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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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jeldzugsbriefe
^ Aus dein Feldzuge in Schleswig-Holstein

l
e nachfolgenden von mir geschriebnen Briefe habe ich im Nach¬
laß eines von mir hochverehrten Oheims wiedergefunden. Der
alte Soldat, der mir den früh Verlornen Vater ersetzte, nahm
großen Anteil an mir, namentlich in den Kriegszeiten. So
schrieb ich ihm denn oft unmittelbar nach Gefechten oder sonstigen
wichtigern Ereignissen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß mir dabei Irr¬
tümer in der Beurteilung der allgemeinen Lage und in der Mitteilung
von Gerüchten untergelaufen sind. Dennoch habe ich nichts an den Briefen
geändert, um so weniger, als sie den ersten Eindruck und die allgemeine
Stimmung wiedergeben, und ich versichern kaun, daß das von mir selbst Er¬
R. S. lebte mit der strengste" Wahrheit geschildert ist.

1

Knlleby bei Uensburg, 9. Februar 1864

Lieber Onkel, gestern vor drei Wochen sind wir aus Wusterhausen ausgerückt
und stehen heute in der Nähe von Flensborg an der gleichnamigen Föhrdc. Du
wirst ans den Zeitungen mehr wissen als wir, ich will dir nur einiges mitteilen,
was unser Regiment und mich betrifft. Im allgemeinen sind wir unter namen¬
losen Anstrengungen, ohne irgend eine ruhmvolle That, bis hierher marschirt, und nur
dazu scheinen wir hier zu sein, um der Infanterie und Artillerie die Wege zu
versperren und auf den spiegelglatten Wegen zu stürzen. Ich habe natürlich nicht
Platz und Zeit, dir hierin alles zu schildern, doch versichre ich dich, daß die ältesten
Offiziere solche Anstrengungen für unerhört erklären. Jetzt schneit es seit mehreren
Tagen unaufhörlich, die Straßen zwischen den Knicks liegen so voll Schnee, daß
unsre Pferde mit der Brust daran stoßen. Gestern und heute habe" wir Ruhe;
ich liege mit noch drei Offizieren bei einem sehr reichen Bauer, und da, Gott Lob.
gestern unsre Bagage wieder zu uns gestoßen ist, so konnte man sich etwas restau-
riren. Du wirst gelesen haben, daß durch unsre Umgehung über Amis der Prinz
die Dänen genötigt hatte, die Dcmnewirke und die Position bei Missunde zu räumen,
nachdem bei letztem Orte von uns mit vielen Opfern wenig gewonnen war. Eine
Eskadron Von uns stand dort in einem hageldichten Kartätschenfeuer, doch wurde,
da die Dänen zu hoch schössen, nur ein Mann am Knie verwundet. Wir, unser
Regiment, sind über die Eider als Avantgarde gegangen und nahmen einige Dra¬
goner gefangen, bei der Schlei fanden wir gar keinen Widerstand. Die einzige
Gelegenheit, wo ich die Granaten habe pfeifen hören, war beim Eckcrnförder Busen,




jeldzugsbriefe
^ Aus dein Feldzuge in Schleswig-Holstein

l
e nachfolgenden von mir geschriebnen Briefe habe ich im Nach¬
laß eines von mir hochverehrten Oheims wiedergefunden. Der
alte Soldat, der mir den früh Verlornen Vater ersetzte, nahm
großen Anteil an mir, namentlich in den Kriegszeiten. So
schrieb ich ihm denn oft unmittelbar nach Gefechten oder sonstigen
wichtigern Ereignissen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß mir dabei Irr¬
tümer in der Beurteilung der allgemeinen Lage und in der Mitteilung
von Gerüchten untergelaufen sind. Dennoch habe ich nichts an den Briefen
geändert, um so weniger, als sie den ersten Eindruck und die allgemeine
Stimmung wiedergeben, und ich versichern kaun, daß das von mir selbst Er¬
R. S. lebte mit der strengste» Wahrheit geschildert ist.

1

Knlleby bei Uensburg, 9. Februar 1864

Lieber Onkel, gestern vor drei Wochen sind wir aus Wusterhausen ausgerückt
und stehen heute in der Nähe von Flensborg an der gleichnamigen Föhrdc. Du
wirst ans den Zeitungen mehr wissen als wir, ich will dir nur einiges mitteilen,
was unser Regiment und mich betrifft. Im allgemeinen sind wir unter namen¬
losen Anstrengungen, ohne irgend eine ruhmvolle That, bis hierher marschirt, und nur
dazu scheinen wir hier zu sein, um der Infanterie und Artillerie die Wege zu
versperren und auf den spiegelglatten Wegen zu stürzen. Ich habe natürlich nicht
Platz und Zeit, dir hierin alles zu schildern, doch versichre ich dich, daß die ältesten
Offiziere solche Anstrengungen für unerhört erklären. Jetzt schneit es seit mehreren
Tagen unaufhörlich, die Straßen zwischen den Knicks liegen so voll Schnee, daß
unsre Pferde mit der Brust daran stoßen. Gestern und heute habe» wir Ruhe;
ich liege mit noch drei Offizieren bei einem sehr reichen Bauer, und da, Gott Lob.
gestern unsre Bagage wieder zu uns gestoßen ist, so konnte man sich etwas restau-
riren. Du wirst gelesen haben, daß durch unsre Umgehung über Amis der Prinz
die Dänen genötigt hatte, die Dcmnewirke und die Position bei Missunde zu räumen,
nachdem bei letztem Orte von uns mit vielen Opfern wenig gewonnen war. Eine
Eskadron Von uns stand dort in einem hageldichten Kartätschenfeuer, doch wurde,
da die Dänen zu hoch schössen, nur ein Mann am Knie verwundet. Wir, unser
Regiment, sind über die Eider als Avantgarde gegangen und nahmen einige Dra¬
goner gefangen, bei der Schlei fanden wir gar keinen Widerstand. Die einzige
Gelegenheit, wo ich die Granaten habe pfeifen hören, war beim Eckcrnförder Busen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/249>, abgerufen am 28.04.2024.