Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Schwarzes Bret

wie ein Herr mittelbar oder unmittelbar reichsfrei auf seinem Hofe saß. Auch
wenn er dem Kloster zu Gengenbach zinspflichtig war, fühlte er sich nicht unter-
thänig. Wohl gingen Kriegsstürme durch dieses schöne Ländchen und legten manches
Glück in Trümmer, aber was dann aufwuchs, hatte Licht und Luft genug zu seiner
Entfaltung. Deswegen war es den Leuten damals auch mehr "singerig" zu Mute.
Übrigens ragen die ältern Judustriegrüudungcu im Kinzigthal bis in die Zeit des
Vogts auf Mühlstein, so die Blaufarbenwerke und Porzellanfabriken, die aufgeklärte
Äbte ins Leben riefen. Im ganzen zeichnen aber diese Schilderungen ein Bild
deutschen Bauernlebens, das, wenn auch nicht an Kunstwerk, so doch an Psycho¬
logischer und geschichtlicher Treue sich mit Immermanns Oberhof vergleichen darf.
Die Jugenderinnerungen Hansjakobs setzen diese Schilderungen bis auf die Gegen¬
wart fort und zeigen uns den an manchen Punkten recht unerfreulichen Fortschritt
aus einem Zustande, der einer mäßigen Bevölkerung gestattete, ohne allzu schweren
Kampf ihr Leben auf ererbten Boden zu führen, in die Periode des Anwachsens
der Volkszahl, der Auswanderung der Thatkräftigsten und der Verarmung vieler
nnter den Zurückbleibenden. Hansjakob macht kein Geheimnis aus seiner Auffassung
dieser Veränderungen. Er verurteilt einfach "die Kultur, die allerlei Lumperei ius
Volk gebracht hat."




Schwarzes Bret

Für sie (nämlich Frauenrechtlerinnen!) wie für ihren großen Mitstreiter Björnson, dem(!)
Apostel der Reinheit, ist das Geschlecht nichts. Nach ihnen giebt es viele Freuden; erziehe¬
rische Freuden, seelsorgerische Freuden, studirerische ^!) Freuden, die der weiblichen Natur viel
natürlicher sind usw. Gegenwart, Jahrgang 13W. Ur. 19, Seite 2os.




Er redete etwas verworren von dem Richtschwert, das die Viktoren vor sich hertragen
ließen (!) und das ihnen Achtung verschuf(I) mit diesen (!) Spuren vergossenen Bluts, die zwar
vielleicht nicht dawaren, aber die dennoch jeder sah oder empfand, und von dem Richtschwert
des Poeten, um dem sein eignes Herzblut klebt, mit dem er sich selber gerichtet, um das Recht
zu haben, die ganze Welt richten zu dürfen.

Westermanns Monatshefte. Heft 474 (Mnrz 1896), Seite 728.




Herrn M. S, -- Sie wundern sich über die Unterschrift Übergesegelt unter einem
Bilde der Jllustrirten Zeitung? Wir nicht. Den Unterschied zwischen übergesetzt und über¬
setzt, übergetreten und übertreten, übergefahren und überfahren usw. werden manche
Leute nie begreifen.




Für die Redaktion verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Gruuow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Schwarzes Bret

wie ein Herr mittelbar oder unmittelbar reichsfrei auf seinem Hofe saß. Auch
wenn er dem Kloster zu Gengenbach zinspflichtig war, fühlte er sich nicht unter-
thänig. Wohl gingen Kriegsstürme durch dieses schöne Ländchen und legten manches
Glück in Trümmer, aber was dann aufwuchs, hatte Licht und Luft genug zu seiner
Entfaltung. Deswegen war es den Leuten damals auch mehr „singerig" zu Mute.
Übrigens ragen die ältern Judustriegrüudungcu im Kinzigthal bis in die Zeit des
Vogts auf Mühlstein, so die Blaufarbenwerke und Porzellanfabriken, die aufgeklärte
Äbte ins Leben riefen. Im ganzen zeichnen aber diese Schilderungen ein Bild
deutschen Bauernlebens, das, wenn auch nicht an Kunstwerk, so doch an Psycho¬
logischer und geschichtlicher Treue sich mit Immermanns Oberhof vergleichen darf.
Die Jugenderinnerungen Hansjakobs setzen diese Schilderungen bis auf die Gegen¬
wart fort und zeigen uns den an manchen Punkten recht unerfreulichen Fortschritt
aus einem Zustande, der einer mäßigen Bevölkerung gestattete, ohne allzu schweren
Kampf ihr Leben auf ererbten Boden zu führen, in die Periode des Anwachsens
der Volkszahl, der Auswanderung der Thatkräftigsten und der Verarmung vieler
nnter den Zurückbleibenden. Hansjakob macht kein Geheimnis aus seiner Auffassung
dieser Veränderungen. Er verurteilt einfach „die Kultur, die allerlei Lumperei ius
Volk gebracht hat."




