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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

moan" vivLmIi gefunden wird, Und da ist nach unserm Dafürhalten der beste
Zustand der bestehende, nämlich die Personalunion, wir meinen die Einrichtung,
daß der Pfarrer zugleich Lokalschulinspektor ist. Man sollte sich damit
begnügen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Handelsbilanz.
°

Am 15. Januar wurde im Reichstage über die
Ausgaben des statistischen Amtes verhandelt. Man kam auf die Handelsstntistik,
und Bamberger bemerkte bei dieser Gelegenheit, auf die Handelsbilanz lege hente
niemand in der Welt mehr das geringste Gewicht. Dagegen protestirte der Frei¬
herr >,u,in Stumm, damit nicht die Legende aufkomme, daß alle Welt über die
Wertlosigkeit der Handelsbilanz einig sei. Es hat ja seine Vorteile, wenn eine
Streitfrage 150 Jahre lang auf demselben Flecke stehen bleibt, weil dann Leute,
die nichts besseres zu thun haben, immer wieder neue Reden halten, neue Bücher
und Zeitungsartikel darüber schreiben können. Hängen aber von der Lösung der
Frage praktisch wichtige Entscheidungen ab, so ist es um Ende ebenso gut, man
löst sie; namentlich wenn die Lösung so leicht ist wie hier. Im Grunde genommen
bedarf es gar keiner neuen Lösung, sondern nur der Anwendung der von Adam
Smith im vierten Buche seines klassischen Werkes vollzognen auf unsre heutigen
Verhältnisse, die der schottische Altmeister freilich nicht voraussehen konnte.

Smith hat vollkommen Recht mit dem Satze, daß bei einem durch keinerlei
obrigkeitliche Einmischung künstlich geleiteten, sondern lediglich aus dem Bedürfnis
zweier Staaten hervorgehenden ganz frei betrielmen Handel stets beide gewinnen;
daß in diesem Falle der Handel stets beider Einkommen vergrößert, ganz gleich-
giltig, ob beide nur Waren austauschen, oder ob der eine nur Ware", der "andre
Waren und Geld, d. h. Edelmetall liefert, in welchem Falle man zu sagen Pflegt,
daß der erste Staat eine positive oder günstige, der zweite eine negative oder un¬
günstige Handelsbilanz habe. Edelmetall ist nämlich anch nichts andres als eine
Ware; es fällt keinem Staate vom Himmel, sondern muß entweder mit Landes¬
produkten im Auslande gekauft oder mit Arbeit in den inländischen Minen ge¬
wonnen werden. Im letzter" Falle kommt es nicht billiger zu stehen. Denn
wäre in dem angenommenen Lande die Gewinnung so leicht, daß z. B. ein Pfund
Gold nur halb so viel an Lnudrente, Unternehmerkapital und Arbeitslohn kostete,
als es auf dem Weltmarkte wert ist, so würde dieses billige Gold deu Weltmarkt¬
preis des Goldes so lange drücken, oder was dasselbe ist, den Geldpreis aller
andern Waren so hoch steigern, bis nach längerer Unruhe ein neues Gleichgewicht
zwischen dem Goldpreise und dem Preise aller andern Waren hergestellt wäre.
Es ist daher ganz gleichgiltig, ob die Engländer z. B., wen" ihnen Portugal nicht
soviel Baumwoll- und Eisenwaren abnimmt, als sie portugiesischen Wein brauchen,
den Nest mit westindischen Tabak oder mit kalifornischen Golde bezahlt. Der
westindische Tabak muß so gut mit englischen Waren gekauft werden wie das kali¬
fornische Gold. Die Bezahlung mit Gold ist sogar vorteilhafter, weil des gerin-


Grenzlwte" 1 1L"2 W
Maßgebliches und Unmaßgebliches

moan» vivLmIi gefunden wird, Und da ist nach unserm Dafürhalten der beste
Zustand der bestehende, nämlich die Personalunion, wir meinen die Einrichtung,
daß der Pfarrer zugleich Lokalschulinspektor ist. Man sollte sich damit
begnügen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Handelsbilanz.
°

Am 15. Januar wurde im Reichstage über die
Ausgaben des statistischen Amtes verhandelt. Man kam auf die Handelsstntistik,
und Bamberger bemerkte bei dieser Gelegenheit, auf die Handelsbilanz lege hente
niemand in der Welt mehr das geringste Gewicht. Dagegen protestirte der Frei¬
herr >,u,in Stumm, damit nicht die Legende aufkomme, daß alle Welt über die
Wertlosigkeit der Handelsbilanz einig sei. Es hat ja seine Vorteile, wenn eine
Streitfrage 150 Jahre lang auf demselben Flecke stehen bleibt, weil dann Leute,
die nichts besseres zu thun haben, immer wieder neue Reden halten, neue Bücher
und Zeitungsartikel darüber schreiben können. Hängen aber von der Lösung der
Frage praktisch wichtige Entscheidungen ab, so ist es um Ende ebenso gut, man
löst sie; namentlich wenn die Lösung so leicht ist wie hier. Im Grunde genommen
bedarf es gar keiner neuen Lösung, sondern nur der Anwendung der von Adam
Smith im vierten Buche seines klassischen Werkes vollzognen auf unsre heutigen
Verhältnisse, die der schottische Altmeister freilich nicht voraussehen konnte.

Smith hat vollkommen Recht mit dem Satze, daß bei einem durch keinerlei
obrigkeitliche Einmischung künstlich geleiteten, sondern lediglich aus dem Bedürfnis
zweier Staaten hervorgehenden ganz frei betrielmen Handel stets beide gewinnen;
daß in diesem Falle der Handel stets beider Einkommen vergrößert, ganz gleich-
giltig, ob beide nur Waren austauschen, oder ob der eine nur Ware«, der "andre
Waren und Geld, d. h. Edelmetall liefert, in welchem Falle man zu sagen Pflegt,
daß der erste Staat eine positive oder günstige, der zweite eine negative oder un¬
günstige Handelsbilanz habe. Edelmetall ist nämlich anch nichts andres als eine
Ware; es fällt keinem Staate vom Himmel, sondern muß entweder mit Landes¬
produkten im Auslande gekauft oder mit Arbeit in den inländischen Minen ge¬
wonnen werden. Im letzter« Falle kommt es nicht billiger zu stehen. Denn
wäre in dem angenommenen Lande die Gewinnung so leicht, daß z. B. ein Pfund
Gold nur halb so viel an Lnudrente, Unternehmerkapital und Arbeitslohn kostete,
als es auf dem Weltmarkte wert ist, so würde dieses billige Gold deu Weltmarkt¬
preis des Goldes so lange drücken, oder was dasselbe ist, den Geldpreis aller
andern Waren so hoch steigern, bis nach längerer Unruhe ein neues Gleichgewicht
zwischen dem Goldpreise und dem Preise aller andern Waren hergestellt wäre.
Es ist daher ganz gleichgiltig, ob die Engländer z. B., wen» ihnen Portugal nicht
soviel Baumwoll- und Eisenwaren abnimmt, als sie portugiesischen Wein brauchen,
den Nest mit westindischen Tabak oder mit kalifornischen Golde bezahlt. Der
westindische Tabak muß so gut mit englischen Waren gekauft werden wie das kali¬
fornische Gold. Die Bezahlung mit Gold ist sogar vorteilhafter, weil des gerin-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/257>, abgerufen am 06.05.2024.