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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Zum Währungskampfe

er Vorteil des Bimetallismus ist allgemein, er übersteigt alle
Berechnungen menschlicher Voraussicht. Landwirtschaft und In¬
dustrie, Handel und Handwerk gehen durch ihn einer neuen Zeit
wirtschaftlichen Glücks entgegen, die Warenpreise heben sich,
Arbeitslöhne und Gehalt steigen. Die Silberländer hören auf,
uns mit billigen Waren überschwemmen zu können, und wir fangen an, dort
einen lohnenden Absatz unsrer Erzeugnisse zu finden. Der allgemeine Vorteil
umfaßt das Ausland nicht weniger als uns, auch ihm kommt die allgemeine
Preissteigerung und die Hebung seiner Silberwerke zu gute. Niemand hat
eigentlich ein Interesse, solchem Glück zu widerstehen, als der böse und
wucherische Gläubiger, der schwelgend von dem Schweiße seines Schuldners
lebt. Aber auch er hat nicht die Zeche zu zahlen, er soll nicht Unrecht leiden,
sondern nur gehindert werden, sich durch wirtschaftliches Unrecht zu bereichern,
denn der Goldwert steigt fortwährend und diese Steigerung bringt es mit sich,
daß die Gläubiger mit demselben Kapital einen höhern Wert zurückgezahlt
erhalten, als sie gegeben haben, und das will der Bimetallismus ver¬
hindern. -- So klingt der Sirenengesang der Vimetallisten, der überall ver¬
lockt und verführt, dessen bestrickende Macht aber nirgends fühlbarer erscheint
als in deutschen Landen.

Die große Wichtigkeit der Währungsfrage für das wirtschaftliche Wohl
unsers Volkes wird von niemand verkannt, wie denn in den Augen der
Menschen die Bedeutung des Edelmetallgeldes eher über- als unterschützt wird.
Aber die große Menge der gebildeten Deutschen, die sonst in politischen und
wirtschaftlichen Angelegenheiten die Führerrolle übernimmt, steht der Frage
ohne Urteil gegenüber. Sie überläßt den Kampf bei einem so heikeln und
trocknen Stoff denen, die sich berufsmäßig mit ihm befassen. Unter diesen


Grenzboten III 1895 74


Zum Währungskampfe

er Vorteil des Bimetallismus ist allgemein, er übersteigt alle
Berechnungen menschlicher Voraussicht. Landwirtschaft und In¬
dustrie, Handel und Handwerk gehen durch ihn einer neuen Zeit
wirtschaftlichen Glücks entgegen, die Warenpreise heben sich,
Arbeitslöhne und Gehalt steigen. Die Silberländer hören auf,
uns mit billigen Waren überschwemmen zu können, und wir fangen an, dort
einen lohnenden Absatz unsrer Erzeugnisse zu finden. Der allgemeine Vorteil
umfaßt das Ausland nicht weniger als uns, auch ihm kommt die allgemeine
Preissteigerung und die Hebung seiner Silberwerke zu gute. Niemand hat
eigentlich ein Interesse, solchem Glück zu widerstehen, als der böse und
wucherische Gläubiger, der schwelgend von dem Schweiße seines Schuldners
lebt. Aber auch er hat nicht die Zeche zu zahlen, er soll nicht Unrecht leiden,
sondern nur gehindert werden, sich durch wirtschaftliches Unrecht zu bereichern,
denn der Goldwert steigt fortwährend und diese Steigerung bringt es mit sich,
daß die Gläubiger mit demselben Kapital einen höhern Wert zurückgezahlt
erhalten, als sie gegeben haben, und das will der Bimetallismus ver¬
hindern. — So klingt der Sirenengesang der Vimetallisten, der überall ver¬
lockt und verführt, dessen bestrickende Macht aber nirgends fühlbarer erscheint
als in deutschen Landen.

Die große Wichtigkeit der Währungsfrage für das wirtschaftliche Wohl
unsers Volkes wird von niemand verkannt, wie denn in den Augen der
Menschen die Bedeutung des Edelmetallgeldes eher über- als unterschützt wird.
Aber die große Menge der gebildeten Deutschen, die sonst in politischen und
wirtschaftlichen Angelegenheiten die Führerrolle übernimmt, steht der Frage
ohne Urteil gegenüber. Sie überläßt den Kampf bei einem so heikeln und
trocknen Stoff denen, die sich berufsmäßig mit ihm befassen. Unter diesen


Grenzboten III 1895 74
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[0593] [Abbildung] Zum Währungskampfe er Vorteil des Bimetallismus ist allgemein, er übersteigt alle Berechnungen menschlicher Voraussicht. Landwirtschaft und In¬ dustrie, Handel und Handwerk gehen durch ihn einer neuen Zeit wirtschaftlichen Glücks entgegen, die Warenpreise heben sich, Arbeitslöhne und Gehalt steigen. Die Silberländer hören auf, uns mit billigen Waren überschwemmen zu können, und wir fangen an, dort einen lohnenden Absatz unsrer Erzeugnisse zu finden. Der allgemeine Vorteil umfaßt das Ausland nicht weniger als uns, auch ihm kommt die allgemeine Preissteigerung und die Hebung seiner Silberwerke zu gute. Niemand hat eigentlich ein Interesse, solchem Glück zu widerstehen, als der böse und wucherische Gläubiger, der schwelgend von dem Schweiße seines Schuldners lebt. Aber auch er hat nicht die Zeche zu zahlen, er soll nicht Unrecht leiden, sondern nur gehindert werden, sich durch wirtschaftliches Unrecht zu bereichern, denn der Goldwert steigt fortwährend und diese Steigerung bringt es mit sich, daß die Gläubiger mit demselben Kapital einen höhern Wert zurückgezahlt erhalten, als sie gegeben haben, und das will der Bimetallismus ver¬ hindern. — So klingt der Sirenengesang der Vimetallisten, der überall ver¬ lockt und verführt, dessen bestrickende Macht aber nirgends fühlbarer erscheint als in deutschen Landen. Die große Wichtigkeit der Währungsfrage für das wirtschaftliche Wohl unsers Volkes wird von niemand verkannt, wie denn in den Augen der Menschen die Bedeutung des Edelmetallgeldes eher über- als unterschützt wird. Aber die große Menge der gebildeten Deutschen, die sonst in politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten die Führerrolle übernimmt, steht der Frage ohne Urteil gegenüber. Sie überläßt den Kampf bei einem so heikeln und trocknen Stoff denen, die sich berufsmäßig mit ihm befassen. Unter diesen Grenzboten III 1895 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/593>, abgerufen am 27.04.2024.