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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

Bähr kommt zu folgenden Schlüssen: berechtigte Eigentümlichkeiten scheine man in
Hessen gar nicht gefunden zu haben, und auch das, Was man recht gut habe er¬
halten können, sei in den Händen der ausführenden preußischen Beamten auf das
niedrigste Maß zusammengeschrumpft. Kurhessen habe fast in allen Beziehungen
das Gegenteil von dem erhalten, was es bisher gehabt habe; der König und Bis-
marck hatten zu fern gestanden, als daß sie alles hätten überblicken können.

In dem Schlußworte kommt Bähr auf den schlimmen Rückgang Kurhesseus
auf dem Gebiete der Justiz zu sprechen und macht auf den Unterschied zwischen
dem hessischen und dem Preußischen Liberalismus aufmerksam; der preußische habe
den Vertretern Hessens im Abgeordnetenhause kaum beigestanden in ihrem Ent¬
gegenkommen gegen die Absichten der Negierung, die aus der Diktaturzeit her¬
rührenden Mißstände zu beseitigen. Aber trotz manches Schmerzlichen, was Hessen
nach dem Ende seiner Selbständigkeit erfahren habe, hätte sich die Bevölkerung doch
nicht derart verbittern lassen, daß sie dem nationalen Gedanken untreu geworden
wäre. Aus der ganzen Schrift wird man den Eindruck gewinnen, daß die Hessen
trotz alles Partikularismusgeschreis die Liebe zur Heimat mit deutschem Patrio¬
tismus sehr wohl zu vereinigen wissen.




Litteratur

Vou Meyers Schweiz") ist in diesem Jahre die vierzehnte Auflage er¬
schienen. Das ist eine Thatsache, die eine weitere Empfehlung überflüssig macht.
Wie alle "Meyer" widmet auch diese "Schweiz" deu Städten mit ihren Samm¬
lungen u. f. w., dann den großen Fremdenplätzen und Thalstationen besondre Auf¬
merksamkeit. Es ist aber mit jeder Auflage auch auf die eigentlichen Bergwande¬
rungen größeres Gewicht gelegt worden, und gerade die Wegbeschreibungen in den
Hochregionen finden wir da, wo wir sie mit eignen Erfahrungen vergleichen können,
vortrefflich. Ein einziges Gebiet finden wir etwas stiefmütterlich behandelt, den
Jura, besonders den westlichen. Sollte ihm nicht ein eignes kleines Kapitel ge¬
widmet werden können? Seine Reize sind jn den Alpen gegenüber klein, aber
er hat immer den Vorzug, die kleinen intimen Schönheiten mit den herrlichsten
Blicken in die Alpen zu verbinden und ein Gebirge für stille Leute zu sein, die
den Touristenschwärmen aus dem Wege gehen wollen. -- Die Kärtchen sind vor¬
züglich gezeichnet.








Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
*) Mit 21 Karten, 9 Plänen und 27 Panoramen.
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Bähr kommt zu folgenden Schlüssen: berechtigte Eigentümlichkeiten scheine man in
Hessen gar nicht gefunden zu haben, und auch das, Was man recht gut habe er¬
halten können, sei in den Händen der ausführenden preußischen Beamten auf das
niedrigste Maß zusammengeschrumpft. Kurhessen habe fast in allen Beziehungen
das Gegenteil von dem erhalten, was es bisher gehabt habe; der König und Bis-
marck hatten zu fern gestanden, als daß sie alles hätten überblicken können.

In dem Schlußworte kommt Bähr auf den schlimmen Rückgang Kurhesseus
auf dem Gebiete der Justiz zu sprechen und macht auf den Unterschied zwischen
dem hessischen und dem Preußischen Liberalismus aufmerksam; der preußische habe
den Vertretern Hessens im Abgeordnetenhause kaum beigestanden in ihrem Ent¬
gegenkommen gegen die Absichten der Negierung, die aus der Diktaturzeit her¬
rührenden Mißstände zu beseitigen. Aber trotz manches Schmerzlichen, was Hessen
nach dem Ende seiner Selbständigkeit erfahren habe, hätte sich die Bevölkerung doch
nicht derart verbittern lassen, daß sie dem nationalen Gedanken untreu geworden
wäre. Aus der ganzen Schrift wird man den Eindruck gewinnen, daß die Hessen
trotz alles Partikularismusgeschreis die Liebe zur Heimat mit deutschem Patrio¬
tismus sehr wohl zu vereinigen wissen.




