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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Die Pflicht der Gesellschaft

Ständigkeit machen, sondern nur ein Bild von den wichtigsten Abänderungs¬
vorschlägen zum Börsengesetz geben wollen, führen zu dem Schlüsse, daß die
Regierungsvorlage durchweg den Vorzug verdient. Der Reichstag wird sich
gewiß nicht von den Schlagworten derer leiten lassen, für die das Wort
"Börse" den Inbegriff alles Unsoliden und schwindelhafter bildet, die am
liebsten alle Börsen mit Feuer und Schwert vom Erdboden vertilgen möchten,
weil ihnen jede Vorstellung von der Wichtigkeit, die sich unsre großen Börsen
im modernen Wirtschaftsleben errungen haben, und die Erkenntnis fehlt, welche
Gefahren eine Knebelung und Schädigung des Börsenverkehrs für unsre natio¬
nale wirtschaftliche Wohlfahrt mit sich bringen würde.

Nur bei ruhiger Abwägung aller Interessen wird ein brauchbares und
wirksames Bvrsenrefvrmgesetz geschaffen werden können, das mit den vorhandnen
Mißständen nach Möglichkeit anfrcinmt und doch dem Großhandel die Freiheit
der Bewegung läßt, die er niemals entbehren kann.

Nachschrift.

Was vorauszusehen war, ist inzwischen geschehen. Von
einer großen Zahl von Zentrumsabgeordneter ist für die zweite Lesung des
Vörsengesetzentwnrfs beantragt worden, den börsenmäßigen Terminhandel in
Getreide und Mühlenfabrikaten zu untersagen. Ferner hat Graf Kanitz be¬
antragt, hinsichtlich des Staatskommissars die Beschlüsse der ersten Kommissions¬
lesung wieder herzustellen, ferner den Börsenausschuß so zusammenzusetzen, daß
die Gesamtzahl der Vertreter des Handels und der Börsenorgane die Gesamt¬
zahl der Vertreter der Landwirtschaft und Industrie nicht übersteigt, und vor
allem hat Graf Kanitz seinen Antrag wegen der Hauptzulassungsstelle für aus¬
ländische Wertpapiere doch wieder aufgenommen. Man wird trotzdem an der
Hoffnung festhalten dürfen, daß Bundesrat und Reichstag derartigen "Reformen"
niemals zustimmen werden.




Die Pflicht der Gesellschaft
v Adolf Bartels on

n meinem Aufsatz "Das Recht der Persönlichkeit" (Grenzboten
1896, Heft 3) habe ich nachzuweisen gesucht, daß auf Grund
der Persönlichkeit als solcher keine besondern Rechte in Anspruch
zu nehmen seien, daß es kein Recht der Persönlichkeit an sich
gebe, sondern nnr Menschenrechte, und daß anch die größte Per¬
sönlichkeit das sittliche Gesetz unter allen Umständen zu achten habe. Ich habe
aber auch schon hinzugefügt, daß andrerseits Eingriffe in die Persönlichkeit


Die Pflicht der Gesellschaft

Ständigkeit machen, sondern nur ein Bild von den wichtigsten Abänderungs¬
vorschlägen zum Börsengesetz geben wollen, führen zu dem Schlüsse, daß die
Regierungsvorlage durchweg den Vorzug verdient. Der Reichstag wird sich
gewiß nicht von den Schlagworten derer leiten lassen, für die das Wort
„Börse" den Inbegriff alles Unsoliden und schwindelhafter bildet, die am
liebsten alle Börsen mit Feuer und Schwert vom Erdboden vertilgen möchten,
weil ihnen jede Vorstellung von der Wichtigkeit, die sich unsre großen Börsen
im modernen Wirtschaftsleben errungen haben, und die Erkenntnis fehlt, welche
Gefahren eine Knebelung und Schädigung des Börsenverkehrs für unsre natio¬
nale wirtschaftliche Wohlfahrt mit sich bringen würde.

Nur bei ruhiger Abwägung aller Interessen wird ein brauchbares und
wirksames Bvrsenrefvrmgesetz geschaffen werden können, das mit den vorhandnen
Mißständen nach Möglichkeit anfrcinmt und doch dem Großhandel die Freiheit
der Bewegung läßt, die er niemals entbehren kann.

Nachschrift.

