Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Professuren für deutsches Altertum

gehaltn? Predigt, worin dieser in sehr auffälliger und wenig taktvoller Weise
die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Mehrheit der
Gemeindeeingescssenen hervorgehoben hatte. Dieser eifrig deutsch gesinnte Pre¬
diger, den die Berufung des Freigemeindepredigers schwer gekränkt hatte, wußte
es dann durchzusetzen, daß der in Rede stehende Däne seines Amts als Kirchen-
ältester und Shnodalmitglied enthoben wurde. In einem andern Falle hatte
ein Freigemeindeprediger eine Leichenrede gehalten. Darauf erfolgte ein Ver¬
weis der Kirchenbehörde, die solche Amtshandlungen von unbefugter Seite für
gesetzwidrig erklärte. Ist es denn aber nicht klar, daß alle diese Streitig¬
keiten die Kirche und zugleich die nationale Sache schädigen? Um das Mi߬
trauen und die Feindseligkeit der Dünen zu beseitigen, sollte von oben her
wenigstens alles gethan werden, was geschehen kann. Man sollte die Frucht¬
losigkeit gewaltsamer Germanisirungsbestrebungen einsehen und das Recht der
Dänen auf Festhaltung ihrer Muttersprache anerkennen. Der unzweideutige
Beweis solcher Gesinnung, des Bemühens, mit den Dänen zum Frieden zu
kommen, wäre geliefert worden, wenn die Regierung und die Mehrheit des
Abgeordnetenhauses den dänischen Antrag, der nur eine so geringe Änderung
des Schulplans verlangt, bewilligt Hütten. Die schroffe und verletzende Ab¬
weisung dieses Antrags kann nur dazu beitragen, die Stimmung in Nord¬
schleswig zu verschlechtern.




Professuren für deutsches Altertum

or kurzem fiel mir ein schmuck ausgestattetes Büchlein in die
Hunde mit dem vielverheißenden Titel: "Deutschland, Deutsch¬
land über Alles."") Aus der Vorrede entnahm ich, daß die
nationalgesinnte Studentenschaft durch die hier gebotene Auswahl
von Reden und Aufsätzen Zeugnis ablegen wollte von dem Geiste,
der in ihrer Zeitschrift, den "Akademischen Blättern," lebt, und von den idealen
Zielen, die ihr selbst vorschweben. Beim weitern Blättern stieß ich auf ein
Kapitelchen: "Deutsche Philologie" von Richard Heinze. Der Verfasser schüttelt
den Kopf über die Forderung Paniscus und seiner zahlreichen Gesinnungs¬
genossen, das Deutsche solle in den Mittelpunkt des ganzen höhern Unterrichts
treten. Denn das heiße Brunnen bauen wollen, ehe Quellen gefunden seien.



^) Deutschland, Deutschland über Alles! Aufsätze und Reden aus zehn Jahrgängen "Aka¬
demischer Blätter." Leipzig, Fr. Will). Grunow,
Professuren für deutsches Altertum

gehaltn? Predigt, worin dieser in sehr auffälliger und wenig taktvoller Weise
die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Mehrheit der
Gemeindeeingescssenen hervorgehoben hatte. Dieser eifrig deutsch gesinnte Pre¬
diger, den die Berufung des Freigemeindepredigers schwer gekränkt hatte, wußte
es dann durchzusetzen, daß der in Rede stehende Däne seines Amts als Kirchen-
ältester und Shnodalmitglied enthoben wurde. In einem andern Falle hatte
ein Freigemeindeprediger eine Leichenrede gehalten. Darauf erfolgte ein Ver¬
weis der Kirchenbehörde, die solche Amtshandlungen von unbefugter Seite für
gesetzwidrig erklärte. Ist es denn aber nicht klar, daß alle diese Streitig¬
keiten die Kirche und zugleich die nationale Sache schädigen? Um das Mi߬
trauen und die Feindseligkeit der Dünen zu beseitigen, sollte von oben her
wenigstens alles gethan werden, was geschehen kann. Man sollte die Frucht¬
losigkeit gewaltsamer Germanisirungsbestrebungen einsehen und das Recht der
Dänen auf Festhaltung ihrer Muttersprache anerkennen. Der unzweideutige
Beweis solcher Gesinnung, des Bemühens, mit den Dänen zum Frieden zu
kommen, wäre geliefert worden, wenn die Regierung und die Mehrheit des
Abgeordnetenhauses den dänischen Antrag, der nur eine so geringe Änderung
des Schulplans verlangt, bewilligt Hütten. Die schroffe und verletzende Ab¬
weisung dieses Antrags kann nur dazu beitragen, die Stimmung in Nord¬
schleswig zu verschlechtern.