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Vou Meyers Schweiz") ist in diesem Jahre die vierzehnte Auflage er¬
schienen. Das ist eine Thatsache, die eine weitere Empfehlung überflüssig macht.
Wie alle „Meyer" widmet auch diese „Schweiz" deu Städten mit ihren Samm¬
lungen u. f. w., dann den großen Fremdenplätzen und Thalstationen besondre Auf¬
merksamkeit. Es ist aber mit jeder Auflage auch auf die eigentlichen Bergwande¬
rungen größeres Gewicht gelegt worden, und gerade die Wegbeschreibungen in den
Hochregionen finden wir da, wo wir sie mit eignen Erfahrungen vergleichen können,
vortrefflich. Ein einziges Gebiet finden wir etwas stiefmütterlich behandelt, den
Jura, besonders den westlichen. Sollte ihm nicht ein eignes kleines Kapitel ge¬
widmet werden können? Seine Reize sind jn den Alpen gegenüber klein, aber
er hat immer den Vorzug, die kleinen intimen Schönheiten mit den herrlichsten
Blicken in die Alpen zu verbinden und ein Gebirge für stille Leute zu sein, die
den Touristenschwärmen aus dem Wege gehen wollen. — Die Kärtchen sind vor¬
züglich gezeichnet.








Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
*) Mit 21 Karten, 9 Plänen und 27 Panoramen.
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[0208] Litteratur Bähr kommt zu folgenden Schlüssen: berechtigte Eigentümlichkeiten scheine man in Hessen gar nicht gefunden zu haben, und auch das, Was man recht gut habe er¬ halten können, sei in den Händen der ausführenden preußischen Beamten auf das niedrigste Maß zusammengeschrumpft. Kurhessen habe fast in allen Beziehungen das Gegenteil von dem erhalten, was es bisher gehabt habe; der König und Bis- marck hatten zu fern gestanden, als daß sie alles hätten überblicken können. In dem Schlußworte kommt Bähr auf den schlimmen Rückgang Kurhesseus auf dem Gebiete der Justiz zu sprechen und macht auf den Unterschied zwischen dem hessischen und dem Preußischen Liberalismus aufmerksam; der preußische habe den Vertretern Hessens im Abgeordnetenhause kaum beigestanden in ihrem Ent¬ gegenkommen gegen die Absichten der Negierung, die aus der Diktaturzeit her¬ rührenden Mißstände zu beseitigen. Aber trotz manches Schmerzlichen, was Hessen nach dem Ende seiner Selbständigkeit erfahren habe, hätte sich die Bevölkerung doch nicht derart verbittern lassen, daß sie dem nationalen Gedanken untreu geworden wäre. Aus der ganzen Schrift wird man den Eindruck gewinnen, daß die Hessen trotz alles Partikularismusgeschreis die Liebe zur Heimat mit deutschem Patrio¬ tismus sehr wohl zu vereinigen wissen. Litteratur Vou Meyers Schweiz") ist in diesem Jahre die vierzehnte Auflage er¬ schienen. Das ist eine Thatsache, die eine weitere Empfehlung überflüssig macht. Wie alle „Meyer" widmet auch diese „Schweiz" deu Städten mit ihren Samm¬ lungen u. f. w., dann den großen Fremdenplätzen und Thalstationen besondre Auf¬ merksamkeit. Es ist aber mit jeder Auflage auch auf die eigentlichen Bergwande¬ rungen größeres Gewicht gelegt worden, und gerade die Wegbeschreibungen in den Hochregionen finden wir da, wo wir sie mit eignen Erfahrungen vergleichen können, vortrefflich. Ein einziges Gebiet finden wir etwas stiefmütterlich behandelt, den Jura, besonders den westlichen. Sollte ihm nicht ein eignes kleines Kapitel ge¬ widmet werden können? Seine Reize sind jn den Alpen gegenüber klein, aber er hat immer den Vorzug, die kleinen intimen Schönheiten mit den herrlichsten Blicken in die Alpen zu verbinden und ein Gebirge für stille Leute zu sein, die den Touristenschwärmen aus dem Wege gehen wollen. — Die Kärtchen sind vor¬ züglich gezeichnet. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig *) Mit 21 Karten, 9 Plänen und 27 Panoramen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/208>, abgerufen am 28.04.2024.