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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur
König Ludwig 1. von Bayern in seinen Briefen an seinen Sohn, den König Otto von
Griechenland. Von Legationsrat Dr. Ludwig Trost, k. b. Geh. Haus- und Staatsarchiv^'.
Bcimberg, C. C. Buchncrsche Verlagsbuchhandlung, 1891

Heinrich von Treitschke hat in seiner Deutschen Geschichte ein Charakterbild
Ludwigs I. von Baiern, des Teutschen, des Romantikers auf dem Throne entworfen,
das bei allem Streben nach unbefangner, gerechter Würdigung doch in einem
ironischen Grundtone gehalten ist. Über den Politiker Ludwig, der nicht aufhörte,
Gelüste nach einem Stück von Baden und der Pfalz zu hegen, der gern Heidel¬
berg und Mannheim sein genannt Hütte, der sich den preußischen Könige" gegenüber
als der vornehmere fühlte, weil sein Stammhaus das ältere war, und der auch
für den dritten Nachbar, für Österreich einen kleinen Groll wegen Salzburg hegte,
das nicht zu Baiern gekommen war: diesen Ludwig kann Treitschke nicht mit
seinem Spotte verschonen. Er erkennt seine großen Verdienste um die Schöpfung
des neuen Münchens an, gesteht ihm in dieser Richtung wahre Thatkraft und einen
Zug von Größe zu, spottet aber um so mehr über den König, der es bei aller
Begeisterung für griechische Schönheit doch nicht zu einem schönen Deutsch im
schriftliche" Ausdruck brachte und die unglückliche Marotte hatte, seine holprigen
Verse der deutsche" Nation im Druck vorzulegen. In dieser sarkastischen Zeichnung
hat natürlich das Urteil Goethes über König Ludwig, das uus Eckermaun auf¬
bewahrt hat, keinen Platz gefunden. Goethe sagte: "Da sehen Sie einen Monarchen,
der neben der königlichen Majestät seine angeborne Menschennntur gerettet hat.
Es ist eine seltene Erscheinung und deshalb erfreulicher." Goethe kannte den
König als Kronprinzen noch von Rom her; Ludwig betrieb hier den Goethekultus
sehr eifrig zu einer Zeit, wo der Dichter nur noch mit sehnsüchtigen Gedanken in
Rom und Italien weilen konnte. Aber das Urteil Goethes ist doch von großem
Wert und darf von der Geschichtschreibung nicht überschlagen werden. Denn Ludwig
benahm sich stets, trotz seiner Schrullen, Fehler, Leidenschaften, Verirrungen,
doch als eine vornehme Natur, und das Urteil Goethes findet seine reichste Be¬
stätigung in Ludwigs vielfach erhaltene" Ausbrüchen der Freude, als er 1848 vom
Throne herabgestiegen war. Als den "fröhlichsten Menschen in ganz München"
fühlte er sich, nachdem er die Last der Regierungsgeschäfte abgewälzt hatte; er
wollte sich nicht zum "Uuterschreiber" vo" Regierimgsakte" mache" lasse", er faßte
das königliche Amt viel selbstherrlicher auf. Sein Kummer "ach dem Rücktritt
war nur der, daß er jetzt weniger Einkommen hatte und darum fiir die Kunst
nicht mehr wie früher sorgen konnte.

Man begreift leicht, daß die bahrischen Geschichtschreiber den Standpunkt
Treitschkes nicht einnehmen, daß sie sich ihrerseits weniger mit dem Politiker
als mit dem Menschen- und Kunstfreunde Ludwig beschäftigen. Vor einigen
Jahren hat Karl Theodor Heigel in seinen "Vorträgen und Aufsätzen" das Ver¬
hältnis des Königs zu Martin Wagner, seinem künstlerischen Agenten in Rom,


Litteratur
König Ludwig 1. von Bayern in seinen Briefen an seinen Sohn, den König Otto von
Griechenland. Von Legationsrat Dr. Ludwig Trost, k. b. Geh. Haus- und Staatsarchiv^'.
Bcimberg, C. C. Buchncrsche Verlagsbuchhandlung, 1891

Heinrich von Treitschke hat in seiner Deutschen Geschichte ein Charakterbild
Ludwigs I. von Baiern, des Teutschen, des Romantikers auf dem Throne entworfen,
das bei allem Streben nach unbefangner, gerechter Würdigung doch in einem
ironischen Grundtone gehalten ist. Über den Politiker Ludwig, der nicht aufhörte,
Gelüste nach einem Stück von Baden und der Pfalz zu hegen, der gern Heidel¬
berg und Mannheim sein genannt Hütte, der sich den preußischen Könige» gegenüber
als der vornehmere fühlte, weil sein Stammhaus das ältere war, und der auch
für den dritten Nachbar, für Österreich einen kleinen Groll wegen Salzburg hegte,
das nicht zu Baiern gekommen war: diesen Ludwig kann Treitschke nicht mit
seinem Spotte verschonen. Er erkennt seine großen Verdienste um die Schöpfung
des neuen Münchens an, gesteht ihm in dieser Richtung wahre Thatkraft und einen
Zug von Größe zu, spottet aber um so mehr über den König, der es bei aller
Begeisterung für griechische Schönheit doch nicht zu einem schönen Deutsch im
schriftliche» Ausdruck brachte und die unglückliche Marotte hatte, seine holprigen
Verse der deutsche» Nation im Druck vorzulegen. In dieser sarkastischen Zeichnung
hat natürlich das Urteil Goethes über König Ludwig, das uus Eckermaun auf¬
bewahrt hat, keinen Platz gefunden. Goethe sagte: „Da sehen Sie einen Monarchen,
der neben der königlichen Majestät seine angeborne Menschennntur gerettet hat.
Es ist eine seltene Erscheinung und deshalb erfreulicher." Goethe kannte den
König als Kronprinzen noch von Rom her; Ludwig betrieb hier den Goethekultus
sehr eifrig zu einer Zeit, wo der Dichter nur noch mit sehnsüchtigen Gedanken in
Rom und Italien weilen konnte. Aber das Urteil Goethes ist doch von großem
Wert und darf von der Geschichtschreibung nicht überschlagen werden. Denn Ludwig
benahm sich stets, trotz seiner Schrullen, Fehler, Leidenschaften, Verirrungen,
doch als eine vornehme Natur, und das Urteil Goethes findet seine reichste Be¬
stätigung in Ludwigs vielfach erhaltene» Ausbrüchen der Freude, als er 1848 vom
Throne herabgestiegen war. Als den „fröhlichsten Menschen in ganz München"
fühlte er sich, nachdem er die Last der Regierungsgeschäfte abgewälzt hatte; er
wollte sich nicht zum „Uuterschreiber" vo» Regierimgsakte» mache» lasse», er faßte
das königliche Amt viel selbstherrlicher auf. Sein Kummer «ach dem Rücktritt
war nur der, daß er jetzt weniger Einkommen hatte und darum fiir die Kunst
nicht mehr wie früher sorgen konnte.

