Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
San'i>"5 ""d die Kiichü

Papst anlangt, so versteht es sich von selbst, das; die Florentiner Anno 130l>
beim großen Jubiläum unter deu ersten mit dabei waren. Der edle und
fromme Villani brachte, bewegt vou dem Eindruck, den das Vvlkergewnhl am
Mittelpunkte der Christenheit ans ihn gemacht hatte, die Idee zu seinem
Geschichtswerke mit heim, andre mögen Guter vorgezogen haben, die, wie Hase
schön bemerkt, von deu Motte" nicht gefressen werden. (Papiergeld gab es
ja damals noch nicht.) Waren doch am Paulsaltare der Peterskirche Tag
und Nacht zwei mit Rechen ausgerüstete Kleriker aufgestellt, die das dort
geopferte Geld in Behälter zu schieben hatten. Die Florentiner schickten drei¬
zehn Gesandte mit einem Gefolge von fünfzig Rittern "ud anderen Troß. Die
dreizehn Herren stellten in glänzenden Kostümen dreizehn. Mächte dar, die sich
dem Papste als dein Oberherrn des Weltalls zu Füße" warfen. Die letzte
der Mächte war Florenz, dargestellt von Patin Strozzi. "Welch eine Stadt!"
rief Bonifaz VIII., als der prachtvolle Maskenzug an ihm vorbeizog. Er
wiederholte diesen Ausruf dreimal. Da niemand ein Wort sprach, schrie der
hitzige Mann seine Höflinge an: "Wenn ihr nicht antwortet, werde ich euch
alle einsperren lassen!" Da sagte einer der Kardinäle: "Gnädiger Herr, Florenz
ist eine gute Stadt!" Worauf der Papst: "Was sagst du, garstiger Spanier,
eine gute Stadt? Die vortrefflichste oller Städte ist sie! Die "us speisen,
die unsern Hof verwalte", sind sie nicht sämtlich Florentiner? Sie sind wahr¬
haftig das fünfte Element des Weltalls!"


4

Mit der Übersiedlung der Päpste nach Avignon war die ehrenvolle Rolle
zu Ende, die die Päpste als Vorkämpfer der Unabhängigkeit Italiens nud
Beschützer der städtische" Verfassungen gespielt hatten. Durch sein Bündnis
mit Heinrich VII. wurde Papst Klemens V. in den Augen der Florentiner
ein Ghibelline. Weder durch dieses Bündnis ließen sie sich irre mache", noch
durch das Ge"le Dantes, der mit Feuereifer des Kaisers Sache empfahl. Die
Geldwechsler, Tuchmacher, Steinmetzen, Goldschmiede und Schuster des geist¬
vollen Gemeinwesens sahen klarer und richtiger, was ihnen zum Heile diente
und was Gott großes mit ihnen vorhatte, als der gelehrte Dichter und
Prophet. Wäre Florenz eine Provinzialstadt in einem bureaukratisch regierten
Großstaate geworden -- man sieht aus deu Regierungshandlungen Heinrichs
deutlich, wie sehr er sich Friedrich II. zum Vorbilde genommen hatte -- so
würden die Florentiner dumme Spießbürger geworden sein, anstatt die reiche
Kulturblüte der Renaissance zu erzengen. Sie selbst also nahmen fortan des
Papstes Stelle ein; sie wurden die Führer Italiens im Kampfe für seine
nationale Unabhängigkeit, um sie scharten sich olle Städte, die ihre mnnizipale
Unabhängigkeit im Kampfe mit kleinen nud großen Tyrannen noch gewahrt
hatten.


San'i>"5 "»d die Kiichü

Papst anlangt, so versteht es sich von selbst, das; die Florentiner Anno 130l>
beim großen Jubiläum unter deu ersten mit dabei waren. Der edle und
fromme Villani brachte, bewegt vou dem Eindruck, den das Vvlkergewnhl am
Mittelpunkte der Christenheit ans ihn gemacht hatte, die Idee zu seinem
Geschichtswerke mit heim, andre mögen Guter vorgezogen haben, die, wie Hase
schön bemerkt, von deu Motte» nicht gefressen werden. (Papiergeld gab es
ja damals noch nicht.) Waren doch am Paulsaltare der Peterskirche Tag
und Nacht zwei mit Rechen ausgerüstete Kleriker aufgestellt, die das dort
geopferte Geld in Behälter zu schieben hatten. Die Florentiner schickten drei¬
zehn Gesandte mit einem Gefolge von fünfzig Rittern »ud anderen Troß. Die
dreizehn Herren stellten in glänzenden Kostümen dreizehn. Mächte dar, die sich
dem Papste als dein Oberherrn des Weltalls zu Füße» warfen. Die letzte
der Mächte war Florenz, dargestellt von Patin Strozzi. „Welch eine Stadt!"
rief Bonifaz VIII., als der prachtvolle Maskenzug an ihm vorbeizog. Er
wiederholte diesen Ausruf dreimal. Da niemand ein Wort sprach, schrie der
hitzige Mann seine Höflinge an: „Wenn ihr nicht antwortet, werde ich euch
alle einsperren lassen!" Da sagte einer der Kardinäle: „Gnädiger Herr, Florenz
ist eine gute Stadt!" Worauf der Papst: „Was sagst du, garstiger Spanier,
eine gute Stadt? Die vortrefflichste oller Städte ist sie! Die »us speisen,
die unsern Hof verwalte», sind sie nicht sämtlich Florentiner? Sie sind wahr¬
haftig das fünfte Element des Weltalls!"