Professuren für deutsches Altertum

or kurzem fiel mir ein schmuck ausgestattetes Büchlein in die
Hunde mit dem vielverheißenden Titel: „Deutschland, Deutsch¬
land über Alles."") Aus der Vorrede entnahm ich, daß die
nationalgesinnte Studentenschaft durch die hier gebotene Auswahl
von Reden und Aufsätzen Zeugnis ablegen wollte von dem Geiste,
der in ihrer Zeitschrift, den „Akademischen Blättern," lebt, und von den idealen
Zielen, die ihr selbst vorschweben. Beim weitern Blättern stieß ich auf ein
Kapitelchen: „Deutsche Philologie" von Richard Heinze. Der Verfasser schüttelt
den Kopf über die Forderung Paniscus und seiner zahlreichen Gesinnungs¬
genossen, das Deutsche solle in den Mittelpunkt des ganzen höhern Unterrichts
treten. Denn das heiße Brunnen bauen wollen, ehe Quellen gefunden seien.



^) Deutschland, Deutschland über Alles! Aufsätze und Reden aus zehn Jahrgängen „Aka¬
demischer Blätter." Leipzig, Fr. Will). Grunow,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0608" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222912"/>
            <fw type="header" place="top"> Professuren für deutsches Altertum</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1762" prev="#ID_1761"> gehaltn? Predigt, worin dieser in sehr auffälliger und wenig taktvoller Weise<lb/>
die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Mehrheit der<lb/>
Gemeindeeingescssenen hervorgehoben hatte. Dieser eifrig deutsch gesinnte Pre¬<lb/>
diger, den die Berufung des Freigemeindepredigers schwer gekränkt hatte, wußte<lb/>
es dann durchzusetzen, daß der in Rede stehende Däne seines Amts als Kirchen-<lb/>
ältester und Shnodalmitglied enthoben wurde. In einem andern Falle hatte<lb/>
ein Freigemeindeprediger eine Leichenrede gehalten. Darauf erfolgte ein Ver¬<lb/>
weis der Kirchenbehörde, die solche Amtshandlungen von unbefugter Seite für<lb/>
gesetzwidrig erklärte. Ist es denn aber nicht klar, daß alle diese Streitig¬<lb/>
keiten die Kirche und zugleich die nationale Sache schädigen? Um das Mi߬<lb/>
trauen und die Feindseligkeit der Dünen zu beseitigen, sollte von oben her<lb/>
wenigstens alles gethan werden, was geschehen kann. Man sollte die Frucht¬<lb/>
losigkeit gewaltsamer Germanisirungsbestrebungen einsehen und das Recht der<lb/>
Dänen auf Festhaltung ihrer Muttersprache anerkennen. Der unzweideutige<lb/>
Beweis solcher Gesinnung, des Bemühens, mit den Dänen zum Frieden zu<lb/>
kommen, wäre geliefert worden, wenn die Regierung und die Mehrheit des<lb/>
Abgeordnetenhauses den dänischen Antrag, der nur eine so geringe Änderung<lb/>
des Schulplans verlangt, bewilligt Hütten. Die schroffe und verletzende Ab¬<lb/>
weisung dieses Antrags kann nur dazu beitragen, die Stimmung in Nord¬<lb/>
schleswig zu verschlechtern.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Professuren für deutsches Altertum</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1763" next="#ID_1764"> or kurzem fiel mir ein schmuck ausgestattetes Büchlein in die<lb/>
Hunde mit dem vielverheißenden Titel: &#x201E;Deutschland, Deutsch¬<lb/>
land über Alles."") Aus der Vorrede entnahm ich, daß die<lb/>
nationalgesinnte Studentenschaft durch die hier gebotene Auswahl<lb/>
von Reden und Aufsätzen Zeugnis ablegen wollte von dem Geiste,<lb/>
