Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Zur Kenntnis der englischen We.ltpolitik
7. Englands Stellung in Indien

üblen wird von politischen Rednern gern die größte Besitzung
Englands genannt. Das ist es nicht im räumlichen Sinne,
wenn auch das Kaiserreich Indien, d. h. die unmittelbaren und
mittelbaren Besitzungen nebst Aden, dem arabischen Schutzgebiete
und der Somaliküste, fast zehnmal so groß als Deutschland ist.
Aber Indien ist eine ganze Welt für sich mit seinen Hunderten von Provinzen,
Staaten und Ländchen, seiner gewaltigen Volksmasse, die der von ganz Europa
nicht viel nachsteht (1891 291 Millionen), seiner Geschlossenheit, dem Reichtum
und der Mannichfaltigkeit seiner natürlichen Anlage und Ausstattung. Mit
alledem in die Länder West-, Immer- und Ostasiens hineintretend und nach
den Inseln des Südostens hinausgestreckt, hat es einen mächtigen Einfluß auf
die Hälfte Asiens. Es macht England zu einer der größten Mächte des Erd¬
teils, zur entscheidenden Macht neben Rußland. Ostafrika, der Persische Meer¬
busen, der Indische Ozean, sie alle liegen in dem Machtbereich Indiens. Und
Indien legt sich gerade vor die Seewege, die vom Westen zum Osten der alten
Welt. d. h. von Europa nach Ostasien und Australien führen. Das vielgestal¬
tige Asien hat kein Land von so großem politischen und wirtschaftlichen Wert.
Was den wirtschaftlichen betrifft, so deutet der jährliche Handelsumschlag
von etwa vier Milliarden Mark, davon etwa zwei Drittel mit England und
englischen Besitzungen, nur einen kleinen Teil des Gewinns an, den England
aus Indien zieht. Dem politischen Werte nach aber ist Indien für sich allein
die Grundlage der Vorherrschaft Englands über das ganze südliche Asien und
damit eine der festesten Säulen der englischen Weltherrschaft überhaupt.


Grenzboten III 1895 62


Zur Kenntnis der englischen We.ltpolitik
7. Englands Stellung in Indien

üblen wird von politischen Rednern gern die größte Besitzung
Englands genannt. Das ist es nicht im räumlichen Sinne,
wenn auch das Kaiserreich Indien, d. h. die unmittelbaren und
mittelbaren Besitzungen nebst Aden, dem arabischen Schutzgebiete
und der Somaliküste, fast zehnmal so groß als Deutschland ist.
Aber Indien ist eine ganze Welt für sich mit seinen Hunderten von Provinzen,
Staaten und Ländchen, seiner gewaltigen Volksmasse, die der von ganz Europa
nicht viel nachsteht (1891 291 Millionen), seiner Geschlossenheit, dem Reichtum
und der Mannichfaltigkeit seiner natürlichen Anlage und Ausstattung. Mit
alledem in die Länder West-, Immer- und Ostasiens hineintretend und nach
den Inseln des Südostens hinausgestreckt, hat es einen mächtigen Einfluß auf
die Hälfte Asiens. Es macht England zu einer der größten Mächte des Erd¬
teils, zur entscheidenden Macht neben Rußland. Ostafrika, der Persische Meer¬
busen, der Indische Ozean, sie alle liegen in dem Machtbereich Indiens. Und
Indien legt sich gerade vor die Seewege, die vom Westen zum Osten der alten
Welt. d. h. von Europa nach Ostasien und Australien führen. Das vielgestal¬
tige Asien hat kein Land von so großem politischen und wirtschaftlichen Wert.
Was den wirtschaftlichen betrifft, so deutet der jährliche Handelsumschlag
von etwa vier Milliarden Mark, davon etwa zwei Drittel mit England und
englischen Besitzungen, nur einen kleinen Teil des Gewinns an, den England
aus Indien zieht. Dem politischen Werte nach aber ist Indien für sich allein
die Grundlage der Vorherrschaft Englands über das ganze südliche Asien und
damit eine der festesten Säulen der englischen Weltherrschaft überhaupt.


