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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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dabei, wo ein Festessen veranstaltet wird, ist ein fleißiger Theaterbesucher, soll
neuerdings auch bisweilen zu Pferde gesehen wurden sein -- natürlich nur auf
ärztlichen Rat -- und verschwindet jedes Jahr, sowie sein vierwöchiger Urlaub beginnt
-- natürlich ebenfalls auf ärztlichen Rat --, in eines der beliebten Modebäder.

Ich bin verheiratet und habe sechs Kinder, vier Sohne und zwei Töchter,
Von den Söhnen studieren zwei, einer steht im achten, der andre im vierten Se¬
mester; beide haben ihr Freiwilligenjahr hinter sich. Die beiden andern sind noch
auf dem Gymnasium, einer in Oberprima, der andre in Untersekunda, und werden
voraussichtlich auch als Freiwillige dienen -- müssen. Die beiden Mädchen gehen in
die Bürgerschule. Wir haben eine Wohnung von sechs Zimmern, meine Fran hält
sich ein Dienstmädchen und einen Tag um den andern für die Vormittagsstunden
noch eine andre weibliche Hilfe. In unsrer Kleidung wie in unserm Essen und
Trinken müssen wir uns die größte Sparsamkeit auferlegen, um nur einigermaßen
anständig auszukommen. Andre Kunstgenüsse, als die wir uns im Hause bereiten
-- die Kinder sind fast alle musikalisch --, kennen wir nicht. Meine Fran geht
zwei- oder dreimal jährlich ins Theater, die großen Jungen dann und wann in
eine Klassikervorstellung zu halben Preisen; ich komme das ganze Jahr nicht hinein.
Zu einem Pelze werde ichs wohl in meinem Leben nicht bringen, auch nie ein
Roß besteigen. Meine Jungen machen im Sommer je zwei und zwei eine acht¬
tägige Fußtour, ich selbst spanne mich dann auf etwa vierzehn Tage aus und sehe
mich in eine "Sommerfrische." Meine Frau erholt sich dadurch, daß sie uns auf
ein Paar Wochen los ist.

Nur in einem Punkte noch -- anßer der amtlichen Stellung und dem Ge¬
halt -- stehe ich meinem Kollegen Seh. vollständig gleich: ich habe die Ehre,
genan dieselben Staats- und städtischen Steuern z" bezahlen wie er.

Ist keine Hoffnung, daß sich die "ausgleichende Gerechtigkeit" mich einmal
über solchen Unsinn erbarmt?




schwarzes Bret

In Tübingen zeigt ein Privatdozent am dortigen schwarzen Bret an, welche "Eollegs"
er dieses Semester abhält. Wir übertragen das an unser schwarzes Bret für alle Verehrer
akademischer Kenntnisse im Deutschen.




Das Zollstück wolle (!) ans dem Großh. Steueramte hier in Empfang genommen werde".


Kaiser!. Postamt

Wenn gar noch die Zollstücke anfangen zu "wollen," dann werden die Zollfragen vollends
verwickelt werden.




Der Verlag von Robert Claußner in Leipzig kündigt unter dem Titel "Kaleidoskop"
neue Novellen von E. Merx an. In dem Prospekt sagt die Verlagshandlung sehr schön:

"Reiche Lebenserfahrungen mit scharfer Beobachtungsgabe verbunden, Gefühlstiefe und
feiner Humor mit Neigung und Talent befähigen den Autor, diese geistigen Besitztümer in
einfachen Erzählungen einem Leserkreise zu gute kommen zu lassen, dem nicht um sensationellen,
viel gebrauchten und verbrauchten Erfindungen gelegen ist, sondern an Charaktcrpersvulich-


dabei, wo ein Festessen veranstaltet wird, ist ein fleißiger Theaterbesucher, soll
neuerdings auch bisweilen zu Pferde gesehen wurden sein — natürlich nur auf
ärztlichen Rat — und verschwindet jedes Jahr, sowie sein vierwöchiger Urlaub beginnt
— natürlich ebenfalls auf ärztlichen Rat —, in eines der beliebten Modebäder.

Ich bin verheiratet und habe sechs Kinder, vier Sohne und zwei Töchter,
Von den Söhnen studieren zwei, einer steht im achten, der andre im vierten Se¬
mester; beide haben ihr Freiwilligenjahr hinter sich. Die beiden andern sind noch
auf dem Gymnasium, einer in Oberprima, der andre in Untersekunda, und werden
voraussichtlich auch als Freiwillige dienen — müssen. Die beiden Mädchen gehen in
die Bürgerschule. Wir haben eine Wohnung von sechs Zimmern, meine Fran hält
sich ein Dienstmädchen und einen Tag um den andern für die Vormittagsstunden
noch eine andre weibliche Hilfe. In unsrer Kleidung wie in unserm Essen und
Trinken müssen wir uns die größte Sparsamkeit auferlegen, um nur einigermaßen
anständig auszukommen. Andre Kunstgenüsse, als die wir uns im Hause bereiten
— die Kinder sind fast alle musikalisch —, kennen wir nicht. Meine Fran geht
zwei- oder dreimal jährlich ins Theater, die großen Jungen dann und wann in
eine Klassikervorstellung zu halben Preisen; ich komme das ganze Jahr nicht hinein.
Zu einem Pelze werde ichs wohl in meinem Leben nicht bringen, auch nie ein
Roß besteigen. Meine Jungen machen im Sommer je zwei und zwei eine acht¬
tägige Fußtour, ich selbst spanne mich dann auf etwa vierzehn Tage aus und sehe
mich in eine „Sommerfrische." Meine Frau erholt sich dadurch, daß sie uns auf
ein Paar Wochen los ist.

