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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Florenz und die Kirche

Den dreijährigen Kampf der kleinen Republik gegen den mit dem Papste
verbündeten Kaiser zu erzählen ist hier nicht der Ort. Nur eine Episode
wollen wir erwähnen. Im Sommer 1311 schickte Heinrich seinen getreuen
Freund, den Bischof Nikolaus von Vutriut und den päpstlichen Notar Pandvlfö
ti Savelli mit päpstlichen und kaiserlichen Vollmachten ausgerüstet nach Tuszieu,
die dortigen Gemeinden für ihn in Pflicht zu nehmen. Es erging ihnen überall
nicht besonders gilt, am schlimmsten aber in Florenz, wie in dem Berichte des
Nikolaus gar ergötzlich zu lesen ist; oder vielmehr bei Florenz, denn hinein
wurden sie gar nicht gelassen. Die Signvren sprachen den Bann aus "über
den Herrn König und uns, seine Gesandten; wer uns anfallen, an Leib und
Leben oder an unsrer Habe schädigen wolle, der dürfe es ungestraft thun;
sicherlich hätten wir jzarter Wink mit dem Zaunpfahl!j viel Geld bei uns
zur Bestechung der Guelfen und zur Besoldung der Ghibellinen." (Sie hatten
nicht mehr viel; ihre Saumtiere waren ihnen schon geraubt worden.) Die
Signoren waren noch so anständig, ihren Beschluß deu Gesandten draußen
in der Herberge zustellen zu lassen. Der städtischen Abordnung schloß sich
außer einem tobenden Volkshaufen auch ein alter Herr aus der Familie der
spini an, ein Oheim des Messer Pandolso, um sie vor Thätlichkeiten zu
schützen. Den Abgeordneten wollten die beiden wenigstens ihre Botschaft aus¬
richten, "aber sie wollten von nichts hören; wir zeigten unsre Briefe, sie weigerten
sich, hineinzusehen. Wir baten, wenigstens durch die Stadt ziehen zu dürfen;
sie könnten uns ja begleiten, sodaß wir mit niemand sprechen könnten. Sie
gingen aber auf nichts ein, sondern blieben dabei, wir müßten dahin zurück,
woher Nur gekommen wären." Dazu hatten sie aber schlechterdings keine Lust,
weil sie im Volognesischen, woher sie kamen, ihres Lebens noch weniger sicher
gewesen waren. Endlich wurde ein Weg ermittelt, ans dem sie ins Gebiet
der kaiserlich gesinnten Grafen Guidi befördert werden konnten.

Es ist schwer zu verstehen, wie Döllinger unter dem Hinweis auf das
Schicksal des Ceeeo d'Aseoli, der (sechs Jahre nach Dantes Tode) zu Florenz
verbrannt wurde, die Ansicht aussprechen konnte, Dante habe noch so manches
gegen die Kurie auf dem Herzen gehabt, habe es aber aus Furcht vor der
Inquisition verschwiegen. Der Papst hatte damals nicht die Macht, irgend
jemand in Italien ein Haar zu krümmen. Als Heinrich VII. die päpstlichen
Legaten ersuchte, die widerspenstigen Städte zu bannen, da erwiderten diese,
bannen könnten sie schon, aber wenn des Kaisers Schwert zu schwach sei, den
Baun zu vollstrecken, dann nütze er nichts; mehrere Städte lügen seit Jahren
im Bann und befänden sich ganz wohl dabei. Darüber, daß sie Bannsprüche
wie Wasser schluckten, hatte ja schon in der Patarenerzeit ein Inquisitor ge¬
seufzt. Jener Francesco d'Aseoli war ein unangenehmer Mensch, nebenbei auch
ein Feind Dantes, der bei astrologischen Grübeleien übergeschnappt war und
den Honoratioren von Florenz die alleraustößigsten Dinge weissagte, lind


Gre"zlwli!u 1t 1891 54
Florenz und die Kirche

Den dreijährigen Kampf der kleinen Republik gegen den mit dem Papste
verbündeten Kaiser zu erzählen ist hier nicht der Ort. Nur eine Episode
wollen wir erwähnen. Im Sommer 1311 schickte Heinrich seinen getreuen
Freund, den Bischof Nikolaus von Vutriut und den päpstlichen Notar Pandvlfö
ti Savelli mit päpstlichen und kaiserlichen Vollmachten ausgerüstet nach Tuszieu,
die dortigen Gemeinden für ihn in Pflicht zu nehmen. Es erging ihnen überall
nicht besonders gilt, am schlimmsten aber in Florenz, wie in dem Berichte des
Nikolaus gar ergötzlich zu lesen ist; oder vielmehr bei Florenz, denn hinein
wurden sie gar nicht gelassen. Die Signvren sprachen den Bann aus „über
den Herrn König und uns, seine Gesandten; wer uns anfallen, an Leib und
Leben oder an unsrer Habe schädigen wolle, der dürfe es ungestraft thun;
sicherlich hätten wir jzarter Wink mit dem Zaunpfahl!j viel Geld bei uns
zur Bestechung der Guelfen und zur Besoldung der Ghibellinen." (Sie hatten
nicht mehr viel; ihre Saumtiere waren ihnen schon geraubt worden.) Die
Signoren waren noch so anständig, ihren Beschluß deu Gesandten draußen
in der Herberge zustellen zu lassen. Der städtischen Abordnung schloß sich
außer einem tobenden Volkshaufen auch ein alter Herr aus der Familie der
spini an, ein Oheim des Messer Pandolso, um sie vor Thätlichkeiten zu
schützen. Den Abgeordneten wollten die beiden wenigstens ihre Botschaft aus¬
richten, „aber sie wollten von nichts hören; wir zeigten unsre Briefe, sie weigerten
sich, hineinzusehen. Wir baten, wenigstens durch die Stadt ziehen zu dürfen;
sie könnten uns ja begleiten, sodaß wir mit niemand sprechen könnten. Sie
gingen aber auf nichts ein, sondern blieben dabei, wir müßten dahin zurück,
woher Nur gekommen wären." Dazu hatten sie aber schlechterdings keine Lust,
weil sie im Volognesischen, woher sie kamen, ihres Lebens noch weniger sicher
gewesen waren. Endlich wurde ein Weg ermittelt, ans dem sie ins Gebiet
der kaiserlich gesinnten Grafen Guidi befördert werden konnten.

