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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Überweisungen von Staatseinkünften

taatsmittel zu "überweisen" ist in den letzten Jahren eine sehr
beliebte gesetzgeberische Maßregel geworden. Es ist leicht zu be¬
greifen, warum. Es ist eine Maßregel, mit der sich bequem
rechnen läßt. Man "überweist," und man ist fertig. Bei der Fülle
gesetzgeberischer Aufgaben, mit denen man beschäftigt ist, ist ein
abgekürztes Verfahren immer erwünscht. Wie sich die Sache in: einzelnen
gestaltet, wie oder ob das überwiesene Geld an die richtige Stelle kommt,
damit braucht man sich nicht aufzuhalten. Das überlüßt man der Selbstver¬
waltung, die sich nach einer noch immer gern geglaubten Legende "glänzend
bewährt" hat.

Die Zeit der "Überweisungen" beginnt mit der "Isx Hueue," und diese
wiederum verdankt ihre Entstehung dem merkwürdigen Umstände, daß sich der
Staat Einnahmen schafft, die er gar nicht haben will. Der eigentliche Zweck
jeder staatlichen Auflage ist doch der, Geld zusammenzubringen, das zum all¬
gemeinen Nutzen verwendet werden soll. Die Kornzölle hatten diesen Zweck
nicht; sie wollten eine Zollschranke errichten. Dabei sprang nun ein Gewinn
von vierzig Millionen heraus. Diesen Gewinn wollte man dem Staate nicht
lassen, um ihn vor der Versuchung zu bewahren, die Gelder, die dawaren,
allzuleicht auszugeben. Da verteilte man sie an die Kreise. Ferner war die
Absicht vorhanden, den Ackerbau zu unterstützen, ohne den Konsumenten zu
belasten. Der Sinn der "Isx Hume" war der: Wird durch den Ausschluß
des russischen Getreides der Brotpreis verteuert und springt dabei ein Gewinn
von so und so viel Millionen heraus, die verfügbar sind, so ist es recht und
billig, diese Gelder den Leuten zu geben, denen das Brot durch den Kornzoll
verteuert worden ist. Und so überwies man den Ertrag der Steuer an
die Kreise.


Grenzboten I l8W l4


Überweisungen von Staatseinkünften

taatsmittel zu „überweisen" ist in den letzten Jahren eine sehr
beliebte gesetzgeberische Maßregel geworden. Es ist leicht zu be¬
greifen, warum. Es ist eine Maßregel, mit der sich bequem
rechnen läßt. Man „überweist," und man ist fertig. Bei der Fülle
gesetzgeberischer Aufgaben, mit denen man beschäftigt ist, ist ein
abgekürztes Verfahren immer erwünscht. Wie sich die Sache in: einzelnen
gestaltet, wie oder ob das überwiesene Geld an die richtige Stelle kommt,
damit braucht man sich nicht aufzuhalten. Das überlüßt man der Selbstver¬
waltung, die sich nach einer noch immer gern geglaubten Legende „glänzend
bewährt" hat.

Die Zeit der „Überweisungen" beginnt mit der „Isx Hueue," und diese
wiederum verdankt ihre Entstehung dem merkwürdigen Umstände, daß sich der
Staat Einnahmen schafft, die er gar nicht haben will. Der eigentliche Zweck
jeder staatlichen Auflage ist doch der, Geld zusammenzubringen, das zum all¬
gemeinen Nutzen verwendet werden soll. Die Kornzölle hatten diesen Zweck
nicht; sie wollten eine Zollschranke errichten. Dabei sprang nun ein Gewinn
von vierzig Millionen heraus. Diesen Gewinn wollte man dem Staate nicht
lassen, um ihn vor der Versuchung zu bewahren, die Gelder, die dawaren,
allzuleicht auszugeben. Da verteilte man sie an die Kreise. Ferner war die
Absicht vorhanden, den Ackerbau zu unterstützen, ohne den Konsumenten zu
belasten. Der Sinn der „Isx Hume" war der: Wird durch den Ausschluß
des russischen Getreides der Brotpreis verteuert und springt dabei ein Gewinn
von so und so viel Millionen heraus, die verfügbar sind, so ist es recht und
billig, diese Gelder den Leuten zu geben, denen das Brot durch den Kornzoll
verteuert worden ist. Und so überwies man den Ertrag der Steuer an
die Kreise.


Grenzboten I l8W l4
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[0115] [Abbildung] Überweisungen von Staatseinkünften taatsmittel zu „überweisen" ist in den letzten Jahren eine sehr beliebte gesetzgeberische Maßregel geworden. Es ist leicht zu be¬ greifen, warum. Es ist eine Maßregel, mit der sich bequem rechnen läßt. Man „überweist," und man ist fertig. Bei der Fülle gesetzgeberischer Aufgaben, mit denen man beschäftigt ist, ist ein abgekürztes Verfahren immer erwünscht. Wie sich die Sache in: einzelnen gestaltet, wie oder ob das überwiesene Geld an die richtige Stelle kommt, damit braucht man sich nicht aufzuhalten. Das überlüßt man der Selbstver¬ waltung, die sich nach einer noch immer gern geglaubten Legende „glänzend bewährt" hat. Die Zeit der „Überweisungen" beginnt mit der „Isx Hueue," und diese wiederum verdankt ihre Entstehung dem merkwürdigen Umstände, daß sich der Staat Einnahmen schafft, die er gar nicht haben will. Der eigentliche Zweck jeder staatlichen Auflage ist doch der, Geld zusammenzubringen, das zum all¬ gemeinen Nutzen verwendet werden soll. Die Kornzölle hatten diesen Zweck nicht; sie wollten eine Zollschranke errichten. Dabei sprang nun ein Gewinn von vierzig Millionen heraus. Diesen Gewinn wollte man dem Staate nicht lassen, um ihn vor der Versuchung zu bewahren, die Gelder, die dawaren, allzuleicht auszugeben. Da verteilte man sie an die Kreise. Ferner war die Absicht vorhanden, den Ackerbau zu unterstützen, ohne den Konsumenten zu belasten. Der Sinn der „Isx Hume" war der: Wird durch den Ausschluß des russischen Getreides der Brotpreis verteuert und springt dabei ein Gewinn von so und so viel Millionen heraus, die verfügbar sind, so ist es recht und billig, diese Gelder den Leuten zu geben, denen das Brot durch den Kornzoll verteuert worden ist. Und so überwies man den Ertrag der Steuer an die Kreise. Grenzboten I l8W l4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/115>, abgerufen am 27.04.2024.