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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Wir erfahren, daß auf eine Anregung ans China (!) hin die Grenzboten neuerdings in
ein Oldenburgisches Kasino eingedrungen sind. Es ist doch schön, wenn das Deutschtum in der
Fremde befruchtend auf die Heimat zurückwirkt. Wenn die alten Propheten die modernen
Verkehrsgelegenheitsn gehabt halten, was hätten sie im Vaterlande gegolten! Wir können stolz
sein, im Lichte unsrer Tage zu leben!




Osternkarten. Die Neujahrskarten werden wir glücklich nach und nach los. Das
paßt natürlich den Herren Fabrikanten nicht, sie zermartern sich den Kopf, wie sie den Aus¬
fall decken können, und da sind sie denn auf -- Osterkarten verfallen, oder vielmehr -- da bei
jeder neuen FnbrikatiouSdnmmheit doch auch wieder eine neue Sprachdummheit fein muß, --
auf "Osternkarten"; wahrscheinlich essen die Herren auch Osterncier, machen Pfingsienreiscn
und zünden sich Weihnachtenbäume an.

Ob sie richtig werden spekulirt haben? Schwerlich. Wir wenigstens können uns keinen
Menschen vorstellen, der eine "Osterukarte" kaufte, ebenso wenig einen, dem man durch Über¬
sendung einer "Osternkarte" ein Vergnügen machon könnte. Freilich gilt das auch von tau¬
send andern Dingen, die mau heutzutage hinter den großen Spiegelscheiben der Schaufenster
als "höchste Neuheit" angepriesen sieht. Hundertmal des Tages möchte man sich fragen: Wer
soll das nur lausen? Wem soll das nur gefallen? Wem soll es nur den geringsten Nutzen bringen
oder das geringste Vergnügen machen, es zu besitzen? Und denkt man denn gar nicht einmal
an die Gefahren, die mit dem massenhaften Ausstellen solches nichtsnutzigen Plunders verbunden
sind? an die Begehrlichkeit, den Neid, den Haß, die er in tausend Köpfen und Herzen erregt?





Georg Bötticher


Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marqnnrt in Leipzig
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Wir erfahren, daß auf eine Anregung ans China (!) hin die Grenzboten neuerdings in
ein Oldenburgisches Kasino eingedrungen sind. Es ist doch schön, wenn das Deutschtum in der
Fremde befruchtend auf die Heimat zurückwirkt. Wenn die alten Propheten die modernen
Verkehrsgelegenheitsn gehabt halten, was hätten sie im Vaterlande gegolten! Wir können stolz
sein, im Lichte unsrer Tage zu leben!




Osternkarten. Die Neujahrskarten werden wir glücklich nach und nach los. Das
paßt natürlich den Herren Fabrikanten nicht, sie zermartern sich den Kopf, wie sie den Aus¬
fall decken können, und da sind sie denn auf — Osterkarten verfallen, oder vielmehr — da bei
jeder neuen FnbrikatiouSdnmmheit doch auch wieder eine neue Sprachdummheit fein muß, —
auf „Osternkarten"; wahrscheinlich essen die Herren auch Osterncier, machen Pfingsienreiscn
und zünden sich Weihnachtenbäume an.

Ob sie richtig werden spekulirt haben? Schwerlich. Wir wenigstens können uns keinen
Menschen vorstellen, der eine „Osterukarte" kaufte, ebenso wenig einen, dem man durch Über¬
sendung einer „Osternkarte" ein Vergnügen machon könnte. Freilich gilt das auch von tau¬
send andern Dingen, die mau heutzutage hinter den großen Spiegelscheiben der Schaufenster
als „höchste Neuheit" angepriesen sieht. Hundertmal des Tages möchte man sich fragen: Wer
soll das nur lausen? Wem soll das nur gefallen? Wem soll es nur den geringsten Nutzen bringen
oder das geringste Vergnügen machen, es zu besitzen? Und denkt man denn gar nicht einmal
an die Gefahren, die mit dem massenhaften Ausstellen solches nichtsnutzigen Plunders verbunden
sind? an die Begehrlichkeit, den Neid, den Haß, die er in tausend Köpfen und Herzen erregt?





Georg Bötticher


Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marqnnrt in Leipzig
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[0201] B i s in a r et schwarzes Bret Wir erfahren, daß auf eine Anregung ans China (!) hin die Grenzboten neuerdings in ein Oldenburgisches Kasino eingedrungen sind. Es ist doch schön, wenn das Deutschtum in der Fremde befruchtend auf die Heimat zurückwirkt. Wenn die alten Propheten die modernen Verkehrsgelegenheitsn gehabt halten, was hätten sie im Vaterlande gegolten! Wir können stolz sein, im Lichte unsrer Tage zu leben! Osternkarten. Die Neujahrskarten werden wir glücklich nach und nach los. Das paßt natürlich den Herren Fabrikanten nicht, sie zermartern sich den Kopf, wie sie den Aus¬ fall decken können, und da sind sie denn auf — Osterkarten verfallen, oder vielmehr — da bei jeder neuen FnbrikatiouSdnmmheit doch auch wieder eine neue Sprachdummheit fein muß, — auf „Osternkarten"; wahrscheinlich essen die Herren auch Osterncier, machen Pfingsienreiscn und zünden sich Weihnachtenbäume an. Ob sie richtig werden spekulirt haben? Schwerlich. Wir wenigstens können uns keinen Menschen vorstellen, der eine „Osterukarte" kaufte, ebenso wenig einen, dem man durch Über¬ sendung einer „Osternkarte" ein Vergnügen machon könnte. Freilich gilt das auch von tau¬ send andern Dingen, die mau heutzutage hinter den großen Spiegelscheiben der Schaufenster als „höchste Neuheit" angepriesen sieht. Hundertmal des Tages möchte man sich fragen: Wer soll das nur lausen? Wem soll das nur gefallen? Wem soll es nur den geringsten Nutzen bringen oder das geringste Vergnügen machen, es zu besitzen? Und denkt man denn gar nicht einmal an die Gefahren, die mit dem massenhaften Ausstellen solches nichtsnutzigen Plunders verbunden sind? an die Begehrlichkeit, den Neid, den Haß, die er in tausend Köpfen und Herzen erregt? Georg Bötticher Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marqnnrt in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/201>, abgerufen am 06.05.2024.