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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßstabes hervorrufen, und praktisch namentlich um die Gefahr einer neu
beginnenden, unser Wirtschaftsleben für die Zukunft lähmenden, ja vernichtenden
Ausstandsperiode. Wir glauben angesichts dieser ernsten Lage nicht, daß der
deutsche Kaiser den Kanzler und Minister, der diesen Hamburger Aufstand
erlebt hat und nicht alles aufbietet, ähnlichen Katastrophen vorzubeugen
und, wenn sie ausbrechen, sie zu unterdrücken, als seinen Helfer dulden werde.
Als ersten Schritt zur Hilfe haben nicht wir allein ein vollmachtreiches
deutsches Arbeitsamt verlangt, das die dauernde Erforschung und Bewachung
der Arbeitsverhältnisse zu leisten vermag und in vorkommenden Ausstands¬
fällen von Amts wegen unverzüglich den Thatbestand feststellt, die Frage nach
der Berechtigung aufklärt und durch gesetzlich ihm zur Verfügung zu stellende
Machtmittel unter gesetzlich festzusetzenden Formen und Bedingungen dem Rechte
Schutz, dem Unrecht Einhalt schafft. Der Staat, der dafür nicht sorgt,
wird über kurz und lang zum Gespött im Lande und zum Gespött unter den
Völkern werden.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Brennende Fragen.

Nicht jede Frage des öffentlichen Lebens brennt jeden.
Den Grafen Limburg-Stirnen hat die Frage gebrannt, wie wohl in unsrer Regie¬
rung die wünschenswerte Einheit herzustellen und die preußische Tradition vor der
Durchbrechung durch Leute wie deu Freiherrn von Marschall zu sichern wäre. Der
Reichskanzler hat den Brand mit der Erklärung gelöscht, daß das Stnntsministerium
stets viMmnmen einig und die Handlungsweise des angefeindeten Staatssekretärs
ganz korrekt gewesen sei, und er hat außerdem durch die Versicherung, daß es das
Staatsministerium in etwaigen zukünftigen Fällen ebenso machen werde wie im
Falle Tausch, den hitzigen Eifer gewisser guter Patrioten abgekühlt, die, um das
Vaterland zu retten, Minister auf uuparlamentarischeu Wegen stürzen möchten. Den
Fiuanztcchnikern, wie Miguel und Richter, macht die Frage viel zu schaffen, in
welches Verhältnis das Steuerwesen des Reichs zu dem der Einzelstaaten zu setzen
sei. Den durchschnittlichen Steuerzahler beunruhigt nur die Furcht vor Steuer-
crhöhungen; ob sei" Geld durch die Kanäle des Reichs oder durch die seines engern
Vaterlands in den Verwaltungskörper oder in die Armee fließt, das interessirt ihn
.wenig. Dem Herrn Hcmdelsmiuster brennt die Frage auf die Finger, ob die freie
Vereinigung der Getreidehändler eine Börse sei. Vielleicht, wenn er sich recht Zeit
nimmt, erlischt der Brand von selbst. Die Bauern sind von den. Maßregeln, die
man zu ihrer "Rettung" ergriffen hat, nicht sonderlich befriedigt. Die Proviant-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßstabes hervorrufen, und praktisch namentlich um die Gefahr einer neu
beginnenden, unser Wirtschaftsleben für die Zukunft lähmenden, ja vernichtenden
Ausstandsperiode. Wir glauben angesichts dieser ernsten Lage nicht, daß der
deutsche Kaiser den Kanzler und Minister, der diesen Hamburger Aufstand
erlebt hat und nicht alles aufbietet, ähnlichen Katastrophen vorzubeugen
und, wenn sie ausbrechen, sie zu unterdrücken, als seinen Helfer dulden werde.
Als ersten Schritt zur Hilfe haben nicht wir allein ein vollmachtreiches
deutsches Arbeitsamt verlangt, das die dauernde Erforschung und Bewachung
der Arbeitsverhältnisse zu leisten vermag und in vorkommenden Ausstands¬
fällen von Amts wegen unverzüglich den Thatbestand feststellt, die Frage nach
der Berechtigung aufklärt und durch gesetzlich ihm zur Verfügung zu stellende
Machtmittel unter gesetzlich festzusetzenden Formen und Bedingungen dem Rechte
Schutz, dem Unrecht Einhalt schafft. Der Staat, der dafür nicht sorgt,
wird über kurz und lang zum Gespött im Lande und zum Gespött unter den
Völkern werden.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Brennende Fragen.