Man begreift leicht, daß die bahrischen Geschichtschreiber den Standpunkt
Treitschkes nicht einnehmen, daß sie sich ihrerseits weniger mit dem Politiker
als mit dem Menschen- und Kunstfreunde Ludwig beschäftigen. Vor einigen
Jahren hat Karl Theodor Heigel in seinen „Vorträgen und Aufsätzen" das Ver¬
hältnis des Königs zu Martin Wagner, seinem künstlerischen Agenten in Rom,


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[0421] Litteratur König Ludwig 1. von Bayern in seinen Briefen an seinen Sohn, den König Otto von Griechenland. Von Legationsrat Dr. Ludwig Trost, k. b. Geh. Haus- und Staatsarchiv^'. Bcimberg, C. C. Buchncrsche Verlagsbuchhandlung, 1891 Heinrich von Treitschke hat in seiner Deutschen Geschichte ein Charakterbild Ludwigs I. von Baiern, des Teutschen, des Romantikers auf dem Throne entworfen, das bei allem Streben nach unbefangner, gerechter Würdigung doch in einem ironischen Grundtone gehalten ist. Über den Politiker Ludwig, der nicht aufhörte, Gelüste nach einem Stück von Baden und der Pfalz zu hegen, der gern Heidel¬ berg und Mannheim sein genannt Hütte, der sich den preußischen Könige» gegenüber als der vornehmere fühlte, weil sein Stammhaus das ältere war, und der auch für den dritten Nachbar, für Österreich einen kleinen Groll wegen Salzburg hegte, das nicht zu Baiern gekommen war: diesen Ludwig kann Treitschke nicht mit seinem Spotte verschonen. Er erkennt seine großen Verdienste um die Schöpfung des neuen Münchens an, gesteht ihm in dieser Richtung wahre Thatkraft und einen Zug von Größe zu, spottet aber um so mehr über den König, der es bei aller Begeisterung für griechische Schönheit doch nicht zu einem schönen Deutsch im schriftliche» Ausdruck brachte und die unglückliche Marotte hatte, seine holprigen Verse der deutsche» Nation im Druck vorzulegen. In dieser sarkastischen Zeichnung hat natürlich das Urteil Goethes über König Ludwig, das uus Eckermaun auf¬ bewahrt hat, keinen Platz gefunden. Goethe sagte: „Da sehen Sie einen Monarchen, der neben der königlichen Majestät seine angeborne Menschennntur gerettet hat. Es ist eine seltene Erscheinung und deshalb erfreulicher." Goethe kannte den König als Kronprinzen noch von Rom her; Ludwig betrieb hier den Goethekultus sehr eifrig zu einer Zeit, wo der Dichter nur noch mit sehnsüchtigen Gedanken in Rom und Italien weilen konnte. Aber das Urteil Goethes ist doch von großem Wert und darf von der Geschichtschreibung nicht überschlagen werden. Denn Ludwig benahm sich stets, trotz seiner Schrullen, Fehler, Leidenschaften, Verirrungen, doch als eine vornehme Natur, und das Urteil Goethes findet seine reichste Be¬ stätigung in Ludwigs vielfach erhaltene» Ausbrüchen der Freude, als er 1848 vom Throne herabgestiegen war. Als den „fröhlichsten Menschen in ganz München" fühlte er sich, nachdem er die Last der Regierungsgeschäfte abgewälzt hatte; er wollte sich nicht zum „Uuterschreiber" vo» Regierimgsakte» mache» lasse», er faßte das königliche Amt viel selbstherrlicher auf. Sein Kummer «ach dem Rücktritt war nur der, daß er jetzt weniger Einkommen hatte und darum fiir die Kunst nicht mehr wie früher sorgen konnte. Man begreift leicht, daß die bahrischen Geschichtschreiber den Standpunkt Treitschkes nicht einnehmen, daß sie sich ihrerseits weniger mit dem Politiker als mit dem Menschen- und Kunstfreunde Ludwig beschäftigen. Vor einigen Jahren hat Karl Theodor Heigel in seinen „Vorträgen und Aufsätzen" das Ver¬ hältnis des Königs zu Martin Wagner, seinem künstlerischen Agenten in Rom,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/421>, abgerufen am 06.05.2024.