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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Zur Litteraturgeschichte

le Periode scheint glücklich hinter uns zu liegen, wo es zu den
Besonderheiten der deutschen Bildung gehörte, daß die Gebildeten
mehr Litteraturgeschichte als Litteratur lasen und ihre Kenntnis von
bedeutenden Dichtern nud Schriftstellern aus "Essais" schöpften.
Wer es für seine Pflicht hält, alle Romane neuester Richtung
und alle als modern gestempelten Dramen zu lesen, kann unmöglich Zeit für
die Litteratur der Vergangenheit, selbst nicht in der Form biographisch-kritischer
Schilderung gewinnen. Daß trotzdem auf diesem Gebiete nicht weniger, sondern
mit jeden: Jahre mehr geforscht und dargestellt wird, die vergessensten Gestalten
in das große Schattenspiel der Litteraturerinnerungen wieder eingereiht, die
kleinsten und verborgensten Beziehungen erörtert und aufgehellt werden, daß
ein fast erschreckender Fleiß in jeder Einzelfurche des großen Feldes rodet,
gräbt, sät und erntet, das zeigen vor allem die Jahresberichte für neuere
deutsche Litteraturgeschichte, die unter ständiger Mitwirkung von I. Bolle,
W. Creizenach, G. Ellinger, E. Elster, P. Goldschcider. W. Golther, C. Gurlitt,
O. Harnack, O. v. Hase, A. Hauffer, K. Heinemann, A. Heusler, E. Jeep,
G. Kawerau, K. Kehrbach, A. Koester. G. Liebe, R. M. Meyer, V. Michels,
F. Muncker, E. Naumann, L. Pariser, O. Pnivwer, Al. Neifferscheid, H. Nci-
mann, A. Sauer, Ad. Stern. V. Valentin, F. Vogt, M. v. Waldberg, O. F.
Walzel, A. von Weilen. R. M. Werner, G. Winter, G. Witkowski, H. Wunderlich,
mit besondrer Unterstützung von Erich Schmidt durch Julius Elias und (nachdem
der ursprüngliche Mitbegründer Siegfried Szamatolski 1894 verstorben ist)
Max Osborn herausgegeben werden und mit dem im Jahre 1895 erschienenen
Bande bereits ihren vierten Jahrgang hinter sich haben. Es handelt sich dabei
auch nicht um schmächtige Hefte, fondern um stattliche Großoktavbände, die
durch eine geschickte Druckeinteilung und höchst gedrängten Satz eine gewaltige
Jnhaltsfülle in sich aufnehmen können und in den vier Jahrgängen auch
wachsend aufgenommen haben. Die "Jahresberichte" verzeichnen und besprechen
die gesamte historische, biographische, ästhetische und kritische Litteratur, die zur
neuern deutschen Litteraturgeschichte vom fünfzehnten Jahrhundert bis zur
Gegenwart in irgend einer Weise in Beziehung steht, und dehnen ihre Um¬
schau und Übersicht dabei insofern auch auf das Ausland aus, als die ange-




