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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Der Zwischenhandel
Anno Hegart von (Schluß)

me ganz andre Bedeutung, als in den eben betrachteten Fällen,
hat der Zwischenhandel für die auf der mittlern Entwicklungs¬
stufe befindlichen Produktionen, bei denen eine auch örtlich
durchgeführte Arbeitsteilung nnter den einzelnen Unternehmungen
besteht, wie sie für viele Geschäftszweige heute typisch ist. Nehmen
wir eine Fabrik an, die mit ihren hundert Arbeitern und zahlreichen Ma¬
schinen jahraus jahrein nur schwarze Glacehandschuhe zu bestimmten Preisen
oder Baumwolleustoff von einer bestimmten Art anfertigt, oder einen Ver¬
leger, dessen sämtliche Hansarbeiter, zusammengedrängt auf einen kleinen Be¬
zirk, ebenso gleichmäßig ganz rohe schmuck- und kunstlose Holzpferdchen als
Kinderspielzeug herstellen. Hier ist ohne weiteres klar, daß ein besondrer Absatz
an bestimmten Orten durch eigne Detailgeschäfte nicht denkbar ist. Alle Pro¬
duktionsbetriebe also, deren Leistungsfähigkeit nur ein kleines Gebiet des Ge¬
schäftszweiges umfaßt, in dem sie thätig sind, sind notwendigerweise auf deu
Zwischenhandel angewiesen, um ihre Ware an den Konsumenten zu bringen.

Früher war für solche Unterredungen. namentlich für Hausindustrien, der
Hausirhandel üblich (ich erinnere an die pfälzischen Babuschenmacher, die
Schwarzwälder Uhrmacher usw.), oder der Jahrmarktsbesuch (so für die Bunz-
lcmer Töpfer, für Landschuhmacher. Böttcher usw.). Ich entsinne mich beider
Formen des Absatzes noch aus den siebziger Jahren. Heute sind sie ganz im
Aussterben begriffen, weil sie gegenüber den modernen Arten des Waren¬
verkehrs viel zu kostspielig siud. Der heutige Jahrmarkts- und Hausirhandel
hat eine ganz andre Aufgabe, als die Vermittlung zwischen Produzenten und
Konsumenten: er schaltet, soweit er mehr ist als eine häßliche Form der Bettelei,
die allerkleinsten Krämer in Dorf und Landstadt aus, indem er das kleine
Kapital, das der seßhafte Krämer braucht, um die Bedürfnisse eines Ortes zu
befriedigen, für Wnrenversorgung einer ganzen Anzahl solcher Ortschaften be¬
nutzt und infolge dessen viel öfter umsetzt. Daher kann sein Betriebskapital
entweder noch kleiner sein, als das des seßhaften Krämers (dies ist der Fall


Grcnz boten II 1896 s


Der Zwischenhandel
Anno Hegart von (Schluß)

me ganz andre Bedeutung, als in den eben betrachteten Fällen,
hat der Zwischenhandel für die auf der mittlern Entwicklungs¬
stufe befindlichen Produktionen, bei denen eine auch örtlich
durchgeführte Arbeitsteilung nnter den einzelnen Unternehmungen
besteht, wie sie für viele Geschäftszweige heute typisch ist. Nehmen
wir eine Fabrik an, die mit ihren hundert Arbeitern und zahlreichen Ma¬
schinen jahraus jahrein nur schwarze Glacehandschuhe zu bestimmten Preisen
oder Baumwolleustoff von einer bestimmten Art anfertigt, oder einen Ver¬
leger, dessen sämtliche Hansarbeiter, zusammengedrängt auf einen kleinen Be¬
zirk, ebenso gleichmäßig ganz rohe schmuck- und kunstlose Holzpferdchen als
Kinderspielzeug herstellen. Hier ist ohne weiteres klar, daß ein besondrer Absatz
an bestimmten Orten durch eigne Detailgeschäfte nicht denkbar ist. Alle Pro¬
duktionsbetriebe also, deren Leistungsfähigkeit nur ein kleines Gebiet des Ge¬
schäftszweiges umfaßt, in dem sie thätig sind, sind notwendigerweise auf deu
Zwischenhandel angewiesen, um ihre Ware an den Konsumenten zu bringen.