Es ist schwer zu verstehen, wie Döllinger unter dem Hinweis auf das
Schicksal des Ceeeo d'Aseoli, der (sechs Jahre nach Dantes Tode) zu Florenz
verbrannt wurde, die Ansicht aussprechen konnte, Dante habe noch so manches
gegen die Kurie auf dem Herzen gehabt, habe es aber aus Furcht vor der
Inquisition verschwiegen. Der Papst hatte damals nicht die Macht, irgend
jemand in Italien ein Haar zu krümmen. Als Heinrich VII. die päpstlichen
Legaten ersuchte, die widerspenstigen Städte zu bannen, da erwiderten diese,
bannen könnten sie schon, aber wenn des Kaisers Schwert zu schwach sei, den
Baun zu vollstrecken, dann nütze er nichts; mehrere Städte lügen seit Jahren
im Bann und befänden sich ganz wohl dabei. Darüber, daß sie Bannsprüche
wie Wasser schluckten, hatte ja schon in der Patarenerzeit ein Inquisitor ge¬
seufzt. Jener Francesco d'Aseoli war ein unangenehmer Mensch, nebenbei auch
ein Feind Dantes, der bei astrologischen Grübeleien übergeschnappt war und
den Honoratioren von Florenz die alleraustößigsten Dinge weissagte, lind


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[0429] Florenz und die Kirche Den dreijährigen Kampf der kleinen Republik gegen den mit dem Papste verbündeten Kaiser zu erzählen ist hier nicht der Ort. Nur eine Episode wollen wir erwähnen. Im Sommer 1311 schickte Heinrich seinen getreuen Freund, den Bischof Nikolaus von Vutriut und den päpstlichen Notar Pandvlfö ti Savelli mit päpstlichen und kaiserlichen Vollmachten ausgerüstet nach Tuszieu, die dortigen Gemeinden für ihn in Pflicht zu nehmen. Es erging ihnen überall nicht besonders gilt, am schlimmsten aber in Florenz, wie in dem Berichte des Nikolaus gar ergötzlich zu lesen ist; oder vielmehr bei Florenz, denn hinein wurden sie gar nicht gelassen. Die Signvren sprachen den Bann aus „über den Herrn König und uns, seine Gesandten; wer uns anfallen, an Leib und Leben oder an unsrer Habe schädigen wolle, der dürfe es ungestraft thun; sicherlich hätten wir jzarter Wink mit dem Zaunpfahl!j viel Geld bei uns zur Bestechung der Guelfen und zur Besoldung der Ghibellinen." (Sie hatten nicht mehr viel; ihre Saumtiere waren ihnen schon geraubt worden.) Die Signoren waren noch so anständig, ihren Beschluß deu Gesandten draußen in der Herberge zustellen zu lassen. Der städtischen Abordnung schloß sich außer einem tobenden Volkshaufen auch ein alter Herr aus der Familie der spini an, ein Oheim des Messer Pandolso, um sie vor Thätlichkeiten zu schützen. Den Abgeordneten wollten die beiden wenigstens ihre Botschaft aus¬ richten, „aber sie wollten von nichts hören; wir zeigten unsre Briefe, sie weigerten sich, hineinzusehen. Wir baten, wenigstens durch die Stadt ziehen zu dürfen; sie könnten uns ja begleiten, sodaß wir mit niemand sprechen könnten. Sie gingen aber auf nichts ein, sondern blieben dabei, wir müßten dahin zurück, woher Nur gekommen wären." Dazu hatten sie aber schlechterdings keine Lust, weil sie im Volognesischen, woher sie kamen, ihres Lebens noch weniger sicher gewesen waren. Endlich wurde ein Weg ermittelt, ans dem sie ins Gebiet der kaiserlich gesinnten Grafen Guidi befördert werden konnten. Es ist schwer zu verstehen, wie Döllinger unter dem Hinweis auf das Schicksal des Ceeeo d'Aseoli, der (sechs Jahre nach Dantes Tode) zu Florenz verbrannt wurde, die Ansicht aussprechen konnte, Dante habe noch so manches gegen die Kurie auf dem Herzen gehabt, habe es aber aus Furcht vor der Inquisition verschwiegen. Der Papst hatte damals nicht die Macht, irgend jemand in Italien ein Haar zu krümmen. Als Heinrich VII. die päpstlichen Legaten ersuchte, die widerspenstigen Städte zu bannen, da erwiderten diese, bannen könnten sie schon, aber wenn des Kaisers Schwert zu schwach sei, den Baun zu vollstrecken, dann nütze er nichts; mehrere Städte lügen seit Jahren im Bann und befänden sich ganz wohl dabei. Darüber, daß sie Bannsprüche wie Wasser schluckten, hatte ja schon in der Patarenerzeit ein Inquisitor ge¬ seufzt. Jener Francesco d'Aseoli war ein unangenehmer Mensch, nebenbei auch ein Feind Dantes, der bei astrologischen Grübeleien übergeschnappt war und den Honoratioren von Florenz die alleraustößigsten Dinge weissagte, lind Gre»zlwli!u 1t 1891 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/429>, abgerufen am 21.05.2024.