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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Reformen auf dem Gebiete der Interessenvertretungen

hat bereits wiederholt über die Grundzüge einer solchen Jnteressenorganisation
beraten, doch ist der Widerstand, den die landwirtschaftlichen Zentralvereine
einer solchen Umformung entgegensetzen, zur Zeit noch zu stark, als daß eine
durchgreifende Reform auf diesem Gebiete zu erwarten sein dürfte. Der Voll¬
ständigkeit wegen führen wir schließlich noch an, daß die Apothekenbesitzer in
jüngster Zeit ebenfalls eine besondre Standesvertretnng anstreben. Man sieht,
daß, wenn auch nicht eine einheitliche Reform der Interessenvertretung vom
Reiche oder von Preußen geplant ist, doch die ganze Frage zur Zeit aufge¬
rollt und in allen ihren Teilfragen in Angriff genommen ist.

Wenn wir uns nun auch deu Reformfrageu im einzelnen nicht eingehender
zuwenden können, so mochten wir doch wenigstens einige allgemeine Gesichts¬
punkte, die uns dafür beachtenswert erscheinen, hier andeuten.

Daß die Interessenvertretung am besten für den Umfang des ganzen
Reichs geordnet wird, erscheint uns eben so natürlich, wie die Forderung,
daß man sich dabei nicht auf die Handwerker- und Kleinhandelskammern be¬
schränken, sondern auch die jetzigen Handels- und Gewerbekammern in den
Bereich der Reichsgesetzgebung hereinziehen und schließlich auch den Verkehrs¬
gewerben, also namentlich der Schiffahrt, eine eigne Vertretung geben sollte.
Dann kann man aber schließlich auch die große Gruppe des Gast- und
Schankwirtschaftsgewerbes nicht unberücksichtigt lassen, die zu ihrer innern
Ausbildung einer geeigneten Organisation dringend bedarf. Wir werden
am Schlüsse unsrer Ausführungen einen kurzen Plan mitteilen, wie wir
uns für den Fall, daß nicht das Reich, sondern Preußen die Reorgani¬
sation aufnehmen würde, die Umgestaltung denken, indem wir uns dabei
natürlich nur auf die Grundzüge beschränken und die Möglichkeit wesentlicher
Abänderungen, auch innerhalb des Rahmens unsrer Vorschläge, gern zugeben.
Daß der gegenwärtige Zustand eiuer Abänderung bedürftig ist, wird wohl von
keiner Seite bestritten; wir werden uns daher auf Ausführungen beschränken,
die wir dem augenblicklichen Kampf in Schrift und Wort gegenüber für not¬
wendig und dringlich halten.

1. Reform der Handelskammern.

Daß sich die preußische Staats-
regierung mit der Absicht trägt, die Handelskammern demnächst in ihrer jetzigen
Verfassung abzuändern, haben wir schon erwähnt. Die Thatsache ist auch durch
wiederholte offizielle Auslassungen bestätigt worden. Doch scheint es sich nur
um eine solche Abänderung zu handeln, die innerhalb des jetzt geltenden Ge¬
setzes auf dem Verwaltungswege möglich ist, d. h. in der Hauptsache um
Festsetzung eines abgeänderten Wahlverfahrens. Wir können zwar noch nicht
übersehen, inwieweit eine Abtrennung der Kleiukanfleute aus den Handels¬
kammern möglich ist, doch würden wir eine Reform in der angedeuteten
Richtung an sich für zweckmäßig halten. Gleichzeitig hiermit sollten aber
einige andre notwendige Reformen vorgenommen werden, die sich nicht länger


Reformen auf dem Gebiete der Interessenvertretungen

hat bereits wiederholt über die Grundzüge einer solchen Jnteressenorganisation
beraten, doch ist der Widerstand, den die landwirtschaftlichen Zentralvereine
einer solchen Umformung entgegensetzen, zur Zeit noch zu stark, als daß eine
durchgreifende Reform auf diesem Gebiete zu erwarten sein dürfte. Der Voll¬
ständigkeit wegen führen wir schließlich noch an, daß die Apothekenbesitzer in
jüngster Zeit ebenfalls eine besondre Standesvertretnng anstreben. Man sieht,
daß, wenn auch nicht eine einheitliche Reform der Interessenvertretung vom
Reiche oder von Preußen geplant ist, doch die ganze Frage zur Zeit aufge¬
rollt und in allen ihren Teilfragen in Angriff genommen ist.

Wenn wir uns nun auch deu Reformfrageu im einzelnen nicht eingehender
zuwenden können, so mochten wir doch wenigstens einige allgemeine Gesichts¬
punkte, die uns dafür beachtenswert erscheinen, hier andeuten.