Nicht jede Frage des öffentlichen Lebens brennt jeden.
Den Grafen Limburg-Stirnen hat die Frage gebrannt, wie wohl in unsrer Regie¬
rung die wünschenswerte Einheit herzustellen und die preußische Tradition vor der
Durchbrechung durch Leute wie deu Freiherrn von Marschall zu sichern wäre. Der
Reichskanzler hat den Brand mit der Erklärung gelöscht, daß das Stnntsministerium
stets viMmnmen einig und die Handlungsweise des angefeindeten Staatssekretärs
ganz korrekt gewesen sei, und er hat außerdem durch die Versicherung, daß es das
Staatsministerium in etwaigen zukünftigen Fällen ebenso machen werde wie im
Falle Tausch, den hitzigen Eifer gewisser guter Patrioten abgekühlt, die, um das
Vaterland zu retten, Minister auf uuparlamentarischeu Wegen stürzen möchten. Den
Fiuanztcchnikern, wie Miguel und Richter, macht die Frage viel zu schaffen, in
welches Verhältnis das Steuerwesen des Reichs zu dem der Einzelstaaten zu setzen
sei. Den durchschnittlichen Steuerzahler beunruhigt nur die Furcht vor Steuer-
crhöhungen; ob sei» Geld durch die Kanäle des Reichs oder durch die seines engern
Vaterlands in den Verwaltungskörper oder in die Armee fließt, das interessirt ihn
.wenig. Dem Herrn Hcmdelsmiuster brennt die Frage auf die Finger, ob die freie
Vereinigung der Getreidehändler eine Börse sei. Vielleicht, wenn er sich recht Zeit
nimmt, erlischt der Brand von selbst. Die Bauern sind von den. Maßregeln, die
man zu ihrer „Rettung" ergriffen hat, nicht sonderlich befriedigt. Die Proviant-


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[0203] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßstabes hervorrufen, und praktisch namentlich um die Gefahr einer neu beginnenden, unser Wirtschaftsleben für die Zukunft lähmenden, ja vernichtenden Ausstandsperiode. Wir glauben angesichts dieser ernsten Lage nicht, daß der deutsche Kaiser den Kanzler und Minister, der diesen Hamburger Aufstand erlebt hat und nicht alles aufbietet, ähnlichen Katastrophen vorzubeugen und, wenn sie ausbrechen, sie zu unterdrücken, als seinen Helfer dulden werde. Als ersten Schritt zur Hilfe haben nicht wir allein ein vollmachtreiches deutsches Arbeitsamt verlangt, das die dauernde Erforschung und Bewachung der Arbeitsverhältnisse zu leisten vermag und in vorkommenden Ausstands¬ fällen von Amts wegen unverzüglich den Thatbestand feststellt, die Frage nach der Berechtigung aufklärt und durch gesetzlich ihm zur Verfügung zu stellende Machtmittel unter gesetzlich festzusetzenden Formen und Bedingungen dem Rechte Schutz, dem Unrecht Einhalt schafft. Der Staat, der dafür nicht sorgt, wird über kurz und lang zum Gespött im Lande und zum Gespött unter den Völkern werden. Maßgebliches und Unmaßgebliches Brennende Fragen. Nicht jede Frage des öffentlichen Lebens brennt jeden. Den Grafen Limburg-Stirnen hat die Frage gebrannt, wie wohl in unsrer Regie¬ rung die wünschenswerte Einheit herzustellen und die preußische Tradition vor der Durchbrechung durch Leute wie deu Freiherrn von Marschall zu sichern wäre. Der Reichskanzler hat den Brand mit der Erklärung gelöscht, daß das Stnntsministerium stets viMmnmen einig und die Handlungsweise des angefeindeten Staatssekretärs ganz korrekt gewesen sei, und er hat außerdem durch die Versicherung, daß es das Staatsministerium in etwaigen zukünftigen Fällen ebenso machen werde wie im Falle Tausch, den hitzigen Eifer gewisser guter Patrioten abgekühlt, die, um das Vaterland zu retten, Minister auf uuparlamentarischeu Wegen stürzen möchten. Den Fiuanztcchnikern, wie Miguel und Richter, macht die Frage viel zu schaffen, in welches Verhältnis das Steuerwesen des Reichs zu dem der Einzelstaaten zu setzen sei. Den durchschnittlichen Steuerzahler beunruhigt nur die Furcht vor Steuer- crhöhungen; ob sei» Geld durch die Kanäle des Reichs oder durch die seines engern Vaterlands in den Verwaltungskörper oder in die Armee fließt, das interessirt ihn .wenig. Dem Herrn Hcmdelsmiuster brennt die Frage auf die Finger, ob die freie Vereinigung der Getreidehändler eine Börse sei. Vielleicht, wenn er sich recht Zeit nimmt, erlischt der Brand von selbst. Die Bauern sind von den. Maßregeln, die man zu ihrer „Rettung" ergriffen hat, nicht sonderlich befriedigt. Die Proviant-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/203>, abgerufen am 01.05.2024.