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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs

durch diesen Umstand der Wert des modernen Reichtums für Volk und Staat
noch zweifelhafter oder, wie andre lieber sagen werden, sein Unwert noch
unzweifelhafter.

Sollte Professor Wolf unsre Ausführungen zufällig lesen, so würde er
es sich vielleicht doch noch überlegen, ob er in den spätern Auflagen seines
Buches den Satz stehen lassen soll: "Und wenn gleichzeitig die Spitze in die
Höhe wächst, so verschlägt das nichts."




Die Sprache
des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs
Walter Gensel von(Schluß)
3

crstöße gegen den Sprachgebrauch. Ju zahlreichen Fällen
setzt sich der Entwurf in Widerspruch zum Sprachgebrauch. Seine
sämtlichen Bestimmungen werden Vorschriften genannt. Er ent¬
hält jedoch viele Bestimmungen, in denen nichts vorgeschrieben,
sondern etwas gestattet, z. B. ein Thun oder Lassen in das Er¬
messen jemandes gestellt wird. Hier wäre doch zu sagen: Bestimmungen;
so auch da, wo eine Stelle Vorschriften und Bestimmungen andern Inhalts
enthält.

Andrerseits wendet der Entwurf das Wort bestimmen an, wo dafür zu
setzen wäre anordnen, verfügen oder nussprechen. So spricht er z. B.
in 1331 von einem die Wiederherstellung der eheliche" Nutznießung he"
stimmenden Urteile, ebenso in 1405 von einem die Auflösung der Güter¬
gemeinschaft bestimmenden Urteile; in 8 1449 heißt es sogar: "In jedem
Urteile, durch welches auf Scheidung erkannt wird, ist zugleich zu be¬
stimmen, daß der Ehegatte der schuldige Theil sei." während es sich doch
in den ersten beiden Fällen um Anordnungen, im letzten um einen Allsspruch,
um Feststellung einer Thatsache in Entscheidungsform handelt.

Was hat man sich vorzustellen unter einem Elternteil oder einem Gro߬
elternteil? Denkt man an die gebräuchlichen Wörter Kiudesteil oder Alten¬
teil, so könnte man wohl unter Elternteil einen Anteil verstehen, der den Eltern
zukommt oder angewiesen wird. Der Entwurf will aber unter Elternteil eines
der beiden Eltern verstanden wisse". Die Bezeichnung ist dem preußische"


Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs

durch diesen Umstand der Wert des modernen Reichtums für Volk und Staat
noch zweifelhafter oder, wie andre lieber sagen werden, sein Unwert noch
unzweifelhafter.

Sollte Professor Wolf unsre Ausführungen zufällig lesen, so würde er
es sich vielleicht doch noch überlegen, ob er in den spätern Auflagen seines
Buches den Satz stehen lassen soll: „Und wenn gleichzeitig die Spitze in die
Höhe wächst, so verschlägt das nichts."




Die Sprache
des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs
Walter Gensel von(Schluß)
3

crstöße gegen den Sprachgebrauch. Ju zahlreichen Fällen
setzt sich der Entwurf in Widerspruch zum Sprachgebrauch. Seine
sämtlichen Bestimmungen werden Vorschriften genannt. Er ent¬
hält jedoch viele Bestimmungen, in denen nichts vorgeschrieben,
sondern etwas gestattet, z. B. ein Thun oder Lassen in das Er¬
messen jemandes gestellt wird. Hier wäre doch zu sagen: Bestimmungen;
so auch da, wo eine Stelle Vorschriften und Bestimmungen andern Inhalts
enthält.

Andrerseits wendet der Entwurf das Wort bestimmen an, wo dafür zu
setzen wäre anordnen, verfügen oder nussprechen. So spricht er z. B.
in 1331 von einem die Wiederherstellung der eheliche» Nutznießung he«
stimmenden Urteile, ebenso in 1405 von einem die Auflösung der Güter¬
gemeinschaft bestimmenden Urteile; in 8 1449 heißt es sogar: „In jedem
Urteile, durch welches auf Scheidung erkannt wird, ist zugleich zu be¬
stimmen, daß der Ehegatte der schuldige Theil sei." während es sich doch
in den ersten beiden Fällen um Anordnungen, im letzten um einen Allsspruch,
um Feststellung einer Thatsache in Entscheidungsform handelt.

Was hat man sich vorzustellen unter einem Elternteil oder einem Gro߬
elternteil? Denkt man an die gebräuchlichen Wörter Kiudesteil oder Alten¬
teil, so könnte man wohl unter Elternteil einen Anteil verstehen, der den Eltern
zukommt oder angewiesen wird. Der Entwurf will aber unter Elternteil eines
der beiden Eltern verstanden wisse». Die Bezeichnung ist dem preußische»


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[0233] Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs durch diesen Umstand der Wert des modernen Reichtums für Volk und Staat noch zweifelhafter oder, wie andre lieber sagen werden, sein Unwert noch unzweifelhafter. Sollte Professor Wolf unsre Ausführungen zufällig lesen, so würde er es sich vielleicht doch noch überlegen, ob er in den spätern Auflagen seines Buches den Satz stehen lassen soll: „Und wenn gleichzeitig die Spitze in die Höhe wächst, so verschlägt das nichts." Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs Walter Gensel von(Schluß) 3 crstöße gegen den Sprachgebrauch. Ju zahlreichen Fällen setzt sich der Entwurf in Widerspruch zum Sprachgebrauch. Seine sämtlichen Bestimmungen werden Vorschriften genannt. Er ent¬ hält jedoch viele Bestimmungen, in denen nichts vorgeschrieben, sondern etwas gestattet, z. B. ein Thun oder Lassen in das Er¬ messen jemandes gestellt wird. Hier wäre doch zu sagen: Bestimmungen; so auch da, wo eine Stelle Vorschriften und Bestimmungen andern Inhalts enthält. Andrerseits wendet der Entwurf das Wort bestimmen an, wo dafür zu setzen wäre anordnen, verfügen oder nussprechen. So spricht er z. B. in 1331 von einem die Wiederherstellung der eheliche» Nutznießung he« stimmenden Urteile, ebenso in 1405 von einem die Auflösung der Güter¬ gemeinschaft bestimmenden Urteile; in 8 1449 heißt es sogar: „In jedem Urteile, durch welches auf Scheidung erkannt wird, ist zugleich zu be¬ stimmen, daß der Ehegatte der schuldige Theil sei." während es sich doch in den ersten beiden Fällen um Anordnungen, im letzten um einen Allsspruch, um Feststellung einer Thatsache in Entscheidungsform handelt. Was hat man sich vorzustellen unter einem Elternteil oder einem Gro߬ elternteil? Denkt man an die gebräuchlichen Wörter Kiudesteil oder Alten¬ teil, so könnte man wohl unter Elternteil einen Anteil verstehen, der den Eltern zukommt oder angewiesen wird. Der Entwurf will aber unter Elternteil eines der beiden Eltern verstanden wisse». Die Bezeichnung ist dem preußische»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/233>, abgerufen am 27.04.2024.