerlich einen Leser anlocken, der ihn nicht ans fachwissenschaftlichen Interesse in


Skat hinzu, dem Skat erkennt er nur den Vorzug zu, dem Philister Schweigen
aufzuerlegen. Als ein schweres Verhängnis betrachtet er das Umsichgreifen des
„herzlosen demokratischen Amerikanismus." Manchen sitzenden Hieb erhalten die
vulgären Zeitungen, die Berliner „Genies ersten Ranges, Nebenbuhler Goethes,"
eitle Gelehrte und Schriftsteller, die sich an den berühmten Mann hinandrängen
oder ihn herablassend belehren, andre, die gegen die neue Orthographie sind, weil
diese das Zeilenhonorar schmälert, die affektirte Ausdrucksweise der ,.Geistreichen"
(z. B. Fanny Hensel an ihren Bruder Felix Mendelssohn in London: „Das
Meer ist doch das echte Scheidewasser") u. a. in. Mit der grünen Moderne
scheint Hehn nicht mehr in Berührung gekommen zu sein; die Zurechnungsfähigen
in dieser Gesellschaft konnten sich aber den Satz merken: „Das Leben bringt uus
Plagen genug, und wir brauchen sie durch Phantasie uicht noch zu vermehren."
Alles das würde an Wert nichts eingebüßt haben, wenn der Herausgeber die
Namen von Personen, auf die eiuzelue Bemerkungen gemünzt sind, wegge¬
lassen hätte.

Verlockend wäre es, aus den Briefen alles das zusammenzustellen, was uns
Hehn in seinem häuslichen Leben und bei der Arbeit zeigt, den unermüdlich fleißigen
Mann, der sich fortwährend der Weichlichkeit, des Hanges zum Aufschieben be¬
schuldigt, der sich einen halben und verfehlte» Menschen nennt, weil er unbeweibt
geblieben ist. Doch wir wollen nicht dem Buche den ganzen Saft auspressen.




Litteratur
Das Repertoire des Weimarischen Theaters unter Goethes Leitung 1791 bis
1817. Bearbeitet und herausgegeben von Dr. C. A. H. Burkhardt, Großherzl, stiess,
Archivdirektor. Hamburg und Leipzig, Leopold Voß, 1891

Das Buch eröffnet eine Reihe von „theatergeschichtlichen Forschungen," die
Berthold Litzmann in Jena herausgeben will. In dieser Sammlung sollen Arbeiten
ans dein Gebiete der Theatergeschichte veröffentlicht werden, die in einer allgemein
literarhistorischen Zeitschrift „ihres allzu speziellen Themas wegen" vielleicht keine
Aufnahme finden würden (also eine Sammclstelle sür ein Spezicilfnch ans der
SpezialWissenschaft), daneben sollen Quellen gedruckt werden, die irgendwie in dieses
Gebiet einschlagen, gleichviel ob sie aus archivalischen oder biographischen Material
bestehen.

Die Befürchtungen, die man bei diesem Programm hegen wird, daß hier für
ein größeres gebildetes Publikum nichts zu finden sein werde, daß nur die einge¬
weihtesten hier wie auf einem abgelegenen Fleckchen die aus tiefsten Gründen herauf¬
geholten Schätze für sich bergen möchten, ohne sie ans helle Tageslicht zu bringen,
diese Befürchtungen kann der vorliegende erste Band der Sammlung in einer
Hinsicht zerstreuen, auf der andern Seite rechtfertigt er sie freilich. Sein Inhalt
darf gewiß auf allgemeinere Beachtuug Anspruch erheben, dagegen wird die Form
schwerlich einen Leser anlocken, der ihn nicht ans fachwissenschaftlichen Interesse in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/354>, abgerufen am 03.05.2024.