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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die Arbeitsverhältnisse in der Konfektionsindustrie

das Verhängnis einer Verschlimmerung unsrer nicht beneidenswerten Rechts-
zustände erspart geblieben, und es haben sich auch in dritter Lesung für die
Regierungsvorlage noch weniger Stimmen zusammengefunden, als für das Um¬
sturzgesetz seligen Angedenkens.




Die Arbeitsverhältnisse in der Konfektionsindustrie

achten in den ersten Tagen des neuen Jahres von dem kaiser¬
lichen statistischen Amte ein Bericht über die Ergebnisse der
im Laufe des Jahres 1396 angestellten Ermittlungen über die
Arbeits Verhältnisse in der Kleider- und Wäschekonfektion ver¬
öffentlicht worden ist, und die Kommission für Arbeiterstatistik
am 9. und 11. Januar auf Grund dieses Berichts über etwa vorzuschlagende
staatliche Maßnahmen beraten hat, sei es erlaubt, hier nochmals auf den
kürzlich in den Grenzboten ausführlich besprochnen Gegenstand zurückzukommen.
Es wird sich dabei hauptsächlich um die bisher ersichtlich gewordne Stellung
der Regierungskreise zu ihm handeln. Die sozialpolitische Bedeutung der Sache
an sich ist wohl hinreichend oft und nachdrücklich betont worden, dies als
gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Der Bericht des kaiserlichen statistischen Amts, der sich selbst nur als eine
"Zusammenstellung der Ergebnisse der Ermittlungen über die Arbeitsverhält¬
nisse in der Kleider- und Wäschekonfektion" bezeichnet, verzichtet nach unserm
Dafürhalten doch wohl zu leicht darauf, die Ergebnisse mit den Beschwerden
und Behauptungen zu vergleichen, die Veranlassung zu den Ermittlungen
gegeben haben. Nur in einer Frage, bei den in Abschnitt 10 des Berichts
behandelten "sittlichen Zuständen in der Konfektion," hat das statistische Amt
diesen Vergleich nicht gescheut, sondern in mustergiltiger Weise gezogen. Es
hat dadurch selbst gezeigt, wie es auch bei den andern Fragen hätte Ver¬
fahren können. Bei der ganz besondern Bedeutung, die zur Zeit gerade die
Feststellung der amtlichen Auffassung der Verhältnisse gewinnt, und bei dem
verdienten Ansehen, das der verantwortliche Berichterstatter, der Direktor des
kaiserlichen statistischen Amts, Geheimrat Dr. von Scheel, als gewissenhafter
Statistiker wie als wissenschaftliche Autorität unter den Sozialpolitikern genießt,
möge der kurze Bericht über die "sittlichen Zustände" hier zunächst Platz
finden. Bemerkt sei dabei, daß in der Neichstagssitzung vom 12. Februar 1896
der Staatssekretär von Bötticher auch die Beschwerden über die sittlichen Zu-


Die Arbeitsverhältnisse in der Konfektionsindustrie

das Verhängnis einer Verschlimmerung unsrer nicht beneidenswerten Rechts-
zustände erspart geblieben, und es haben sich auch in dritter Lesung für die
Regierungsvorlage noch weniger Stimmen zusammengefunden, als für das Um¬
sturzgesetz seligen Angedenkens.