Daß die Interessenvertretung am besten für den Umfang des ganzen
Reichs geordnet wird, erscheint uns eben so natürlich, wie die Forderung,
daß man sich dabei nicht auf die Handwerker- und Kleinhandelskammern be¬
schränken, sondern auch die jetzigen Handels- und Gewerbekammern in den
Bereich der Reichsgesetzgebung hereinziehen und schließlich auch den Verkehrs¬
gewerben, also namentlich der Schiffahrt, eine eigne Vertretung geben sollte.
Dann kann man aber schließlich auch die große Gruppe des Gast- und
Schankwirtschaftsgewerbes nicht unberücksichtigt lassen, die zu ihrer innern
Ausbildung einer geeigneten Organisation dringend bedarf. Wir werden
am Schlüsse unsrer Ausführungen einen kurzen Plan mitteilen, wie wir
uns für den Fall, daß nicht das Reich, sondern Preußen die Reorgani¬
sation aufnehmen würde, die Umgestaltung denken, indem wir uns dabei
natürlich nur auf die Grundzüge beschränken und die Möglichkeit wesentlicher
Abänderungen, auch innerhalb des Rahmens unsrer Vorschläge, gern zugeben.
Daß der gegenwärtige Zustand eiuer Abänderung bedürftig ist, wird wohl von
keiner Seite bestritten; wir werden uns daher auf Ausführungen beschränken,
die wir dem augenblicklichen Kampf in Schrift und Wort gegenüber für not¬
wendig und dringlich halten.

1. Reform der Handelskammern.

Daß sich die preußische Staats-
regierung mit der Absicht trägt, die Handelskammern demnächst in ihrer jetzigen
Verfassung abzuändern, haben wir schon erwähnt. Die Thatsache ist auch durch
wiederholte offizielle Auslassungen bestätigt worden. Doch scheint es sich nur
um eine solche Abänderung zu handeln, die innerhalb des jetzt geltenden Ge¬
setzes auf dem Verwaltungswege möglich ist, d. h. in der Hauptsache um
Festsetzung eines abgeänderten Wahlverfahrens. Wir können zwar noch nicht
übersehen, inwieweit eine Abtrennung der Kleiukanfleute aus den Handels¬
kammern möglich ist, doch würden wir eine Reform in der angedeuteten
Richtung an sich für zweckmäßig halten. Gleichzeitig hiermit sollten aber
einige andre notwendige Reformen vorgenommen werden, die sich nicht länger


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[0062] Reformen auf dem Gebiete der Interessenvertretungen hat bereits wiederholt über die Grundzüge einer solchen Jnteressenorganisation beraten, doch ist der Widerstand, den die landwirtschaftlichen Zentralvereine einer solchen Umformung entgegensetzen, zur Zeit noch zu stark, als daß eine durchgreifende Reform auf diesem Gebiete zu erwarten sein dürfte. Der Voll¬ ständigkeit wegen führen wir schließlich noch an, daß die Apothekenbesitzer in jüngster Zeit ebenfalls eine besondre Standesvertretnng anstreben. Man sieht, daß, wenn auch nicht eine einheitliche Reform der Interessenvertretung vom Reiche oder von Preußen geplant ist, doch die ganze Frage zur Zeit aufge¬ rollt und in allen ihren Teilfragen in Angriff genommen ist. Wenn wir uns nun auch deu Reformfrageu im einzelnen nicht eingehender zuwenden können, so mochten wir doch wenigstens einige allgemeine Gesichts¬ punkte, die uns dafür beachtenswert erscheinen, hier andeuten. Daß die Interessenvertretung am besten für den Umfang des ganzen Reichs geordnet wird, erscheint uns eben so natürlich, wie die Forderung, daß man sich dabei nicht auf die Handwerker- und Kleinhandelskammern be¬ schränken, sondern auch die jetzigen Handels- und Gewerbekammern in den Bereich der Reichsgesetzgebung hereinziehen und schließlich auch den Verkehrs¬ gewerben, also namentlich der Schiffahrt, eine eigne Vertretung geben sollte. Dann kann man aber schließlich auch die große Gruppe des Gast- und Schankwirtschaftsgewerbes nicht unberücksichtigt lassen, die zu ihrer innern Ausbildung einer geeigneten Organisation dringend bedarf. Wir werden am Schlüsse unsrer Ausführungen einen kurzen Plan mitteilen, wie wir uns für den Fall, daß nicht das Reich, sondern Preußen die Reorgani¬ sation aufnehmen würde, die Umgestaltung denken, indem wir uns dabei natürlich nur auf die Grundzüge beschränken und die Möglichkeit wesentlicher Abänderungen, auch innerhalb des Rahmens unsrer Vorschläge, gern zugeben. Daß der gegenwärtige Zustand eiuer Abänderung bedürftig ist, wird wohl von keiner Seite bestritten; wir werden uns daher auf Ausführungen beschränken, die wir dem augenblicklichen Kampf in Schrift und Wort gegenüber für not¬ wendig und dringlich halten. 1. Reform der Handelskammern. Daß sich die preußische Staats- regierung mit der Absicht trägt, die Handelskammern demnächst in ihrer jetzigen Verfassung abzuändern, haben wir schon erwähnt. Die Thatsache ist auch durch wiederholte offizielle Auslassungen bestätigt worden. Doch scheint es sich nur um eine solche Abänderung zu handeln, die innerhalb des jetzt geltenden Ge¬ setzes auf dem Verwaltungswege möglich ist, d. h. in der Hauptsache um Festsetzung eines abgeänderten Wahlverfahrens. Wir können zwar noch nicht übersehen, inwieweit eine Abtrennung der Kleiukanfleute aus den Handels¬ kammern möglich ist, doch würden wir eine Reform in der angedeuteten Richtung an sich für zweckmäßig halten. Gleichzeitig hiermit sollten aber einige andre notwendige Reformen vorgenommen werden, die sich nicht länger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/62>, abgerufen am 27.04.2024.