Grenzboten III 1895 62
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220823"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341861_220325/figures/grenzboten_341861_220325_220823_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Kenntnis der englischen We.ltpolitik<lb/>
7. Englands Stellung in Indien </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1965"> üblen wird von politischen Rednern gern die größte Besitzung<lb/>
Englands genannt. Das ist es nicht im räumlichen Sinne,<lb/>
wenn auch das Kaiserreich Indien, d. h. die unmittelbaren und<lb/>
mittelbaren Besitzungen nebst Aden, dem arabischen Schutzgebiete<lb/>
und der Somaliküste, fast zehnmal so groß als Deutschland ist.<lb/>
Aber Indien ist eine ganze Welt für sich mit seinen Hunderten von Provinzen,<lb/>
Staaten und Ländchen, seiner gewaltigen Volksmasse, die der von ganz Europa<lb/>
nicht viel nachsteht (1891 291 Millionen), seiner Geschlossenheit, dem Reichtum<lb/>
und der Mannichfaltigkeit seiner natürlichen Anlage und Ausstattung. Mit<lb/>
alledem in die Länder West-, Immer- und Ostasiens hineintretend und nach<lb/>
den Inseln des Südostens hinausgestreckt, hat es einen mächtigen Einfluß auf<lb/>
die Hälfte Asiens. Es macht England zu einer der größten Mächte des Erd¬<lb/>
teils, zur entscheidenden Macht neben Rußland. Ostafrika, der Persische Meer¬<lb/>
busen, der Indische Ozean, sie alle liegen in dem Machtbereich Indiens. Und<lb/>
Indien legt sich gerade vor die Seewege, die vom Westen zum Osten der alten<lb/>
Welt. d. h. von Europa nach Ostasien und Australien führen. Das vielgestal¬<lb/>
tige Asien hat kein Land von so großem politischen und wirtschaftlichen Wert.<lb/>
Was den wirtschaftlichen betrifft, so deutet der jährliche Handelsumschlag<lb/>
von etwa vier Milliarden Mark, davon etwa zwei Drittel mit England und<lb/>
englischen Besitzungen, nur einen kleinen Teil des Gewinns an, den England<lb/>
aus Indien zieht. Dem politischen Werte nach aber ist Indien für sich allein<lb/>
die Grundlage der Vorherrschaft Englands über das ganze südliche Asien und<lb/>
damit eine der festesten Säulen der englischen Weltherrschaft überhaupt.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1895 62</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0497] [Abbildung] Zur Kenntnis der englischen We.ltpolitik 7. Englands Stellung in Indien üblen wird von politischen Rednern gern die größte Besitzung Englands genannt. Das ist es nicht im räumlichen Sinne, wenn auch das Kaiserreich Indien, d. h. die unmittelbaren und mittelbaren Besitzungen nebst Aden, dem arabischen Schutzgebiete und der Somaliküste, fast zehnmal so groß als Deutschland ist. Aber Indien ist eine ganze Welt für sich mit seinen Hunderten von Provinzen, Staaten und Ländchen, seiner gewaltigen Volksmasse, die der von ganz Europa nicht viel nachsteht (1891 291 Millionen), seiner Geschlossenheit, dem Reichtum und der Mannichfaltigkeit seiner natürlichen Anlage und Ausstattung. Mit alledem in die Länder West-, Immer- und Ostasiens hineintretend und nach den Inseln des Südostens hinausgestreckt, hat es einen mächtigen Einfluß auf die Hälfte Asiens. Es macht England zu einer der größten Mächte des Erd¬ teils, zur entscheidenden Macht neben Rußland. Ostafrika, der Persische Meer¬ busen, der Indische Ozean, sie alle liegen in dem Machtbereich Indiens. Und Indien legt sich gerade vor die Seewege, die vom Westen zum Osten der alten Welt. d. h. von Europa nach Ostasien und Australien führen. Das vielgestal¬ tige Asien hat kein Land von so großem politischen und wirtschaftlichen Wert. Was den wirtschaftlichen betrifft, so deutet der jährliche Handelsumschlag von etwa vier Milliarden Mark, davon etwa zwei Drittel mit England und englischen Besitzungen, nur einen kleinen Teil des Gewinns an, den England aus Indien zieht. Dem politischen Werte nach aber ist Indien für sich allein die Grundlage der Vorherrschaft Englands über das ganze südliche Asien und damit eine der festesten Säulen der englischen Weltherrschaft überhaupt. Grenzboten III 1895 62

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/497
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/497>, abgerufen am 28.04.2024.