4

Mit der Übersiedlung der Päpste nach Avignon war die ehrenvolle Rolle
zu Ende, die die Päpste als Vorkämpfer der Unabhängigkeit Italiens nud
Beschützer der städtische» Verfassungen gespielt hatten. Durch sein Bündnis
mit Heinrich VII. wurde Papst Klemens V. in den Augen der Florentiner
ein Ghibelline. Weder durch dieses Bündnis ließen sie sich irre mache», noch
durch das Ge»le Dantes, der mit Feuereifer des Kaisers Sache empfahl. Die
Geldwechsler, Tuchmacher, Steinmetzen, Goldschmiede und Schuster des geist¬
vollen Gemeinwesens sahen klarer und richtiger, was ihnen zum Heile diente
und was Gott großes mit ihnen vorhatte, als der gelehrte Dichter und
Prophet. Wäre Florenz eine Provinzialstadt in einem bureaukratisch regierten
Großstaate geworden — man sieht aus deu Regierungshandlungen Heinrichs
deutlich, wie sehr er sich Friedrich II. zum Vorbilde genommen hatte — so
würden die Florentiner dumme Spießbürger geworden sein, anstatt die reiche
Kulturblüte der Renaissance zu erzengen. Sie selbst also nahmen fortan des
Papstes Stelle ein; sie wurden die Führer Italiens im Kampfe für seine
nationale Unabhängigkeit, um sie scharten sich olle Städte, die ihre mnnizipale
Unabhängigkeit im Kampfe mit kleinen nud großen Tyrannen noch gewahrt
hatten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210295"/>
            <fw type="header" place="top"> San'i&gt;"5 "»d die Kiichü</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1197" prev="#ID_1196"> Papst anlangt, so versteht es sich von selbst, das; die Florentiner Anno 130l&gt;<lb/>
beim großen Jubiläum unter deu ersten mit dabei waren. Der edle und<lb/>
fromme Villani brachte, bewegt vou dem Eindruck, den das Vvlkergewnhl am<lb/>
Mittelpunkte der Christenheit ans ihn gemacht hatte, die Idee zu seinem<lb/>
Geschichtswerke mit heim, andre mögen Guter vorgezogen haben, die, wie Hase<lb/>
schön bemerkt, von deu Motte» nicht gefressen werden. (Papiergeld gab es<lb/>
ja damals noch nicht.) Waren doch am Paulsaltare der Peterskirche Tag<lb/>
und Nacht zwei mit Rechen ausgerüstete Kleriker aufgestellt, die das dort<lb/>
geopferte Geld in Behälter zu schieben hatten. Die Florentiner schickten drei¬<lb/>
zehn Gesandte mit einem Gefolge von fünfzig Rittern »ud anderen Troß. Die<lb/>
dreizehn Herren stellten in glänzenden Kostümen dreizehn. Mächte dar, die sich<lb/>
dem Papste als dein Oberherrn des Weltalls zu Füße» warfen. Die letzte<lb/>
der Mächte war Florenz, dargestellt von Patin Strozzi. &#x201E;Welch eine Stadt!"<lb/>
rief Bonifaz VIII., als der prachtvolle Maskenzug an ihm vorbeizog. Er<lb/>
wiederholte diesen Ausruf dreimal. Da niemand ein Wort sprach, schrie der<lb/>
hitzige Mann seine Höflinge an: &#x201E;Wenn ihr nicht antwortet, werde ich euch<lb/>
alle einsperren lassen!" Da sagte einer der Kardinäle: &#x201E;Gnädiger Herr, Florenz<lb/>
ist eine gute Stadt!" Worauf der Papst: &#x201E;Was sagst du, garstiger Spanier,<lb/>
eine gute Stadt? Die vortrefflichste oller Städte ist sie! Die »us speisen,<lb/>
die unsern Hof verwalte», sind sie nicht sämtlich Florentiner? Sie sind wahr¬<lb/>
haftig das fünfte Element des Weltalls!"</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 4</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1198"> Mit der Übersiedlung der Päpste nach Avignon war die ehrenvolle Rolle<lb/>
zu Ende, die die Päpste als Vorkämpfer der Unabhängigkeit Italiens nud<lb/>
Beschützer der städtische» Verfassungen gespielt hatten. Durch sein Bündnis<lb/>
mit Heinrich VII. wurde Papst Klemens V. in den Augen der Florentiner<lb/>
ein Ghibelline. Weder durch dieses Bündnis ließen sie sich irre mache», noch<lb/>
durch das Ge»le Dantes, der mit Feuereifer des Kaisers Sache empfahl. Die<lb/>
Geldwechsler, Tuchmacher, Steinmetzen, Goldschmiede und Schuster des geist¬<lb/>