Schwarzes Bret

Für sie (nämlich Frauenrechtlerinnen!) wie für ihren großen Mitstreiter Björnson, dem(!)
Apostel der Reinheit, ist das Geschlecht nichts. Nach ihnen giebt es viele Freuden; erziehe¬
rische Freuden, seelsorgerische Freuden, studirerische ^!) Freuden, die der weiblichen Natur viel
natürlicher sind usw. Gegenwart, Jahrgang 13W. Ur. 19, Seite 2os.




Er redete etwas verworren von dem Richtschwert, das die Viktoren vor sich hertragen
ließen (!) und das ihnen Achtung verschuf(I) mit diesen (!) Spuren vergossenen Bluts, die zwar
vielleicht nicht dawaren, aber die dennoch jeder sah oder empfand, und von dem Richtschwert
des Poeten, um dem sein eignes Herzblut klebt, mit dem er sich selber gerichtet, um das Recht
zu haben, die ganze Welt richten zu dürfen.

Westermanns Monatshefte. Heft 474 (Mnrz 1896), Seite 728.




Herrn M. S, — Sie wundern sich über die Unterschrift Übergesegelt unter einem
Bilde der Jllustrirten Zeitung? Wir nicht. Den Unterschied zwischen übergesetzt und über¬
setzt, übergetreten und übertreten, übergefahren und überfahren usw. werden manche
Leute nie begreifen.




