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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte

die großen Maskatesel und bei den Offizieren der Schutztruppe Pferde in Ge¬
brauch. Ob sich Pferde als Lasttiere im Gebiet der ganzen Kolonie bewähren
würden, ist noch die Frage: man fürchtet den Mangel an Futterkräuteru.

Mehr denn je steht die Verkehrsmittelfrage jetzt im Vordergrunde des
Interesses der Koloinalkreise. Möge man aber nicht wieder in die Ferne
schweifen, wie das leider bisher in kolonialen Dingen der Fall gewesen ist.
Man muß doch immer von dem nächstliegenden ausgehen, mit dem anfangen,
was das Land selbst bietet, um daun stufenweise zu höheren fortzuschreiten.
Nur so kann für die Zukunft von Deutsch-Ostafrika, dieses Schmerzenskinds
unsrer Kolonialbestrebungen, eine tüchtige Grundlage geschaffen werden. Fremden
Stoff schleppe man nicht eher in die Kolonie, als bis der dort in so reichem
Maße vorhandne verarbeitet ist, als bis sich die heimischen Keime zur Frucht
entwickelt haben.




Zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte

er zweite Band von Ashleys Englischer Wirtschaftsgeschichte (vgl.
die Grenzboten 1896, Ur. 31) umfaßt die Zeit vom vierzehnten
bis zum sechzehnten Jahrhundert. Das Hauptergebnis der agrar-
geschichtlichen Kapitel ist an andrer Stelle kurz mitgeteilt worden.
Die gewerbegeschichtlichen ergeben ein Bild, das dem Idealbilds
der Zunftschwärmer wenig entspricht. Über die zahlreichen Aufsichtsmaßregeln,
die damals den Gewerbebetrieb einschränkten, meint Ashley, sie bewiesen freilich
einerseits das Gefühl der Jnnungsleitcr für Standesehre, und andrerseits, daß
man den Nutzen der Ehrlichkeit für das Gewerbe als Ganzes wohl erkannt habe.
"Je mehr wir jedoch in den Gedankenkreis jener Zeit eindringen, desto mehr
kommen wir zu der Überzeugung, daß derartige Maßregeln erforderlich waren,
nicht weil man damals weniger zu Betrug und Pfuscherei neigte als heute,
sondern gerade umgekehrt, weil sich diese Neigung in höheren Grade bemerkbar
machte." Die damals üblichen Formen des Betrugs, wie falsches Maß und
Gewicht, das Verpacken von Steinen in Heu und Wollsäcke, waren im all¬
gemeinen plumper als die heutigen "Was wir bereits früher von den kirch¬
lichen Einrichtungen gesagt haben, das gilt auch vou den gewerblichen: der
einzelne suchte bei der Schwachheit seines eignen Gewissens Zuflucht in der
Stärke eines gemeinsamen Gewissens." Leider scheint auch heute das Vertrauen
der Gewerbtreibenden auf ihr eignes Gewissen noch nicht sehr stark zu sein.


Zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte

die großen Maskatesel und bei den Offizieren der Schutztruppe Pferde in Ge¬
brauch. Ob sich Pferde als Lasttiere im Gebiet der ganzen Kolonie bewähren
würden, ist noch die Frage: man fürchtet den Mangel an Futterkräuteru.

Mehr denn je steht die Verkehrsmittelfrage jetzt im Vordergrunde des
Interesses der Koloinalkreise. Möge man aber nicht wieder in die Ferne
schweifen, wie das leider bisher in kolonialen Dingen der Fall gewesen ist.
Man muß doch immer von dem nächstliegenden ausgehen, mit dem anfangen,
was das Land selbst bietet, um daun stufenweise zu höheren fortzuschreiten.
Nur so kann für die Zukunft von Deutsch-Ostafrika, dieses Schmerzenskinds
unsrer Kolonialbestrebungen, eine tüchtige Grundlage geschaffen werden. Fremden
Stoff schleppe man nicht eher in die Kolonie, als bis der dort in so reichem
Maße vorhandne verarbeitet ist, als bis sich die heimischen Keime zur Frucht
entwickelt haben.




Zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte

er zweite Band von Ashleys Englischer Wirtschaftsgeschichte (vgl.
die Grenzboten 1896, Ur. 31) umfaßt die Zeit vom vierzehnten
bis zum sechzehnten Jahrhundert. Das Hauptergebnis der agrar-
geschichtlichen Kapitel ist an andrer Stelle kurz mitgeteilt worden.
Die gewerbegeschichtlichen ergeben ein Bild, das dem Idealbilds
der Zunftschwärmer wenig entspricht. Über die zahlreichen Aufsichtsmaßregeln,
die damals den Gewerbebetrieb einschränkten, meint Ashley, sie bewiesen freilich
einerseits das Gefühl der Jnnungsleitcr für Standesehre, und andrerseits, daß
man den Nutzen der Ehrlichkeit für das Gewerbe als Ganzes wohl erkannt habe.
„Je mehr wir jedoch in den Gedankenkreis jener Zeit eindringen, desto mehr
kommen wir zu der Überzeugung, daß derartige Maßregeln erforderlich waren,
nicht weil man damals weniger zu Betrug und Pfuscherei neigte als heute,
sondern gerade umgekehrt, weil sich diese Neigung in höheren Grade bemerkbar
machte." Die damals üblichen Formen des Betrugs, wie falsches Maß und
Gewicht, das Verpacken von Steinen in Heu und Wollsäcke, waren im all¬
gemeinen plumper als die heutigen „Was wir bereits früher von den kirch¬
lichen Einrichtungen gesagt haben, das gilt auch vou den gewerblichen: der
einzelne suchte bei der Schwachheit seines eignen Gewissens Zuflucht in der
Stärke eines gemeinsamen Gewissens." Leider scheint auch heute das Vertrauen
der Gewerbtreibenden auf ihr eignes Gewissen noch nicht sehr stark zu sein.


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[0172] Zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte die großen Maskatesel und bei den Offizieren der Schutztruppe Pferde in Ge¬ brauch. Ob sich Pferde als Lasttiere im Gebiet der ganzen Kolonie bewähren würden, ist noch die Frage: man fürchtet den Mangel an Futterkräuteru. Mehr denn je steht die Verkehrsmittelfrage jetzt im Vordergrunde des Interesses der Koloinalkreise. Möge man aber nicht wieder in die Ferne schweifen, wie das leider bisher in kolonialen Dingen der Fall gewesen ist. Man muß doch immer von dem nächstliegenden ausgehen, mit dem anfangen, was das Land selbst bietet, um daun stufenweise zu höheren fortzuschreiten. Nur so kann für die Zukunft von Deutsch-Ostafrika, dieses Schmerzenskinds unsrer Kolonialbestrebungen, eine tüchtige Grundlage geschaffen werden. Fremden Stoff schleppe man nicht eher in die Kolonie, als bis der dort in so reichem Maße vorhandne verarbeitet ist, als bis sich die heimischen Keime zur Frucht entwickelt haben. Zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte er zweite Band von Ashleys Englischer Wirtschaftsgeschichte (vgl. die Grenzboten 1896, Ur. 31) umfaßt die Zeit vom vierzehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert. Das Hauptergebnis der agrar- geschichtlichen Kapitel ist an andrer Stelle kurz mitgeteilt worden. Die gewerbegeschichtlichen ergeben ein Bild, das dem Idealbilds der Zunftschwärmer wenig entspricht. Über die zahlreichen Aufsichtsmaßregeln, die damals den Gewerbebetrieb einschränkten, meint Ashley, sie bewiesen freilich einerseits das Gefühl der Jnnungsleitcr für Standesehre, und andrerseits, daß man den Nutzen der Ehrlichkeit für das Gewerbe als Ganzes wohl erkannt habe. „Je mehr wir jedoch in den Gedankenkreis jener Zeit eindringen, desto mehr kommen wir zu der Überzeugung, daß derartige Maßregeln erforderlich waren, nicht weil man damals weniger zu Betrug und Pfuscherei neigte als heute, sondern gerade umgekehrt, weil sich diese Neigung in höheren Grade bemerkbar machte." Die damals üblichen Formen des Betrugs, wie falsches Maß und Gewicht, das Verpacken von Steinen in Heu und Wollsäcke, waren im all¬ gemeinen plumper als die heutigen „Was wir bereits früher von den kirch¬ lichen Einrichtungen gesagt haben, das gilt auch vou den gewerblichen: der einzelne suchte bei der Schwachheit seines eignen Gewissens Zuflucht in der Stärke eines gemeinsamen Gewissens." Leider scheint auch heute das Vertrauen der Gewerbtreibenden auf ihr eignes Gewissen noch nicht sehr stark zu sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/172>, abgerufen am 30.04.2024.