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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sie wurde rot und sah ihn flehend an.

Wenn er aber nun -- sie stockte.

Frech wäre? vollendete Fritz. Dann würde man ihm eins auf die Nase
geben. So, wie er da angeschlichen kommt, sieht er mir aus, als wenn er
schon eins draufbekommen hätte. Hin?

Sie mußte lächeln. Ja, Fritz, aber -- sie hatte sich doch aufs neue
verfärbt.

Dann wäre ja die ganze Geschichte erledigt, sagte er ruhig.

Ich möchte aber doch nach Hause, bat sie wieder.

Er schüttelte den Kopf. Das wäre sehr auffallend, Kind. Von Stern-
feldts geht man nach uraltem Brauch nie vor zehn Uhr weg. Jetzt ist es
noch nicht halb acht. Welchen Vorwand sollte man nehmen?

Konnte man nicht sagen, ich wär unwohl?

Bist dus denn wirklich? Du hast wieder leidliche Farbe; du zitterst nicht
mehr. Fühlst du dich wirklich schlecht?

Nein, gestand sie ehrlich. Es war ihr ja an seinem Arm, unter seinen
Augen wieder wohl und warm geworden.

Nun, dann wollen wir doch mit so einem Vorwand nicht Komödie spielen.
Komm, sei munter. Es sind ja noch mehr Leute da. Die Frau Stallbohm
ist eine ganz gemütliche, lustige Frau; setz dich ein bischen zu der. Durch
solche Spaßvogel, wie der schwarzbärtige da hinten, durch die sieht man durch,
so bequem, daß man die Muster auf der Tapete zählen kann.

Sie nickte und ging mit ihm der Treppe zu. Auf der untersten Stufe
hielt sie an.

Und du fragst mich gar nichts? sagte sie weich, mit etwas unsichrer
Stimme, ich hab dir ja nichts erzählt.

Doch, Gretchen, sagte er ganz ernst und drückte ihre Hand, alles. Ich
höre auch "zwischen den Zeilen."

(Fortsepung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Zentrcilgenossenschaftskasse.

Als der Gesetzentwurf, betreffend die
Förderung des Genossenschaftskredits durch eine Zentralanstalt, erschienen war,
brachte die Kölnische Volkszeitung ein Gutachten ans der Feder eines Sachverstän¬
dige", das der Genossenschaftliche Wegweiser, der im Auftrag der Deutschen Zentral¬
genossenschaft herausgegeben wird, in Ur. 13 einfach abdruckte, anstatt ein
eignes Gutachten abzugeben. Wir können, um unsre Ansicht über die Angelegen¬
heit auszudrücken, ebenfalls nichts besseres thun, als wenigstens den Hauptinhalt
dieses Artikels mitteilen.

Nachdem der Plan der zu gründenden Anstalt und das Wesen der für den
ländlichen Kredit vorzugsweise in Betracht kommenden Raiffeisenkassen (wozu auch


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sie wurde rot und sah ihn flehend an.

Wenn er aber nun — sie stockte.

Frech wäre? vollendete Fritz. Dann würde man ihm eins auf die Nase
geben. So, wie er da angeschlichen kommt, sieht er mir aus, als wenn er
schon eins draufbekommen hätte. Hin?

Sie mußte lächeln. Ja, Fritz, aber — sie hatte sich doch aufs neue
verfärbt.

Dann wäre ja die ganze Geschichte erledigt, sagte er ruhig.

Ich möchte aber doch nach Hause, bat sie wieder.

Er schüttelte den Kopf. Das wäre sehr auffallend, Kind. Von Stern-
feldts geht man nach uraltem Brauch nie vor zehn Uhr weg. Jetzt ist es
noch nicht halb acht. Welchen Vorwand sollte man nehmen?

Konnte man nicht sagen, ich wär unwohl?

Bist dus denn wirklich? Du hast wieder leidliche Farbe; du zitterst nicht
mehr. Fühlst du dich wirklich schlecht?

Nein, gestand sie ehrlich. Es war ihr ja an seinem Arm, unter seinen
Augen wieder wohl und warm geworden.

Nun, dann wollen wir doch mit so einem Vorwand nicht Komödie spielen.
Komm, sei munter. Es sind ja noch mehr Leute da. Die Frau Stallbohm
ist eine ganz gemütliche, lustige Frau; setz dich ein bischen zu der. Durch
solche Spaßvogel, wie der schwarzbärtige da hinten, durch die sieht man durch,
so bequem, daß man die Muster auf der Tapete zählen kann.