vollen Gemeinwesens sahen klarer und richtiger, was ihnen zum Heile diente<lb/>
und was Gott großes mit ihnen vorhatte, als der gelehrte Dichter und<lb/>
Prophet. Wäre Florenz eine Provinzialstadt in einem bureaukratisch regierten<lb/>
Großstaate geworden &#x2014; man sieht aus deu Regierungshandlungen Heinrichs<lb/>
deutlich, wie sehr er sich Friedrich II. zum Vorbilde genommen hatte &#x2014; so<lb/>
würden die Florentiner dumme Spießbürger geworden sein, anstatt die reiche<lb/>
Kulturblüte der Renaissance zu erzengen. Sie selbst also nahmen fortan des<lb/>
Papstes Stelle ein; sie wurden die Führer Italiens im Kampfe für seine<lb/>
nationale Unabhängigkeit, um sie scharten sich olle Städte, die ihre mnnizipale<lb/>
Unabhängigkeit im Kampfe mit kleinen nud großen Tyrannen noch gewahrt<lb/>
hatten.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0428] San'i>"5 "»d die Kiichü Papst anlangt, so versteht es sich von selbst, das; die Florentiner Anno 130l> beim großen Jubiläum unter deu ersten mit dabei waren. Der edle und fromme Villani brachte, bewegt vou dem Eindruck, den das Vvlkergewnhl am Mittelpunkte der Christenheit ans ihn gemacht hatte, die Idee zu seinem Geschichtswerke mit heim, andre mögen Guter vorgezogen haben, die, wie Hase schön bemerkt, von deu Motte» nicht gefressen werden. (Papiergeld gab es ja damals noch nicht.) Waren doch am Paulsaltare der Peterskirche Tag und Nacht zwei mit Rechen ausgerüstete Kleriker aufgestellt, die das dort geopferte Geld in Behälter zu schieben hatten. Die Florentiner schickten drei¬ zehn Gesandte mit einem Gefolge von fünfzig Rittern »ud anderen Troß. Die dreizehn Herren stellten in glänzenden Kostümen dreizehn. Mächte dar, die sich dem Papste als dein Oberherrn des Weltalls zu Füße» warfen. Die letzte der Mächte war Florenz, dargestellt von Patin Strozzi. „Welch eine Stadt!" rief Bonifaz VIII., als der prachtvolle Maskenzug an ihm vorbeizog. Er wiederholte diesen Ausruf dreimal. Da niemand ein Wort sprach, schrie der hitzige Mann seine Höflinge an: „Wenn ihr nicht antwortet, werde ich euch alle einsperren lassen!" Da sagte einer der Kardinäle: „Gnädiger Herr, Florenz ist eine gute Stadt!" Worauf der Papst: „Was sagst du, garstiger Spanier, eine gute Stadt? Die vortrefflichste oller Städte ist sie! Die »us speisen, die unsern Hof verwalte», sind sie nicht sämtlich Florentiner? Sie sind wahr¬ haftig das fünfte Element des Weltalls!" 4 Mit der Übersiedlung der Päpste nach Avignon war die ehrenvolle Rolle zu Ende, die die Päpste als Vorkämpfer der Unabhängigkeit Italiens nud Beschützer der städtische» Verfassungen gespielt hatten. Durch sein Bündnis mit Heinrich VII. wurde Papst Klemens V. in den Augen der Florentiner ein Ghibelline. Weder durch dieses Bündnis ließen sie sich irre mache», noch durch das Ge»le Dantes, der mit Feuereifer des Kaisers Sache empfahl. Die Geldwechsler, Tuchmacher, Steinmetzen, Goldschmiede und Schuster des geist¬ vollen Gemeinwesens sahen klarer und richtiger, was ihnen zum Heile diente und was Gott großes mit ihnen vorhatte, als der gelehrte Dichter und Prophet. Wäre Florenz eine Provinzialstadt in einem bureaukratisch regierten Großstaate geworden — man sieht aus deu Regierungshandlungen Heinrichs deutlich, wie sehr er sich Friedrich II. zum Vorbilde genommen hatte — so würden die Florentiner dumme Spießbürger geworden sein, anstatt die reiche Kulturblüte der Renaissance zu erzengen. Sie selbst also nahmen fortan des Papstes Stelle ein; sie wurden die Führer Italiens im Kampfe für seine nationale Unabhängigkeit, um sie scharten sich olle Städte, die ihre mnnizipale Unabhängigkeit im Kampfe mit kleinen nud großen Tyrannen noch gewahrt hatten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/428
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/428>, abgerufen am 03.05.2024.