Die Arbeitsverhältnisse in der Konfektionsindustrie

achten in den ersten Tagen des neuen Jahres von dem kaiser¬
lichen statistischen Amte ein Bericht über die Ergebnisse der
im Laufe des Jahres 1396 angestellten Ermittlungen über die
Arbeits Verhältnisse in der Kleider- und Wäschekonfektion ver¬
öffentlicht worden ist, und die Kommission für Arbeiterstatistik
am 9. und 11. Januar auf Grund dieses Berichts über etwa vorzuschlagende
staatliche Maßnahmen beraten hat, sei es erlaubt, hier nochmals auf den
kürzlich in den Grenzboten ausführlich besprochnen Gegenstand zurückzukommen.
Es wird sich dabei hauptsächlich um die bisher ersichtlich gewordne Stellung
der Regierungskreise zu ihm handeln. Die sozialpolitische Bedeutung der Sache
an sich ist wohl hinreichend oft und nachdrücklich betont worden, dies als
gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Der Bericht des kaiserlichen statistischen Amts, der sich selbst nur als eine
„Zusammenstellung der Ergebnisse der Ermittlungen über die Arbeitsverhält¬
nisse in der Kleider- und Wäschekonfektion" bezeichnet, verzichtet nach unserm
Dafürhalten doch wohl zu leicht darauf, die Ergebnisse mit den Beschwerden
und Behauptungen zu vergleichen, die Veranlassung zu den Ermittlungen
gegeben haben. Nur in einer Frage, bei den in Abschnitt 10 des Berichts
behandelten „sittlichen Zuständen in der Konfektion," hat das statistische Amt
diesen Vergleich nicht gescheut, sondern in mustergiltiger Weise gezogen. Es
hat dadurch selbst gezeigt, wie es auch bei den andern Fragen hätte Ver¬
fahren können. Bei der ganz besondern Bedeutung, die zur Zeit gerade die
Feststellung der amtlichen Auffassung der Verhältnisse gewinnt, und bei dem
verdienten Ansehen, das der verantwortliche Berichterstatter, der Direktor des
kaiserlichen statistischen Amts, Geheimrat Dr. von Scheel, als gewissenhafter
Statistiker wie als wissenschaftliche Autorität unter den Sozialpolitikern genießt,
möge der kurze Bericht über die „sittlichen Zustände" hier zunächst Platz
finden. Bemerkt sei dabei, daß in der Neichstagssitzung vom 12. Februar 1896
der Staatssekretär von Bötticher auch die Beschwerden über die sittlichen Zu-


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[0140] Die Arbeitsverhältnisse in der Konfektionsindustrie das Verhängnis einer Verschlimmerung unsrer nicht beneidenswerten Rechts- zustände erspart geblieben, und es haben sich auch in dritter Lesung für die Regierungsvorlage noch weniger Stimmen zusammengefunden, als für das Um¬ sturzgesetz seligen Angedenkens. Die Arbeitsverhältnisse in der Konfektionsindustrie achten in den ersten Tagen des neuen Jahres von dem kaiser¬ lichen statistischen Amte ein Bericht über die Ergebnisse der im Laufe des Jahres 1396 angestellten Ermittlungen über die Arbeits Verhältnisse in der Kleider- und Wäschekonfektion ver¬ öffentlicht worden ist, und die Kommission für Arbeiterstatistik am 9. und 11. Januar auf Grund dieses Berichts über etwa vorzuschlagende staatliche Maßnahmen beraten hat, sei es erlaubt, hier nochmals auf den kürzlich in den Grenzboten ausführlich besprochnen Gegenstand zurückzukommen. Es wird sich dabei hauptsächlich um die bisher ersichtlich gewordne Stellung der Regierungskreise zu ihm handeln. Die sozialpolitische Bedeutung der Sache an sich ist wohl hinreichend oft und nachdrücklich betont worden, dies als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Der Bericht des kaiserlichen statistischen Amts, der sich selbst nur als eine „Zusammenstellung der Ergebnisse der Ermittlungen über die Arbeitsverhält¬ nisse in der Kleider- und Wäschekonfektion" bezeichnet, verzichtet nach unserm Dafürhalten doch wohl zu leicht darauf, die Ergebnisse mit den Beschwerden und Behauptungen zu vergleichen, die Veranlassung zu den Ermittlungen gegeben haben. Nur in einer Frage, bei den in Abschnitt 10 des Berichts behandelten „sittlichen Zuständen in der Konfektion," hat das statistische Amt diesen Vergleich nicht gescheut, sondern in mustergiltiger Weise gezogen. Es hat dadurch selbst gezeigt, wie es auch bei den andern Fragen hätte Ver¬ fahren können. Bei der ganz besondern Bedeutung, die zur Zeit gerade die Feststellung der amtlichen Auffassung der Verhältnisse gewinnt, und bei dem verdienten Ansehen, das der verantwortliche Berichterstatter, der Direktor des kaiserlichen statistischen Amts, Geheimrat Dr. von Scheel, als gewissenhafter Statistiker wie als wissenschaftliche Autorität unter den Sozialpolitikern genießt, möge der kurze Bericht über die „sittlichen Zustände" hier zunächst Platz finden. Bemerkt sei dabei, daß in der Neichstagssitzung vom 12. Februar 1896 der Staatssekretär von Bötticher auch die Beschwerden über die sittlichen Zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/140>, abgerufen am 01.05.2024.