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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

taten vergleiche, so ist er ordentlich eine Erquickung. Wie heißt er doch
eigentlich?

Utermvhlen, Tante.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Zur Währnngsfrcige.

Der neueste Erfolg des Herrn von Knrdorff zeigt
den staunende" Augen, welche Ninunsseu -- wenn auch nicht Silber, so doch Stimmung
herausgeschlagen werden können, wenn einflußreiche Männer 15 Jahre laug ein und
dieselben Behauptungen nilwöchentlich wiederholen. Nicht um die Bimetallisten zu
bekehre", sondern bloß um zu zeigen, daß wir in der agrarischen Sturmflut deu
Kopf oben behalten, wollen auch wir einmal in ein paar kurzen Leitsätzen wieder¬
holen, was wir bei verschiedne" Gelegenheiten ausführlicher über die Währungs¬
frage geschrieben haben.

Doppelwährung in dem Sinne, daß beide Edelmetalle Wertmaßstnbc wären,
giebt es nicht; von zwei Gütern, deren Werte sich nicht nach einer prästabilirten
Harmonie stets parallel verändern, kann immer nur eines Wertmaß sein. Wo
beide Metalle neben einander als anerkannte Zahlungsmittel gebraucht werden,
ist gewöhnlich das Silber Wertmaß, und das Gold hat ein wechselndes Agio.
Dieser Zustand hat keine Unbequemlichkeit, so lange das Wertverhältnis der beiden
Metalle nnr unbedeutend schwankt, aber er muß sehr unbequem werde" bei großen
Schwankungen, wo er allen Kauf- und Leihgeschäften den Charakter eines Hazard-
spiels aufprägt. Es wäre daher äußerst thöricht, thu im gegenwärtigen Augen¬
blick herbeizuführen, wo der Silberpreis stetig fällt. Wendet man ein. daß die
Nemonetisirung des Silbers den Preisfall aufhalten würde, so beweist Nordamerika,
wo der starke Verbrauch von Münzsilber die Silberproduktiou a"gespor"t und den
Preisfall verstärkt hat, das Gegenteil. Wendet man ein, nicht das Silber falle,
sondern das Gold steige im Preise, wie der Preisfall "aller Waren" beweise, so
widerspricht diese Behauptung den Thatsachen. Das Wertverhältnis zwischen dem
Golde und den wichtigsten Masseugüteriu Grund und Boden, Wohnnngsmiete,
Schuhwareu, Holz und Holzwaren, Fleisch, Milch und Butter, Eiern, hat sich in
den letzten Jahren nicht wesentlich geändert; hie und da sind die Preise dieser
Waren sogar aus offenkundiger Ursache", die mit der Währung nichts zu schaffe"
haben, ein wenig in die Höhe gegangen. Manche Waren, wie die Gewebe und
die Buntpapierfabrikate, werden stetig billiger, weil der Drink einer ungeheuer"
Konkurrenz zur Verbillignng der Produktion durch Vervollkommnung der Maschinerie
und äußerste Anspannung der Arbeitskraft zwingt. Das Getreide endlich sinkt im
Preise, weil der intensive Anbau im Inlande und der Raubbau in den Agrar-
staaten die Getreidemassen stetig vermehrt, während ihnen zugleich die Vervoll¬
kommnung der Verkehrsanstalten alle Märkte zugänglicher macht. Doch bleibt diese
Wirkung immer noch vom Wetter abhängig; daß selbst beim Zusanmienwirken jener
verbilligenden Ursachen nach schlechten Ernten, anch heute "och TeueruugSpreise
möglich sind, haben wir erst vor drei Jahren gesehen. Also das Wertverhältnis
des Goldes zur Gütermasse ist im großen und ganzen unverändert gebliebe", demnach


Maßgebliches und Unmaßgebliches

taten vergleiche, so ist er ordentlich eine Erquickung. Wie heißt er doch
eigentlich?

Utermvhlen, Tante.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Zur Währnngsfrcige.

Der neueste Erfolg des Herrn von Knrdorff zeigt
den staunende» Augen, welche Ninunsseu — wenn auch nicht Silber, so doch Stimmung
herausgeschlagen werden können, wenn einflußreiche Männer 15 Jahre laug ein und
dieselben Behauptungen nilwöchentlich wiederholen. Nicht um die Bimetallisten zu
bekehre», sondern bloß um zu zeigen, daß wir in der agrarischen Sturmflut deu
Kopf oben behalten, wollen auch wir einmal in ein paar kurzen Leitsätzen wieder¬
holen, was wir bei verschiedne» Gelegenheiten ausführlicher über die Währungs¬
frage geschrieben haben.

Doppelwährung in dem Sinne, daß beide Edelmetalle Wertmaßstnbc wären,
giebt es nicht; von zwei Gütern, deren Werte sich nicht nach einer prästabilirten
Harmonie stets parallel verändern, kann immer nur eines Wertmaß sein. Wo
beide Metalle neben einander als anerkannte Zahlungsmittel gebraucht werden,
ist gewöhnlich das Silber Wertmaß, und das Gold hat ein wechselndes Agio.
Dieser Zustand hat keine Unbequemlichkeit, so lange das Wertverhältnis der beiden
Metalle nnr unbedeutend schwankt, aber er muß sehr unbequem werde» bei großen
Schwankungen, wo er allen Kauf- und Leihgeschäften den Charakter eines Hazard-
spiels aufprägt. Es wäre daher äußerst thöricht, thu im gegenwärtigen Augen¬
blick herbeizuführen, wo der Silberpreis stetig fällt. Wendet man ein. daß die
Nemonetisirung des Silbers den Preisfall aufhalten würde, so beweist Nordamerika,
wo der starke Verbrauch von Münzsilber die Silberproduktiou a»gespor»t und den
Preisfall verstärkt hat, das Gegenteil. Wendet man ein, nicht das Silber falle,
sondern das Gold steige im Preise, wie der Preisfall „aller Waren" beweise, so
widerspricht diese Behauptung den Thatsachen. Das Wertverhältnis zwischen dem
Golde und den wichtigsten Masseugüteriu Grund und Boden, Wohnnngsmiete,
Schuhwareu, Holz und Holzwaren, Fleisch, Milch und Butter, Eiern, hat sich in
den letzten Jahren nicht wesentlich geändert; hie und da sind die Preise dieser
Waren sogar aus offenkundiger Ursache», die mit der Währung nichts zu schaffe»
haben, ein wenig in die Höhe gegangen. Manche Waren, wie die Gewebe und
die Buntpapierfabrikate, werden stetig billiger, weil der Drink einer ungeheuer»
Konkurrenz zur Verbillignng der Produktion durch Vervollkommnung der Maschinerie
und äußerste Anspannung der Arbeitskraft zwingt. Das Getreide endlich sinkt im
Preise, weil der intensive Anbau im Inlande und der Raubbau in den Agrar-
staaten die Getreidemassen stetig vermehrt, während ihnen zugleich die Vervoll¬
kommnung der Verkehrsanstalten alle Märkte zugänglicher macht. Doch bleibt diese
Wirkung immer noch vom Wetter abhängig; daß selbst beim Zusanmienwirken jener
verbilligenden Ursachen nach schlechten Ernten, anch heute «och TeueruugSpreise
möglich sind, haben wir erst vor drei Jahren gesehen. Also das Wertverhältnis
des Goldes zur Gütermasse ist im großen und ganzen unverändert gebliebe», demnach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/440>, abgerufen am 28.04.2024.