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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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(Lorisande
"Lharlotte Niese vontSchlus!)

" as junge Mädchen, das in halber Betäubung neben der Gräfin
gesessen hatte, wollte hastig aufstehen; aber ein flehender Blick
Fräulein Ahlborns hielt sie zurück. Die alte Dame hatte so
freundliche Angen, und diese baten so dringend: bleibe! daß die
Fremde keine Betrübnis erregen wollte. Auch war es noch er¬
frischend kühl uuter den Büschen, während die heiße Luft auf
dem Wasser zu zittern schien und kein Vogel zu hören war. Da war es nicht
allzu schwer, den bittenden Augen der Gesellschafterin nachzugeben.

Sie wird gleich aufwachen und weiter mit Ihnen sprechen, flüsterte Fräu¬
lein Ahlborn. Sie hat sich so lange Jahre nach Ihnen gesehnt, sie wird ruhig
werden, wenn sie Ihnen alles erzählt hat!

Wie kann sie sich nach mir sehnen? ich bin neunzehn Jahre alt, sagte
die Fremde verwirrt.

Die Gesellschafterin lächelte flüchtig. Ich will Ihnen später ein Bild
zeigen, Sie werden sich wundern, wie es Ihnen gleicht! Es stellt die wirkliche
Corisande vor, die Corisande --

Bei diesem Namen erwachte die Gräfin wieder.

Corisande! Wo bist du? rief sie angsterfüllt. Als sie aber das junge
Antlitz wieder erblickte, atmete sie beruhigt auf. Der minutenlange Schlaf
hatte sie erfrischt. Sie setzte sich höher in ihrem Rollstuhl und griff nach der
Hand des jungen Mädchens.

Du darfst uicht so bald fortgehen, Kleine, wie du es jetzt manchmal thust.
Als wenn wir uns gar nichts mehr zu erzählen Hütten! Ehemals stand dein
Mündchen nicht still, so viel wußtest du mir zu berichten, und nun sprichst
du oft kein Wort. Ich muß dir doch erzählen, was mir neulich träumte. Ein
dummer, thörichter Traum, in dem Alfred vorkam und auch du! Warte einen
Augenblick und gieb mir deine Hand, dann füllt mir alles wieder ein. Deine
Hände habe ich immer so gern angefaßt, sie sind so schlank gebant, es sind
vornehme Hände! Mein Gemahl sagte einmal von dir, du würdest nie etwas
häßliches, unreines damit festhalten.' Das war um ganz hübsch gesagt, aber
us ärgerte mich doch über seine Worte, weil er mich dabei so besonders ansah.
Auf mich kann er seine Bemerkung doch nicht beziehen, denn bis jetzt hat mir
Noch jedermann gesagt, ich wäre eine Schönheit. Und unrein -- pah. das
^se ein sehr geschmackloses Wort! Seine Exzellenz der Graf hat aber manchmal
eine sehr unangenehme Art mit mir zu sprechen, eine Art, die mich verletzt.
Deshalb mag er meinetwegen in sein Borstadthäuschen gehen! Zieh deine




(Lorisande
«Lharlotte Niese vontSchlus!)

» as junge Mädchen, das in halber Betäubung neben der Gräfin
gesessen hatte, wollte hastig aufstehen; aber ein flehender Blick
Fräulein Ahlborns hielt sie zurück. Die alte Dame hatte so
freundliche Angen, und diese baten so dringend: bleibe! daß die
Fremde keine Betrübnis erregen wollte. Auch war es noch er¬
frischend kühl uuter den Büschen, während die heiße Luft auf
dem Wasser zu zittern schien und kein Vogel zu hören war. Da war es nicht
allzu schwer, den bittenden Augen der Gesellschafterin nachzugeben.

Sie wird gleich aufwachen und weiter mit Ihnen sprechen, flüsterte Fräu¬
lein Ahlborn. Sie hat sich so lange Jahre nach Ihnen gesehnt, sie wird ruhig
werden, wenn sie Ihnen alles erzählt hat!

Wie kann sie sich nach mir sehnen? ich bin neunzehn Jahre alt, sagte
die Fremde verwirrt.

Die Gesellschafterin lächelte flüchtig. Ich will Ihnen später ein Bild
zeigen, Sie werden sich wundern, wie es Ihnen gleicht! Es stellt die wirkliche
Corisande vor, die Corisande —

Bei diesem Namen erwachte die Gräfin wieder.

Corisande! Wo bist du? rief sie angsterfüllt. Als sie aber das junge
Antlitz wieder erblickte, atmete sie beruhigt auf. Der minutenlange Schlaf
hatte sie erfrischt. Sie setzte sich höher in ihrem Rollstuhl und griff nach der
Hand des jungen Mädchens.

Du darfst uicht so bald fortgehen, Kleine, wie du es jetzt manchmal thust.
Als wenn wir uns gar nichts mehr zu erzählen Hütten! Ehemals stand dein
Mündchen nicht still, so viel wußtest du mir zu berichten, und nun sprichst
du oft kein Wort. Ich muß dir doch erzählen, was mir neulich träumte. Ein
dummer, thörichter Traum, in dem Alfred vorkam und auch du! Warte einen
Augenblick und gieb mir deine Hand, dann füllt mir alles wieder ein. Deine
Hände habe ich immer so gern angefaßt, sie sind so schlank gebant, es sind
vornehme Hände! Mein Gemahl sagte einmal von dir, du würdest nie etwas
häßliches, unreines damit festhalten.' Das war um ganz hübsch gesagt, aber
us ärgerte mich doch über seine Worte, weil er mich dabei so besonders ansah.
Auf mich kann er seine Bemerkung doch nicht beziehen, denn bis jetzt hat mir
Noch jedermann gesagt, ich wäre eine Schönheit. Und unrein — pah. das
^se ein sehr geschmackloses Wort! Seine Exzellenz der Graf hat aber manchmal
eine sehr unangenehme Art mit mir zu sprechen, eine Art, die mich verletzt.
Deshalb mag er meinetwegen in sein Borstadthäuschen gehen! Zieh deine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/503>, abgerufen am 28.04.2024.