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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gerichtssaal und Presse

aß öffentliche Gerichtsverhandlungen von manchen Blättern ledig¬
lich als Belustignngsstoff anaeseheu werden, ist nichts neues.
Es begann das sofort uach .Einführung des öffentlichen Ver¬
fahrens. Da wurden Manieren, Dialekt, unbeholfne Ausdrucks¬
weise der Angeklagten, der Zeugen, der Streitenden "humoristisch"
geschildert, und es ist vorgekommen, daß ein Berichterstatter komische Szene"
erfand, wenn sie sich ihm 'nicht in erwünschter Fülle darboten. Das entsprach
um zwar wenig dem Ernst der Sache, ist aber doch immer noch harmlos im
Vergleich damit, daß sich in neuster Zeit Journalisten die höchste Instanz in
der Beurteilung der Nechtsfälle und des Prozeßwesens anmaße". Man spürt,
dus; sie ans der Schule der Theaterreferenten hervorgegangen sind; ganz in
deren Weise werden dem Leser die handelnden Personen und das Publikum
beschriebe", die Personen erscheinen wie die Thpen der Pantomime oder der
Oper. Da ist die verfolgte Unschuld: die Angeklagte, der Intrigant: der
Staatsanwalt, der tapfre Ritter: der Verteidiger. Als edler Charakter nimmt
der Berichterstatter natürlich für die Berfolgten Partei, besonders für hübsche
Damen mit anrüchiger Vergangenheit; ist der faule Fleck an dem rotwangiger
Pfirsich (siehe Dumas) nicht mehr zu verstecken, so wird die menschliche Teil¬
nahme für die Unglückliche zur Schwärmerei. Aber sein ganzes Entzücken
pflegt der gewöhnlich stammverwandte Verteidiger zu sein. Wie elegant der
sein Klinge führt, wie geistreich er den Verfolger abtrumpft, ihn lächerlich
'nacht, das versetzt ihn in helle Begeisterung. Dafür wird für den Staats¬
anwalt der Pinsel in das schwärzeste Schwarz getaucht. Der Verabschennngs-
wnrdige ist aus eitel Bosheit und Blutdurst zusammengesetzt, ihm ist kein


GrenMen I 189L


Gerichtssaal und Presse

aß öffentliche Gerichtsverhandlungen von manchen Blättern ledig¬
lich als Belustignngsstoff anaeseheu werden, ist nichts neues.
Es begann das sofort uach .Einführung des öffentlichen Ver¬
fahrens. Da wurden Manieren, Dialekt, unbeholfne Ausdrucks¬
weise der Angeklagten, der Zeugen, der Streitenden „humoristisch"
geschildert, und es ist vorgekommen, daß ein Berichterstatter komische Szene»
erfand, wenn sie sich ihm 'nicht in erwünschter Fülle darboten. Das entsprach
um zwar wenig dem Ernst der Sache, ist aber doch immer noch harmlos im
Vergleich damit, daß sich in neuster Zeit Journalisten die höchste Instanz in
der Beurteilung der Nechtsfälle und des Prozeßwesens anmaße». Man spürt,
dus; sie ans der Schule der Theaterreferenten hervorgegangen sind; ganz in
deren Weise werden dem Leser die handelnden Personen und das Publikum
beschriebe», die Personen erscheinen wie die Thpen der Pantomime oder der
Oper. Da ist die verfolgte Unschuld: die Angeklagte, der Intrigant: der
Staatsanwalt, der tapfre Ritter: der Verteidiger. Als edler Charakter nimmt
der Berichterstatter natürlich für die Berfolgten Partei, besonders für hübsche
Damen mit anrüchiger Vergangenheit; ist der faule Fleck an dem rotwangiger
Pfirsich (siehe Dumas) nicht mehr zu verstecken, so wird die menschliche Teil¬
nahme für die Unglückliche zur Schwärmerei. Aber sein ganzes Entzücken
pflegt der gewöhnlich stammverwandte Verteidiger zu sein. Wie elegant der
sein Klinge führt, wie geistreich er den Verfolger abtrumpft, ihn lächerlich
'nacht, das versetzt ihn in helle Begeisterung. Dafür wird für den Staats¬
anwalt der Pinsel in das schwärzeste Schwarz getaucht. Der Verabschennngs-
wnrdige ist aus eitel Bosheit und Blutdurst zusammengesetzt, ihm ist kein


GrenMen I 189L
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[0425] [Abbildung] Gerichtssaal und Presse aß öffentliche Gerichtsverhandlungen von manchen Blättern ledig¬ lich als Belustignngsstoff anaeseheu werden, ist nichts neues. Es begann das sofort uach .Einführung des öffentlichen Ver¬ fahrens. Da wurden Manieren, Dialekt, unbeholfne Ausdrucks¬ weise der Angeklagten, der Zeugen, der Streitenden „humoristisch" geschildert, und es ist vorgekommen, daß ein Berichterstatter komische Szene» erfand, wenn sie sich ihm 'nicht in erwünschter Fülle darboten. Das entsprach um zwar wenig dem Ernst der Sache, ist aber doch immer noch harmlos im Vergleich damit, daß sich in neuster Zeit Journalisten die höchste Instanz in der Beurteilung der Nechtsfälle und des Prozeßwesens anmaße». Man spürt, dus; sie ans der Schule der Theaterreferenten hervorgegangen sind; ganz in deren Weise werden dem Leser die handelnden Personen und das Publikum beschriebe», die Personen erscheinen wie die Thpen der Pantomime oder der Oper. Da ist die verfolgte Unschuld: die Angeklagte, der Intrigant: der Staatsanwalt, der tapfre Ritter: der Verteidiger. Als edler Charakter nimmt der Berichterstatter natürlich für die Berfolgten Partei, besonders für hübsche Damen mit anrüchiger Vergangenheit; ist der faule Fleck an dem rotwangiger Pfirsich (siehe Dumas) nicht mehr zu verstecken, so wird die menschliche Teil¬ nahme für die Unglückliche zur Schwärmerei. Aber sein ganzes Entzücken pflegt der gewöhnlich stammverwandte Verteidiger zu sein. Wie elegant der sein Klinge führt, wie geistreich er den Verfolger abtrumpft, ihn lächerlich 'nacht, das versetzt ihn in helle Begeisterung. Dafür wird für den Staats¬ anwalt der Pinsel in das schwärzeste Schwarz getaucht. Der Verabschennngs- wnrdige ist aus eitel Bosheit und Blutdurst zusammengesetzt, ihm ist kein GrenMen I 189L

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/425>, abgerufen am 07.05.2024.