Für die Redaktion verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Gruuow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222408"/>
            <fw type="header" place="top"> Schwarzes Bret</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_313" prev="#ID_312"> wie ein Herr mittelbar oder unmittelbar reichsfrei auf seinem Hofe saß. Auch<lb/>
wenn er dem Kloster zu Gengenbach zinspflichtig war, fühlte er sich nicht unter-<lb/>
thänig. Wohl gingen Kriegsstürme durch dieses schöne Ländchen und legten manches<lb/>
Glück in Trümmer, aber was dann aufwuchs, hatte Licht und Luft genug zu seiner<lb/>
Entfaltung. Deswegen war es den Leuten damals auch mehr &#x201E;singerig" zu Mute.<lb/>
Übrigens ragen die ältern Judustriegrüudungcu im Kinzigthal bis in die Zeit des<lb/>
Vogts auf Mühlstein, so die Blaufarbenwerke und Porzellanfabriken, die aufgeklärte<lb/>
Äbte ins Leben riefen. Im ganzen zeichnen aber diese Schilderungen ein Bild<lb/>
deutschen Bauernlebens, das, wenn auch nicht an Kunstwerk, so doch an Psycho¬<lb/>
logischer und geschichtlicher Treue sich mit Immermanns Oberhof vergleichen darf.<lb/>
Die Jugenderinnerungen Hansjakobs setzen diese Schilderungen bis auf die Gegen¬<lb/>
wart fort und zeigen uns den an manchen Punkten recht unerfreulichen Fortschritt<lb/>
aus einem Zustande, der einer mäßigen Bevölkerung gestattete, ohne allzu schweren<lb/>
Kampf ihr Leben auf ererbten Boden zu führen, in die Periode des Anwachsens<lb/>
der Volkszahl, der Auswanderung der Thatkräftigsten und der Verarmung vieler<lb/>
nnter den Zurückbleibenden. Hansjakob macht kein Geheimnis aus seiner Auffassung<lb/>
dieser Veränderungen. Er verurteilt einfach &#x201E;die Kultur, die allerlei Lumperei ius<lb/>
Volk gebracht hat."</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Schwarzes Bret</head><lb/>
          <p xml:id="ID_314"> Für sie (nämlich Frauenrechtlerinnen!) wie für ihren großen Mitstreiter Björnson, dem(!)<lb/>
Apostel der Reinheit, ist das Geschlecht nichts. Nach ihnen giebt es viele Freuden; erziehe¬<lb/>
rische Freuden, seelsorgerische Freuden, studirerische ^!) Freuden, die der weiblichen Natur viel<lb/>
natürlicher sind usw. Gegenwart, Jahrgang 13W. Ur. 19, Seite 2os.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_315"> Er redete etwas verworren von dem Richtschwert, das die Viktoren vor sich hertragen<lb/>
ließen (!) und das ihnen Achtung verschuf(I) mit diesen (!) Spuren vergossenen Bluts, die zwar<lb/>
vielleicht nicht dawaren, aber die dennoch jeder sah oder empfand, und von dem Richtschwert<lb/>
des Poeten, um dem sein eignes Herzblut klebt, mit dem er sich selber gerichtet, um das Recht<lb/>
zu haben, die ganze Welt richten zu dürfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_316"> Westermanns Monatshefte. Heft 474 (Mnrz 1896), Seite 728.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_317"> Herrn M. S, &#x2014; Sie wundern sich über die Unterschrift Übergesegelt unter einem<lb/>
Bilde der Jllustrirten Zeitung? Wir nicht. Den Unterschied zwischen übergesetzt und über¬<lb/>
setzt, übergetreten und übertreten, übergefahren und überfahren usw. werden manche<lb/>
Leute nie begreifen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Wilh. Gruuow in Leipzig. &#x2014; Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0104] Schwarzes Bret wie ein Herr mittelbar oder unmittelbar reichsfrei auf seinem Hofe saß. Auch wenn er dem Kloster zu Gengenbach zinspflichtig war, fühlte er sich nicht unter- thänig. Wohl gingen Kriegsstürme durch dieses schöne Ländchen und legten manches Glück in Trümmer, aber was dann aufwuchs, hatte Licht und Luft genug zu seiner Entfaltung. Deswegen war es den Leuten damals auch mehr „singerig" zu Mute. Übrigens ragen die ältern Judustriegrüudungcu im Kinzigthal bis in die Zeit des Vogts auf Mühlstein, so die Blaufarbenwerke und Porzellanfabriken, die aufgeklärte Äbte ins Leben riefen. Im ganzen zeichnen aber diese Schilderungen ein Bild deutschen Bauernlebens, das, wenn auch nicht an Kunstwerk, so doch an Psycho¬ logischer und geschichtlicher Treue sich mit Immermanns Oberhof vergleichen darf. Die Jugenderinnerungen Hansjakobs setzen diese Schilderungen bis auf die Gegen¬ wart fort und zeigen uns den an manchen Punkten recht unerfreulichen Fortschritt aus einem Zustande, der einer mäßigen Bevölkerung gestattete, ohne allzu schweren Kampf ihr Leben auf ererbten Boden zu führen, in die Periode des Anwachsens der Volkszahl, der Auswanderung der Thatkräftigsten und der Verarmung vieler nnter den Zurückbleibenden. Hansjakob macht kein Geheimnis aus seiner Auffassung dieser Veränderungen. Er verurteilt einfach „die Kultur, die allerlei Lumperei ius Volk gebracht hat." Schwarzes Bret Für sie (nämlich Frauenrechtlerinnen!) wie für ihren großen Mitstreiter Björnson, dem(!) Apostel der Reinheit, ist das Geschlecht nichts. Nach ihnen giebt es viele Freuden; erziehe¬ rische Freuden, seelsorgerische Freuden, studirerische ^!) Freuden, die der weiblichen Natur viel natürlicher sind usw. Gegenwart, Jahrgang 13W. Ur. 19, Seite 2os. Er redete etwas verworren von dem Richtschwert, das die Viktoren vor sich hertragen ließen (!) und das ihnen Achtung verschuf(I) mit diesen (!) Spuren vergossenen Bluts, die zwar vielleicht nicht dawaren, aber die dennoch jeder sah oder empfand, und von dem Richtschwert des Poeten, um dem sein eignes Herzblut klebt, mit dem er sich selber gerichtet, um das Recht zu haben, die ganze Welt richten zu dürfen. Westermanns Monatshefte. Heft 474 (Mnrz 1896), Seite 728. Herrn M. S, — Sie wundern sich über die Unterschrift Übergesegelt unter einem Bilde der Jllustrirten Zeitung? Wir nicht. Den Unterschied zwischen übergesetzt und über¬ setzt, übergetreten und übertreten, übergefahren und überfahren usw. werden manche Leute nie begreifen. Für die Redaktion verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Gruuow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/104
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/104>, abgerufen am 28.04.2024.