Was vorauszusehen war, ist inzwischen geschehen. Von
einer großen Zahl von Zentrumsabgeordneter ist für die zweite Lesung des
Vörsengesetzentwnrfs beantragt worden, den börsenmäßigen Terminhandel in
Getreide und Mühlenfabrikaten zu untersagen. Ferner hat Graf Kanitz be¬
antragt, hinsichtlich des Staatskommissars die Beschlüsse der ersten Kommissions¬
lesung wieder herzustellen, ferner den Börsenausschuß so zusammenzusetzen, daß
die Gesamtzahl der Vertreter des Handels und der Börsenorgane die Gesamt¬
zahl der Vertreter der Landwirtschaft und Industrie nicht übersteigt, und vor
allem hat Graf Kanitz seinen Antrag wegen der Hauptzulassungsstelle für aus¬
ländische Wertpapiere doch wieder aufgenommen. Man wird trotzdem an der
Hoffnung festhalten dürfen, daß Bundesrat und Reichstag derartigen „Reformen"
niemals zustimmen werden.




Die Pflicht der Gesellschaft
v Adolf Bartels on

n meinem Aufsatz „Das Recht der Persönlichkeit" (Grenzboten
1896, Heft 3) habe ich nachzuweisen gesucht, daß auf Grund
der Persönlichkeit als solcher keine besondern Rechte in Anspruch
zu nehmen seien, daß es kein Recht der Persönlichkeit an sich
gebe, sondern nnr Menschenrechte, und daß anch die größte Per¬
sönlichkeit das sittliche Gesetz unter allen Umständen zu achten habe. Ich habe
aber auch schon hinzugefügt, daß andrerseits Eingriffe in die Persönlichkeit


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[0207] Die Pflicht der Gesellschaft Ständigkeit machen, sondern nur ein Bild von den wichtigsten Abänderungs¬ vorschlägen zum Börsengesetz geben wollen, führen zu dem Schlüsse, daß die Regierungsvorlage durchweg den Vorzug verdient. Der Reichstag wird sich gewiß nicht von den Schlagworten derer leiten lassen, für die das Wort „Börse" den Inbegriff alles Unsoliden und schwindelhafter bildet, die am liebsten alle Börsen mit Feuer und Schwert vom Erdboden vertilgen möchten, weil ihnen jede Vorstellung von der Wichtigkeit, die sich unsre großen Börsen im modernen Wirtschaftsleben errungen haben, und die Erkenntnis fehlt, welche Gefahren eine Knebelung und Schädigung des Börsenverkehrs für unsre natio¬ nale wirtschaftliche Wohlfahrt mit sich bringen würde. Nur bei ruhiger Abwägung aller Interessen wird ein brauchbares und wirksames Bvrsenrefvrmgesetz geschaffen werden können, das mit den vorhandnen Mißständen nach Möglichkeit anfrcinmt und doch dem Großhandel die Freiheit der Bewegung läßt, die er niemals entbehren kann. Nachschrift. Was vorauszusehen war, ist inzwischen geschehen. Von einer großen Zahl von Zentrumsabgeordneter ist für die zweite Lesung des Vörsengesetzentwnrfs beantragt worden, den börsenmäßigen Terminhandel in Getreide und Mühlenfabrikaten zu untersagen. Ferner hat Graf Kanitz be¬ antragt, hinsichtlich des Staatskommissars die Beschlüsse der ersten Kommissions¬ lesung wieder herzustellen, ferner den Börsenausschuß so zusammenzusetzen, daß die Gesamtzahl der Vertreter des Handels und der Börsenorgane die Gesamt¬ zahl der Vertreter der Landwirtschaft und Industrie nicht übersteigt, und vor allem hat Graf Kanitz seinen Antrag wegen der Hauptzulassungsstelle für aus¬ ländische Wertpapiere doch wieder aufgenommen. Man wird trotzdem an der Hoffnung festhalten dürfen, daß Bundesrat und Reichstag derartigen „Reformen" niemals zustimmen werden. Die Pflicht der Gesellschaft v Adolf Bartels on n meinem Aufsatz „Das Recht der Persönlichkeit" (Grenzboten 1896, Heft 3) habe ich nachzuweisen gesucht, daß auf Grund der Persönlichkeit als solcher keine besondern Rechte in Anspruch zu nehmen seien, daß es kein Recht der Persönlichkeit an sich gebe, sondern nnr Menschenrechte, und daß anch die größte Per¬ sönlichkeit das sittliche Gesetz unter allen Umständen zu achten habe. Ich habe aber auch schon hinzugefügt, daß andrerseits Eingriffe in die Persönlichkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/207>, abgerufen am 27.04.2024.