Nur in einem Punkte noch — anßer der amtlichen Stellung und dem Ge¬
halt — stehe ich meinem Kollegen Seh. vollständig gleich: ich habe die Ehre,
genan dieselben Staats- und städtischen Steuern z» bezahlen wie er.

Ist keine Hoffnung, daß sich die „ausgleichende Gerechtigkeit" mich einmal
über solchen Unsinn erbarmt?




schwarzes Bret

In Tübingen zeigt ein Privatdozent am dortigen schwarzen Bret an, welche „Eollegs"
er dieses Semester abhält. Wir übertragen das an unser schwarzes Bret für alle Verehrer
akademischer Kenntnisse im Deutschen.




Das Zollstück wolle (!) ans dem Großh. Steueramte hier in Empfang genommen werde».


Kaiser!. Postamt

Wenn gar noch die Zollstücke anfangen zu „wollen," dann werden die Zollfragen vollends
verwickelt werden.




Der Verlag von Robert Claußner in Leipzig kündigt unter dem Titel „Kaleidoskop"
neue Novellen von E. Merx an. In dem Prospekt sagt die Verlagshandlung sehr schön:

„Reiche Lebenserfahrungen mit scharfer Beobachtungsgabe verbunden, Gefühlstiefe und
feiner Humor mit Neigung und Talent befähigen den Autor, diese geistigen Besitztümer in
einfachen Erzählungen einem Leserkreise zu gute kommen zu lassen, dem nicht um sensationellen,
viel gebrauchten und verbrauchten Erfindungen gelegen ist, sondern an Charaktcrpersvulich-


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[0454] dabei, wo ein Festessen veranstaltet wird, ist ein fleißiger Theaterbesucher, soll neuerdings auch bisweilen zu Pferde gesehen wurden sein — natürlich nur auf ärztlichen Rat — und verschwindet jedes Jahr, sowie sein vierwöchiger Urlaub beginnt — natürlich ebenfalls auf ärztlichen Rat —, in eines der beliebten Modebäder. Ich bin verheiratet und habe sechs Kinder, vier Sohne und zwei Töchter, Von den Söhnen studieren zwei, einer steht im achten, der andre im vierten Se¬ mester; beide haben ihr Freiwilligenjahr hinter sich. Die beiden andern sind noch auf dem Gymnasium, einer in Oberprima, der andre in Untersekunda, und werden voraussichtlich auch als Freiwillige dienen — müssen. Die beiden Mädchen gehen in die Bürgerschule. Wir haben eine Wohnung von sechs Zimmern, meine Fran hält sich ein Dienstmädchen und einen Tag um den andern für die Vormittagsstunden noch eine andre weibliche Hilfe. In unsrer Kleidung wie in unserm Essen und Trinken müssen wir uns die größte Sparsamkeit auferlegen, um nur einigermaßen anständig auszukommen. Andre Kunstgenüsse, als die wir uns im Hause bereiten — die Kinder sind fast alle musikalisch —, kennen wir nicht. Meine Fran geht zwei- oder dreimal jährlich ins Theater, die großen Jungen dann und wann in eine Klassikervorstellung zu halben Preisen; ich komme das ganze Jahr nicht hinein. Zu einem Pelze werde ichs wohl in meinem Leben nicht bringen, auch nie ein Roß besteigen. Meine Jungen machen im Sommer je zwei und zwei eine acht¬ tägige Fußtour, ich selbst spanne mich dann auf etwa vierzehn Tage aus und sehe mich in eine „Sommerfrische." Meine Frau erholt sich dadurch, daß sie uns auf ein Paar Wochen los ist. Nur in einem Punkte noch — anßer der amtlichen Stellung und dem Ge¬ halt — stehe ich meinem Kollegen Seh. vollständig gleich: ich habe die Ehre, genan dieselben Staats- und städtischen Steuern z» bezahlen wie er. Ist keine Hoffnung, daß sich die „ausgleichende Gerechtigkeit" mich einmal über solchen Unsinn erbarmt? schwarzes Bret In Tübingen zeigt ein Privatdozent am dortigen schwarzen Bret an, welche „Eollegs" er dieses Semester abhält. Wir übertragen das an unser schwarzes Bret für alle Verehrer akademischer Kenntnisse im Deutschen. Das Zollstück wolle (!) ans dem Großh. Steueramte hier in Empfang genommen werde». Kaiser!. Postamt Wenn gar noch die Zollstücke anfangen zu „wollen," dann werden die Zollfragen vollends verwickelt werden. Der Verlag von Robert Claußner in Leipzig kündigt unter dem Titel „Kaleidoskop" neue Novellen von E. Merx an. In dem Prospekt sagt die Verlagshandlung sehr schön: „Reiche Lebenserfahrungen mit scharfer Beobachtungsgabe verbunden, Gefühlstiefe und feiner Humor mit Neigung und Talent befähigen den Autor, diese geistigen Besitztümer in einfachen Erzählungen einem Leserkreise zu gute kommen zu lassen, dem nicht um sensationellen, viel gebrauchten und verbrauchten Erfindungen gelegen ist, sondern an Charaktcrpersvulich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/454>, abgerufen am 04.05.2024.