Zur Litteraturgeschichte

le Periode scheint glücklich hinter uns zu liegen, wo es zu den
Besonderheiten der deutschen Bildung gehörte, daß die Gebildeten
mehr Litteraturgeschichte als Litteratur lasen und ihre Kenntnis von
bedeutenden Dichtern nud Schriftstellern aus „Essais" schöpften.
Wer es für seine Pflicht hält, alle Romane neuester Richtung
und alle als modern gestempelten Dramen zu lesen, kann unmöglich Zeit für
die Litteratur der Vergangenheit, selbst nicht in der Form biographisch-kritischer
Schilderung gewinnen. Daß trotzdem auf diesem Gebiete nicht weniger, sondern
mit jeden: Jahre mehr geforscht und dargestellt wird, die vergessensten Gestalten
in das große Schattenspiel der Litteraturerinnerungen wieder eingereiht, die
kleinsten und verborgensten Beziehungen erörtert und aufgehellt werden, daß
ein fast erschreckender Fleiß in jeder Einzelfurche des großen Feldes rodet,
gräbt, sät und erntet, das zeigen vor allem die Jahresberichte für neuere
deutsche Litteraturgeschichte, die unter ständiger Mitwirkung von I. Bolle,
W. Creizenach, G. Ellinger, E. Elster, P. Goldschcider. W. Golther, C. Gurlitt,
O. Harnack, O. v. Hase, A. Hauffer, K. Heinemann, A. Heusler, E. Jeep,
G. Kawerau, K. Kehrbach, A. Koester. G. Liebe, R. M. Meyer, V. Michels,
F. Muncker, E. Naumann, L. Pariser, O. Pnivwer, Al. Neifferscheid, H. Nci-
mann, A. Sauer, Ad. Stern. V. Valentin, F. Vogt, M. v. Waldberg, O. F.
Walzel, A. von Weilen. R. M. Werner, G. Winter, G. Witkowski, H. Wunderlich,
mit besondrer Unterstützung von Erich Schmidt durch Julius Elias und (nachdem
der ursprüngliche Mitbegründer Siegfried Szamatolski 1894 verstorben ist)
Max Osborn herausgegeben werden und mit dem im Jahre 1895 erschienenen
Bande bereits ihren vierten Jahrgang hinter sich haben. Es handelt sich dabei
auch nicht um schmächtige Hefte, fondern um stattliche Großoktavbände, die
durch eine geschickte Druckeinteilung und höchst gedrängten Satz eine gewaltige
Jnhaltsfülle in sich aufnehmen können und in den vier Jahrgängen auch
wachsend aufgenommen haben. Die „Jahresberichte" verzeichnen und besprechen
die gesamte historische, biographische, ästhetische und kritische Litteratur, die zur
neuern deutschen Litteraturgeschichte vom fünfzehnten Jahrhundert bis zur
Gegenwart in irgend einer Weise in Beziehung steht, und dehnen ihre Um¬
schau und Übersicht dabei insofern auch auf das Ausland aus, als die ange-


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[0614] [Abbildung] Zur Litteraturgeschichte le Periode scheint glücklich hinter uns zu liegen, wo es zu den Besonderheiten der deutschen Bildung gehörte, daß die Gebildeten mehr Litteraturgeschichte als Litteratur lasen und ihre Kenntnis von bedeutenden Dichtern nud Schriftstellern aus „Essais" schöpften. Wer es für seine Pflicht hält, alle Romane neuester Richtung und alle als modern gestempelten Dramen zu lesen, kann unmöglich Zeit für die Litteratur der Vergangenheit, selbst nicht in der Form biographisch-kritischer Schilderung gewinnen. Daß trotzdem auf diesem Gebiete nicht weniger, sondern mit jeden: Jahre mehr geforscht und dargestellt wird, die vergessensten Gestalten in das große Schattenspiel der Litteraturerinnerungen wieder eingereiht, die kleinsten und verborgensten Beziehungen erörtert und aufgehellt werden, daß ein fast erschreckender Fleiß in jeder Einzelfurche des großen Feldes rodet, gräbt, sät und erntet, das zeigen vor allem die Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte, die unter ständiger Mitwirkung von I. Bolle, W. Creizenach, G. Ellinger, E. Elster, P. Goldschcider. W. Golther, C. Gurlitt, O. Harnack, O. v. Hase, A. Hauffer, K. Heinemann, A. Heusler, E. Jeep, G. Kawerau, K. Kehrbach, A. Koester. G. Liebe, R. M. Meyer, V. Michels, F. Muncker, E. Naumann, L. Pariser, O. Pnivwer, Al. Neifferscheid, H. Nci- mann, A. Sauer, Ad. Stern. V. Valentin, F. Vogt, M. v. Waldberg, O. F. Walzel, A. von Weilen. R. M. Werner, G. Winter, G. Witkowski, H. Wunderlich, mit besondrer Unterstützung von Erich Schmidt durch Julius Elias und (nachdem der ursprüngliche Mitbegründer Siegfried Szamatolski 1894 verstorben ist) Max Osborn herausgegeben werden und mit dem im Jahre 1895 erschienenen Bande bereits ihren vierten Jahrgang hinter sich haben. Es handelt sich dabei auch nicht um schmächtige Hefte, fondern um stattliche Großoktavbände, die durch eine geschickte Druckeinteilung und höchst gedrängten Satz eine gewaltige Jnhaltsfülle in sich aufnehmen können und in den vier Jahrgängen auch wachsend aufgenommen haben. Die „Jahresberichte" verzeichnen und besprechen die gesamte historische, biographische, ästhetische und kritische Litteratur, die zur neuern deutschen Litteraturgeschichte vom fünfzehnten Jahrhundert bis zur Gegenwart in irgend einer Weise in Beziehung steht, und dehnen ihre Um¬ schau und Übersicht dabei insofern auch auf das Ausland aus, als die ange-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/614>, abgerufen am 27.04.2024.