Früher war für solche Unterredungen. namentlich für Hausindustrien, der
Hausirhandel üblich (ich erinnere an die pfälzischen Babuschenmacher, die
Schwarzwälder Uhrmacher usw.), oder der Jahrmarktsbesuch (so für die Bunz-
lcmer Töpfer, für Landschuhmacher. Böttcher usw.). Ich entsinne mich beider
Formen des Absatzes noch aus den siebziger Jahren. Heute sind sie ganz im
Aussterben begriffen, weil sie gegenüber den modernen Arten des Waren¬
verkehrs viel zu kostspielig siud. Der heutige Jahrmarkts- und Hausirhandel
hat eine ganz andre Aufgabe, als die Vermittlung zwischen Produzenten und
Konsumenten: er schaltet, soweit er mehr ist als eine häßliche Form der Bettelei,
die allerkleinsten Krämer in Dorf und Landstadt aus, indem er das kleine
Kapital, das der seßhafte Krämer braucht, um die Bedürfnisse eines Ortes zu
befriedigen, für Wnrenversorgung einer ganzen Anzahl solcher Ortschaften be¬
nutzt und infolge dessen viel öfter umsetzt. Daher kann sein Betriebskapital
entweder noch kleiner sein, als das des seßhaften Krämers (dies ist der Fall


Grcnz boten II 1896 s
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[0065] [Abbildung] Der Zwischenhandel Anno Hegart von (Schluß) me ganz andre Bedeutung, als in den eben betrachteten Fällen, hat der Zwischenhandel für die auf der mittlern Entwicklungs¬ stufe befindlichen Produktionen, bei denen eine auch örtlich durchgeführte Arbeitsteilung nnter den einzelnen Unternehmungen besteht, wie sie für viele Geschäftszweige heute typisch ist. Nehmen wir eine Fabrik an, die mit ihren hundert Arbeitern und zahlreichen Ma¬ schinen jahraus jahrein nur schwarze Glacehandschuhe zu bestimmten Preisen oder Baumwolleustoff von einer bestimmten Art anfertigt, oder einen Ver¬ leger, dessen sämtliche Hansarbeiter, zusammengedrängt auf einen kleinen Be¬ zirk, ebenso gleichmäßig ganz rohe schmuck- und kunstlose Holzpferdchen als Kinderspielzeug herstellen. Hier ist ohne weiteres klar, daß ein besondrer Absatz an bestimmten Orten durch eigne Detailgeschäfte nicht denkbar ist. Alle Pro¬ duktionsbetriebe also, deren Leistungsfähigkeit nur ein kleines Gebiet des Ge¬ schäftszweiges umfaßt, in dem sie thätig sind, sind notwendigerweise auf deu Zwischenhandel angewiesen, um ihre Ware an den Konsumenten zu bringen. Früher war für solche Unterredungen. namentlich für Hausindustrien, der Hausirhandel üblich (ich erinnere an die pfälzischen Babuschenmacher, die Schwarzwälder Uhrmacher usw.), oder der Jahrmarktsbesuch (so für die Bunz- lcmer Töpfer, für Landschuhmacher. Böttcher usw.). Ich entsinne mich beider Formen des Absatzes noch aus den siebziger Jahren. Heute sind sie ganz im Aussterben begriffen, weil sie gegenüber den modernen Arten des Waren¬ verkehrs viel zu kostspielig siud. Der heutige Jahrmarkts- und Hausirhandel hat eine ganz andre Aufgabe, als die Vermittlung zwischen Produzenten und Konsumenten: er schaltet, soweit er mehr ist als eine häßliche Form der Bettelei, die allerkleinsten Krämer in Dorf und Landstadt aus, indem er das kleine Kapital, das der seßhafte Krämer braucht, um die Bedürfnisse eines Ortes zu befriedigen, für Wnrenversorgung einer ganzen Anzahl solcher Ortschaften be¬ nutzt und infolge dessen viel öfter umsetzt. Daher kann sein Betriebskapital entweder noch kleiner sein, als das des seßhaften Krämers (dies ist der Fall Grcnz boten II 1896 s

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/65>, abgerufen am 27.04.2024.