Sie nickte und ging mit ihm der Treppe zu. Auf der untersten Stufe
hielt sie an.

Und du fragst mich gar nichts? sagte sie weich, mit etwas unsichrer
Stimme, ich hab dir ja nichts erzählt.

Doch, Gretchen, sagte er ganz ernst und drückte ihre Hand, alles. Ich
höre auch „zwischen den Zeilen."

(Fortsepung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Zentrcilgenossenschaftskasse.

Als der Gesetzentwurf, betreffend die
Förderung des Genossenschaftskredits durch eine Zentralanstalt, erschienen war,
brachte die Kölnische Volkszeitung ein Gutachten ans der Feder eines Sachverstän¬
dige», das der Genossenschaftliche Wegweiser, der im Auftrag der Deutschen Zentral¬
genossenschaft herausgegeben wird, in Ur. 13 einfach abdruckte, anstatt ein
eignes Gutachten abzugeben. Wir können, um unsre Ansicht über die Angelegen¬
heit auszudrücken, ebenfalls nichts besseres thun, als wenigstens den Hauptinhalt
dieses Artikels mitteilen.

Nachdem der Plan der zu gründenden Anstalt und das Wesen der für den
ländlichen Kredit vorzugsweise in Betracht kommenden Raiffeisenkassen (wozu auch


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[0203] Maßgebliches und Unmaßgebliches Sie wurde rot und sah ihn flehend an. Wenn er aber nun — sie stockte. Frech wäre? vollendete Fritz. Dann würde man ihm eins auf die Nase geben. So, wie er da angeschlichen kommt, sieht er mir aus, als wenn er schon eins draufbekommen hätte. Hin? Sie mußte lächeln. Ja, Fritz, aber — sie hatte sich doch aufs neue verfärbt. Dann wäre ja die ganze Geschichte erledigt, sagte er ruhig. Ich möchte aber doch nach Hause, bat sie wieder. Er schüttelte den Kopf. Das wäre sehr auffallend, Kind. Von Stern- feldts geht man nach uraltem Brauch nie vor zehn Uhr weg. Jetzt ist es noch nicht halb acht. Welchen Vorwand sollte man nehmen? Konnte man nicht sagen, ich wär unwohl? Bist dus denn wirklich? Du hast wieder leidliche Farbe; du zitterst nicht mehr. Fühlst du dich wirklich schlecht? Nein, gestand sie ehrlich. Es war ihr ja an seinem Arm, unter seinen Augen wieder wohl und warm geworden. Nun, dann wollen wir doch mit so einem Vorwand nicht Komödie spielen. Komm, sei munter. Es sind ja noch mehr Leute da. Die Frau Stallbohm ist eine ganz gemütliche, lustige Frau; setz dich ein bischen zu der. Durch solche Spaßvogel, wie der schwarzbärtige da hinten, durch die sieht man durch, so bequem, daß man die Muster auf der Tapete zählen kann. Sie nickte und ging mit ihm der Treppe zu. Auf der untersten Stufe hielt sie an. Und du fragst mich gar nichts? sagte sie weich, mit etwas unsichrer Stimme, ich hab dir ja nichts erzählt. Doch, Gretchen, sagte er ganz ernst und drückte ihre Hand, alles. Ich höre auch „zwischen den Zeilen." (Fortsepung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Zentrcilgenossenschaftskasse. Als der Gesetzentwurf, betreffend die Förderung des Genossenschaftskredits durch eine Zentralanstalt, erschienen war, brachte die Kölnische Volkszeitung ein Gutachten ans der Feder eines Sachverstän¬ dige», das der Genossenschaftliche Wegweiser, der im Auftrag der Deutschen Zentral¬ genossenschaft herausgegeben wird, in Ur. 13 einfach abdruckte, anstatt ein eignes Gutachten abzugeben. Wir können, um unsre Ansicht über die Angelegen¬ heit auszudrücken, ebenfalls nichts besseres thun, als wenigstens den Hauptinhalt dieses Artikels mitteilen. Nachdem der Plan der zu gründenden Anstalt und das Wesen der für den ländlichen Kredit vorzugsweise in Betracht kommenden Raiffeisenkassen (wozu auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/203>, abgerufen am 28.04.2024.