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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Überweisungen von ötaatsemknnften

Es fragt sich nur, ob man dabei die richtige Adresse gewählt hat. Die
ländliche ansässige Bevölkerung bedürfte einer Begünstigung überhaupt nicht,
denn sie kauft ihr Brot nicht, sie empfängt es in rmwrci,, wobei es gleichgültig
ist, ob das Korn teurer oder billiger ist. Sofern sie aber Korn verkauft,
bedürfte sie einer Zuwendung erst recht nicht, da sie dnrch die Kornzölle
bereits begünstigt worden war. Was die Überweisung der Gelder an die
Städte betrifft, so dürfte dadurch der kleine Mann, der sein Brot kauft, und
der es spürt, wenn das Pfund Brot um einige Pfennige teurer wird, schwerlich
entlastet worden sein. Vielleicht hat man mehr an einen mittelbaren Nutzen
gedacht, den der kleine Mann durch Einrichtung gemeinnütziger Unternehmungen
und Anstalten haben sollte. Aber dabei ist nicht einzusehen, warum solche
Dinge nicht ebensogut, wenn uicht noch besser, vom Staate in die Hand ge¬
nommen werden könnten wie vom Kreise. Es wäre schon darum besser ge¬
wesen, dein Staate die Ausführung zu überlasse", weil dann die Bedürsnisfrage
hätte ins Spiel gebracht werden können. So ist das Geld an bedürftige und
nicht bedürftige Kreise einfach nach der Kopfzahl gegeben und in einem Falle
wohl angebracht, in dem andern aber verschleudert worden.

Es wäre interessant, zu erfuhren, was man mit den zufolge der "l"zx
Hume" überwiesenen Geldern angefangen hat. Es wird behauptet, daß man
im Osten der Monarchie die Gelder vortrefflich zu Wegebesserungen und Brücken¬
bauten angewendet habe. Wo aber Wege und Brücken in Ordnung waren,
hat mau sich Luxusausgaben gestattet. Man hat gebant und zwar teuer und
unnötig. Besonders ist eine Reihe stolzer Kreishäuser entstanden. Ich könnte
ein solches nennen, das ein paarmal hunderttausend Mark gekostet hat -- der
Pferdestall des Herrn Landrat allein kostet sechzehntausend Mark --, das eine
prächtige Dienstwohnung enthält, das aussieht wie ein Schloß und nur deu
einen Mangel hat, daß es kein Krcishaus ist. Wenigstens ist der Sitzungs¬
saal so klein geraten, daß er die Kreisversammlung nicht faßt; die Herrn
wandern also hinüber nach dem Rathause. Das ist nur ein Beispiel; man
könnte ihrer viele bringen. Dem "Kreise" werden die Gelder überwiesen,
die "Kreise" geben sie aus; wenn aber eine Gemeinde kommt und eine Unter¬
stützung für ihre Aufgaben haben will, so heißt es: du kriegst nichts, du
bist noch nicht arm genug. Von fern besehen, macht es sich ganz schön,
wenn man sagt: die Gelder, die durch die Brotverteuerung gewonnen werden,
fließen an die Kreise zurück; aus der Nähe besehen, zeigt es sich, daß ein
großer Unterschied zwischen Kreis und Bevölkerung ist. Übrigens herrscht
darüber ziemliche Einstimmigkeit, daß die "lvx Hume" dringend einer Um¬
gestaltung bedürftig ist. Das beste würde sein, sie gänzlich aufzuheben.

Bei "Überweisungen" entsteht eine schlechte Finanzverwaltung. Schon
das ist vom Übel, daß die Höhe der überwiesenen Summen schwankt. Es ist
nicht möglich, sich wirtschaftlich einzurichte". Mau giebt aus, was man hat,


Überweisungen von ötaatsemknnften

Es fragt sich nur, ob man dabei die richtige Adresse gewählt hat. Die
ländliche ansässige Bevölkerung bedürfte einer Begünstigung überhaupt nicht,
denn sie kauft ihr Brot nicht, sie empfängt es in rmwrci,, wobei es gleichgültig
ist, ob das Korn teurer oder billiger ist. Sofern sie aber Korn verkauft,
bedürfte sie einer Zuwendung erst recht nicht, da sie dnrch die Kornzölle
bereits begünstigt worden war. Was die Überweisung der Gelder an die
Städte betrifft, so dürfte dadurch der kleine Mann, der sein Brot kauft, und
der es spürt, wenn das Pfund Brot um einige Pfennige teurer wird, schwerlich
entlastet worden sein. Vielleicht hat man mehr an einen mittelbaren Nutzen
gedacht, den der kleine Mann durch Einrichtung gemeinnütziger Unternehmungen
und Anstalten haben sollte. Aber dabei ist nicht einzusehen, warum solche
Dinge nicht ebensogut, wenn uicht noch besser, vom Staate in die Hand ge¬
nommen werden könnten wie vom Kreise. Es wäre schon darum besser ge¬
wesen, dein Staate die Ausführung zu überlasse», weil dann die Bedürsnisfrage
hätte ins Spiel gebracht werden können. So ist das Geld an bedürftige und
nicht bedürftige Kreise einfach nach der Kopfzahl gegeben und in einem Falle
wohl angebracht, in dem andern aber verschleudert worden.

Es wäre interessant, zu erfuhren, was man mit den zufolge der „l«zx
Hume" überwiesenen Geldern angefangen hat. Es wird behauptet, daß man
im Osten der Monarchie die Gelder vortrefflich zu Wegebesserungen und Brücken¬
bauten angewendet habe. Wo aber Wege und Brücken in Ordnung waren,
hat mau sich Luxusausgaben gestattet. Man hat gebant und zwar teuer und
unnötig. Besonders ist eine Reihe stolzer Kreishäuser entstanden. Ich könnte
ein solches nennen, das ein paarmal hunderttausend Mark gekostet hat — der
Pferdestall des Herrn Landrat allein kostet sechzehntausend Mark —, das eine
prächtige Dienstwohnung enthält, das aussieht wie ein Schloß und nur deu
einen Mangel hat, daß es kein Krcishaus ist. Wenigstens ist der Sitzungs¬
saal so klein geraten, daß er die Kreisversammlung nicht faßt; die Herrn
wandern also hinüber nach dem Rathause. Das ist nur ein Beispiel; man
könnte ihrer viele bringen. Dem „Kreise" werden die Gelder überwiesen,
die „Kreise" geben sie aus; wenn aber eine Gemeinde kommt und eine Unter¬
stützung für ihre Aufgaben haben will, so heißt es: du kriegst nichts, du
bist noch nicht arm genug. Von fern besehen, macht es sich ganz schön,
wenn man sagt: die Gelder, die durch die Brotverteuerung gewonnen werden,
fließen an die Kreise zurück; aus der Nähe besehen, zeigt es sich, daß ein
großer Unterschied zwischen Kreis und Bevölkerung ist. Übrigens herrscht
darüber ziemliche Einstimmigkeit, daß die „lvx Hume" dringend einer Um¬
gestaltung bedürftig ist. Das beste würde sein, sie gänzlich aufzuheben.

Bei „Überweisungen" entsteht eine schlechte Finanzverwaltung. Schon
das ist vom Übel, daß die Höhe der überwiesenen Summen schwankt. Es ist
nicht möglich, sich wirtschaftlich einzurichte». Mau giebt aus, was man hat,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/116>, abgerufen am 09.05.2024.