der in ihrer Zeitschrift, den &#x201E;Akademischen Blättern," lebt, und von den idealen<lb/>
Zielen, die ihr selbst vorschweben. Beim weitern Blättern stieß ich auf ein<lb/>
Kapitelchen: &#x201E;Deutsche Philologie" von Richard Heinze. Der Verfasser schüttelt<lb/>
den Kopf über die Forderung Paniscus und seiner zahlreichen Gesinnungs¬<lb/>
genossen, das Deutsche solle in den Mittelpunkt des ganzen höhern Unterrichts<lb/>
treten.  Denn das heiße Brunnen bauen wollen, ehe Quellen gefunden seien.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_86" place="foot"> ^) Deutschland, Deutschland über Alles! Aufsätze und Reden aus zehn Jahrgängen &#x201E;Aka¬<lb/>
demischer Blätter." Leipzig, Fr. Will). Grunow,</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0608] Professuren für deutsches Altertum gehaltn? Predigt, worin dieser in sehr auffälliger und wenig taktvoller Weise die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Mehrheit der Gemeindeeingescssenen hervorgehoben hatte. Dieser eifrig deutsch gesinnte Pre¬ diger, den die Berufung des Freigemeindepredigers schwer gekränkt hatte, wußte es dann durchzusetzen, daß der in Rede stehende Däne seines Amts als Kirchen- ältester und Shnodalmitglied enthoben wurde. In einem andern Falle hatte ein Freigemeindeprediger eine Leichenrede gehalten. Darauf erfolgte ein Ver¬ weis der Kirchenbehörde, die solche Amtshandlungen von unbefugter Seite für gesetzwidrig erklärte. Ist es denn aber nicht klar, daß alle diese Streitig¬ keiten die Kirche und zugleich die nationale Sache schädigen? Um das Mi߬ trauen und die Feindseligkeit der Dünen zu beseitigen, sollte von oben her wenigstens alles gethan werden, was geschehen kann. Man sollte die Frucht¬ losigkeit gewaltsamer Germanisirungsbestrebungen einsehen und das Recht der Dänen auf Festhaltung ihrer Muttersprache anerkennen. Der unzweideutige Beweis solcher Gesinnung, des Bemühens, mit den Dänen zum Frieden zu kommen, wäre geliefert worden, wenn die Regierung und die Mehrheit des Abgeordnetenhauses den dänischen Antrag, der nur eine so geringe Änderung des Schulplans verlangt, bewilligt Hütten. Die schroffe und verletzende Ab¬ weisung dieses Antrags kann nur dazu beitragen, die Stimmung in Nord¬ schleswig zu verschlechtern. Professuren für deutsches Altertum or kurzem fiel mir ein schmuck ausgestattetes Büchlein in die Hunde mit dem vielverheißenden Titel: „Deutschland, Deutsch¬ land über Alles."") Aus der Vorrede entnahm ich, daß die nationalgesinnte Studentenschaft durch die hier gebotene Auswahl von Reden und Aufsätzen Zeugnis ablegen wollte von dem Geiste, der in ihrer Zeitschrift, den „Akademischen Blättern," lebt, und von den idealen Zielen, die ihr selbst vorschweben. Beim weitern Blättern stieß ich auf ein Kapitelchen: „Deutsche Philologie" von Richard Heinze. Der Verfasser schüttelt den Kopf über die Forderung Paniscus und seiner zahlreichen Gesinnungs¬ genossen, das Deutsche solle in den Mittelpunkt des ganzen höhern Unterrichts treten. Denn das heiße Brunnen bauen wollen, ehe Quellen gefunden seien. ^) Deutschland, Deutschland über Alles! Aufsätze und Reden aus zehn Jahrgängen „Aka¬ demischer Blätter." Leipzig, Fr. Will). Grunow,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/608
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/608>, abgerufen am 28.04.2024.