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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Bilder aus dem Universitätsleben
Wenn die Woge denn auch einen der Mnligen,
Wo er treulich getraut, schmeichelnd hinunterzieht,
Und die Stimme des Sängers
Nun in blauender Halle schweigt:
Wenn des Abends vorbei einer der Unser" kommt.
Wo der Bruder ihm sank, denket er manches wohl
An der warnenden Stelle,
Schweigt und gehet getrösteter.



Bilder aus dem Universitätsleben
7. Die Studentin

le sehen also, meine Herren, sagte Professor Knorre polternd,
indem er sich auf seinem Stuhl zurückkehrte und schnell einen
grimmigen Seitenblick auf die Bank der Hospitantinnen warf,
die Ansichten über das vielgerühmte Ewig-Weibliche gehen bei
den verschiednen Völkern weit aus einander. Das zu verfolgen,
für den vergleichenden Literarhistoriker eine sehr anziehende und dankbare
Aufgabe. Wir finden in allen Litteraturen neben den sinnlich überreizten
frischen Schmachthähnen, die unerschöpflich sind in den lächerlichsten Lob¬
preisungen des Weibes, auch vernünftig denkende Kraftgeister, die sich über
den wahren Wert und den im Grunde oft recht kläglichen Inhalt des schönen
Geschlechts nicht haben täuschen lassen. Ich habe Ihnen in voriger Stunde
eine reiche Auslese von Gedanken solcher Dichter und Philosophen vorgeführt
aus der griechischen, römischen, italienischen, französischen und englischen Lit¬
eratur. Ich will Ihnen zum Schluß der heutigen Vorlesung noch aus der
orientalischen eine zu unserm Thema gehörende Geschichte in freier Übersetzung
vortragen.

Man sah es dem alten Junggesellen und Weiberfeind deutlich an, mit
welchem Behagen er in diesem Kolleg die Schätze seiner Gelehrsamkeit aus¬
breitete. Er lockerte seinen Halskragen, fuhr sich mit der linken Hand lang¬
sam über den knrzgcschornen, grau schimmernden Vollbart, kniff das rechte
Auge etwas zu, denn rechts saßen die ihm unerwünschten zuhörenden Damen,
und sing an zu erzählen:

Ein Magier kam einst zu einem alten König und brachte ihm eine prüch-
t'ge Marmvrvase von gewaltiger Größe, ein Meisterstück der bildenden Kunst.
Der König ließ sie in einem Saal seines Schlosses aus ein Postament stellen,


Bilder aus dem Universitätsleben
Wenn die Woge denn auch einen der Mnligen,
Wo er treulich getraut, schmeichelnd hinunterzieht,
Und die Stimme des Sängers
Nun in blauender Halle schweigt:
Wenn des Abends vorbei einer der Unser» kommt.
Wo der Bruder ihm sank, denket er manches wohl
An der warnenden Stelle,
Schweigt und gehet getrösteter.



Bilder aus dem Universitätsleben
7. Die Studentin

le sehen also, meine Herren, sagte Professor Knorre polternd,
indem er sich auf seinem Stuhl zurückkehrte und schnell einen
grimmigen Seitenblick auf die Bank der Hospitantinnen warf,
die Ansichten über das vielgerühmte Ewig-Weibliche gehen bei
den verschiednen Völkern weit aus einander. Das zu verfolgen,
für den vergleichenden Literarhistoriker eine sehr anziehende und dankbare
Aufgabe. Wir finden in allen Litteraturen neben den sinnlich überreizten
frischen Schmachthähnen, die unerschöpflich sind in den lächerlichsten Lob¬
preisungen des Weibes, auch vernünftig denkende Kraftgeister, die sich über
den wahren Wert und den im Grunde oft recht kläglichen Inhalt des schönen
Geschlechts nicht haben täuschen lassen. Ich habe Ihnen in voriger Stunde
eine reiche Auslese von Gedanken solcher Dichter und Philosophen vorgeführt
aus der griechischen, römischen, italienischen, französischen und englischen Lit¬
eratur. Ich will Ihnen zum Schluß der heutigen Vorlesung noch aus der
orientalischen eine zu unserm Thema gehörende Geschichte in freier Übersetzung
vortragen.

Man sah es dem alten Junggesellen und Weiberfeind deutlich an, mit
welchem Behagen er in diesem Kolleg die Schätze seiner Gelehrsamkeit aus¬
breitete. Er lockerte seinen Halskragen, fuhr sich mit der linken Hand lang¬
sam über den knrzgcschornen, grau schimmernden Vollbart, kniff das rechte
Auge etwas zu, denn rechts saßen die ihm unerwünschten zuhörenden Damen,
und sing an zu erzählen:

Ein Magier kam einst zu einem alten König und brachte ihm eine prüch-
t'ge Marmvrvase von gewaltiger Größe, ein Meisterstück der bildenden Kunst.
Der König ließ sie in einem Saal seines Schlosses aus ein Postament stellen,


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[0181] Bilder aus dem Universitätsleben Wenn die Woge denn auch einen der Mnligen, Wo er treulich getraut, schmeichelnd hinunterzieht, Und die Stimme des Sängers Nun in blauender Halle schweigt: Wenn des Abends vorbei einer der Unser» kommt. Wo der Bruder ihm sank, denket er manches wohl An der warnenden Stelle, Schweigt und gehet getrösteter. Bilder aus dem Universitätsleben 7. Die Studentin le sehen also, meine Herren, sagte Professor Knorre polternd, indem er sich auf seinem Stuhl zurückkehrte und schnell einen grimmigen Seitenblick auf die Bank der Hospitantinnen warf, die Ansichten über das vielgerühmte Ewig-Weibliche gehen bei den verschiednen Völkern weit aus einander. Das zu verfolgen, für den vergleichenden Literarhistoriker eine sehr anziehende und dankbare Aufgabe. Wir finden in allen Litteraturen neben den sinnlich überreizten frischen Schmachthähnen, die unerschöpflich sind in den lächerlichsten Lob¬ preisungen des Weibes, auch vernünftig denkende Kraftgeister, die sich über den wahren Wert und den im Grunde oft recht kläglichen Inhalt des schönen Geschlechts nicht haben täuschen lassen. Ich habe Ihnen in voriger Stunde eine reiche Auslese von Gedanken solcher Dichter und Philosophen vorgeführt aus der griechischen, römischen, italienischen, französischen und englischen Lit¬ eratur. Ich will Ihnen zum Schluß der heutigen Vorlesung noch aus der orientalischen eine zu unserm Thema gehörende Geschichte in freier Übersetzung vortragen. Man sah es dem alten Junggesellen und Weiberfeind deutlich an, mit welchem Behagen er in diesem Kolleg die Schätze seiner Gelehrsamkeit aus¬ breitete. Er lockerte seinen Halskragen, fuhr sich mit der linken Hand lang¬ sam über den knrzgcschornen, grau schimmernden Vollbart, kniff das rechte Auge etwas zu, denn rechts saßen die ihm unerwünschten zuhörenden Damen, und sing an zu erzählen: Ein Magier kam einst zu einem alten König und brachte ihm eine prüch- t'ge Marmvrvase von gewaltiger Größe, ein Meisterstück der bildenden Kunst. Der König ließ sie in einem Saal seines Schlosses aus ein Postament stellen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/181>, abgerufen am 27.04.2024.