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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Französische Marinelitteratur
Georg lvislicenus von

meer Marinelitteratur im engern Sinne verstehe ich den Teil der
vielseitigen nautischen Litteratur, der das Kunsthandwerk des
Kriegsschiffsbaus und die Wissenschaft der Seekriegführung be¬
handelt. An volkstümlicher novellistischer Marinelitteratur fehlt
es in keinem Lande, wo eS eine Kriegsflotte giebt. Anders steht
es mit der ernsten, besonders für Fachleute bestimmten Litteratur des See¬
kriegswesens; sie ist sogar in England schwach bestellt, und auch in Deutsch¬
land ist nur wenig davon vorhanden. In beiden Ländern begegnet man ihr
fast nur in Zeitschriften. In Frankreich dagegen ist das Seeoffizierkorps schon
lange daran gewöhnt, seine Ansichten über die Waffen und über die Grund¬
sätze der Seekriegführung in größern wissenschaftlichen Arbeiten auszusprechen;
auch wird dort die Seekriegsgeschichte und die Seefahrtkunde emsig durch litte¬
rarische Thätigkeit gefördert. Demgemäß steht auch die Belletristik, die das
Seeleben schildert, bei den Franzosen auf einer Höhe, wie sie seit Marrhat
und Cooper nirgends wieder erreicht worden ist. Man denke nur an den
herrlichen Roman Pierre Lotis "Die Jslandfischer" und an andre Werke
dieses mit Künstleraugen begabten Seeoffiziers. Gerühmt werden auch die
Seemannslieder von Mnu Nibor, dem oaMms-xovtö der französischen Marine.

Auf dem Gebiete der Seekriegsgeschichte ist vor allem der kürzlich ge¬
storbne Vizeadmiral Innen de la Gravic-re zu nennen. Seine Werke sind
mustergiltig. Das größte Lob errang seine kritische Beschreibung der Seekriege
zwischen England und Frankreich in den Jahren 1789 bis 1815. Von andern
französischen Mariuehistvrikern nenne ich noch den Lünenschiffsleutnant Loir,
dessen Hauptwerk über die französische Marine deren ruhmreiche Vergangen¬
heit schildert.


Grenzboten I 1835 56


Französische Marinelitteratur
Georg lvislicenus von

meer Marinelitteratur im engern Sinne verstehe ich den Teil der
vielseitigen nautischen Litteratur, der das Kunsthandwerk des
Kriegsschiffsbaus und die Wissenschaft der Seekriegführung be¬
handelt. An volkstümlicher novellistischer Marinelitteratur fehlt
es in keinem Lande, wo eS eine Kriegsflotte giebt. Anders steht
es mit der ernsten, besonders für Fachleute bestimmten Litteratur des See¬
kriegswesens; sie ist sogar in England schwach bestellt, und auch in Deutsch¬
land ist nur wenig davon vorhanden. In beiden Ländern begegnet man ihr
fast nur in Zeitschriften. In Frankreich dagegen ist das Seeoffizierkorps schon
lange daran gewöhnt, seine Ansichten über die Waffen und über die Grund¬
sätze der Seekriegführung in größern wissenschaftlichen Arbeiten auszusprechen;
auch wird dort die Seekriegsgeschichte und die Seefahrtkunde emsig durch litte¬
rarische Thätigkeit gefördert. Demgemäß steht auch die Belletristik, die das
Seeleben schildert, bei den Franzosen auf einer Höhe, wie sie seit Marrhat
und Cooper nirgends wieder erreicht worden ist. Man denke nur an den
herrlichen Roman Pierre Lotis „Die Jslandfischer" und an andre Werke
dieses mit Künstleraugen begabten Seeoffiziers. Gerühmt werden auch die
Seemannslieder von Mnu Nibor, dem oaMms-xovtö der französischen Marine.

Auf dem Gebiete der Seekriegsgeschichte ist vor allem der kürzlich ge¬
storbne Vizeadmiral Innen de la Gravic-re zu nennen. Seine Werke sind
mustergiltig. Das größte Lob errang seine kritische Beschreibung der Seekriege
zwischen England und Frankreich in den Jahren 1789 bis 1815. Von andern
französischen Mariuehistvrikern nenne ich noch den Lünenschiffsleutnant Loir,
dessen Hauptwerk über die französische Marine deren ruhmreiche Vergangen¬
heit schildert.


Grenzboten I 1835 56
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[0451] [Abbildung] Französische Marinelitteratur Georg lvislicenus von meer Marinelitteratur im engern Sinne verstehe ich den Teil der vielseitigen nautischen Litteratur, der das Kunsthandwerk des Kriegsschiffsbaus und die Wissenschaft der Seekriegführung be¬ handelt. An volkstümlicher novellistischer Marinelitteratur fehlt es in keinem Lande, wo eS eine Kriegsflotte giebt. Anders steht es mit der ernsten, besonders für Fachleute bestimmten Litteratur des See¬ kriegswesens; sie ist sogar in England schwach bestellt, und auch in Deutsch¬ land ist nur wenig davon vorhanden. In beiden Ländern begegnet man ihr fast nur in Zeitschriften. In Frankreich dagegen ist das Seeoffizierkorps schon lange daran gewöhnt, seine Ansichten über die Waffen und über die Grund¬ sätze der Seekriegführung in größern wissenschaftlichen Arbeiten auszusprechen; auch wird dort die Seekriegsgeschichte und die Seefahrtkunde emsig durch litte¬ rarische Thätigkeit gefördert. Demgemäß steht auch die Belletristik, die das Seeleben schildert, bei den Franzosen auf einer Höhe, wie sie seit Marrhat und Cooper nirgends wieder erreicht worden ist. Man denke nur an den herrlichen Roman Pierre Lotis „Die Jslandfischer" und an andre Werke dieses mit Künstleraugen begabten Seeoffiziers. Gerühmt werden auch die Seemannslieder von Mnu Nibor, dem oaMms-xovtö der französischen Marine. Auf dem Gebiete der Seekriegsgeschichte ist vor allem der kürzlich ge¬ storbne Vizeadmiral Innen de la Gravic-re zu nennen. Seine Werke sind mustergiltig. Das größte Lob errang seine kritische Beschreibung der Seekriege zwischen England und Frankreich in den Jahren 1789 bis 1815. Von andern französischen Mariuehistvrikern nenne ich noch den Lünenschiffsleutnant Loir, dessen Hauptwerk über die französische Marine deren ruhmreiche Vergangen¬ heit schildert. Grenzboten I 1835 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/451>, abgerufen am 28.04.2024.