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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die Entstehung des Staatsschuldenwesens und der Börsen

ladungen mit Geschenken des Zaren für Menelik, z. B. Musikinstrumente, sind
abgegangen, während der Präsident Faure der schwarzen Majestät Sövres-
porzellan, Parfümerien und einige Orden für die Ras(!) durch Lagarde über¬
reichen läßt. Und noch mehr. Udo Joseph hat einen Abstecher nach Kon¬
stantinopel gemacht und dem Sultan den abessinischen Orden Salomonis über¬
reicht. Menelik, der Erbfeind der Muhammedaner als christlicher Abessinier
zeigte sich vorurteilsfrei! Als Gegenleistung sendet ihm der Sultan durch eine
besonders prunkvolle Abordnung den Osmaniöorden usw. Alles Folgen des
Friedens von Abif Abeba!

So bliebe noch England. Stillvergnügt betrachtet es den Niedergang der
italienischen Kolonisation, und während es den Italienern mit patrvnisirender,
Miene das Zeugnis ausstellt, daß ihrer militärischen Ehre in Erythrüa vollauf
Genüge gethan sei, giebt es ihnen den guten Rat, sich ganz aus Afrika zurück¬
zuziehen. Kassala hat es schon halb in der Tasche, warum soll ihm nicht das
ganze, zur Abrundung des nordostafrikanischen Besitzes so außerordentlich ge¬
eignete Erythrüa zufallen? Dann erst würden der Zug nach Dongola und
ein weiterer nach Khartum-Omdurman goldne Früchte tragen. Freilich haben
bei solchen kolonialen Verschiebungen die europäischen Mächte auch noch ein
Wort mitzureden.

So sind denn als Folgen des Friedens von Abif Abeba zu verzeichnen:
für Italien eine stille Selbstbescheidung, in einzelnen andern Ländern eine ge¬
steigerte Begehrlichkeit. Erhthräa muß also doch etwas wert sein. Jedenfalls
würde eine etwaige Räumung der Kolonie vonseiten Italiens ernste europäische
Verwicklungen nach sich ziehen, zumal da es sich um Häfen und Gebiete handelt,
die an dem wichtigsten Seewege nach Indien liegen. Was wird geschehen,
wenn Italien die Flinte etwa voreilig ins Korn wirft?


Karl von Bruch Hausen


Die Entstehung des Staatsschuldenwesens
und der Börsen

me Madame Rothschild soll zur Zeit einer politischen Krisis in
Gesellschaft gesagt haben: es wird kein Krieg, mein Mann giebt
das Geld dazu nicht her. Das ist eine unverbürgte Anekdote;
urkundlich verbürgt aber ist es, daß Karl V. keinen seiner Kriege
hätte führen können, ja daß er nicht Kaiser geworden wäre, wenn
Jakob Fugger nicht das Geld dazu gegeben hätte. Da durfte wohl Ehrenberg


Die Entstehung des Staatsschuldenwesens und der Börsen

ladungen mit Geschenken des Zaren für Menelik, z. B. Musikinstrumente, sind
abgegangen, während der Präsident Faure der schwarzen Majestät Sövres-
porzellan, Parfümerien und einige Orden für die Ras(!) durch Lagarde über¬
reichen läßt. Und noch mehr. Udo Joseph hat einen Abstecher nach Kon¬
stantinopel gemacht und dem Sultan den abessinischen Orden Salomonis über¬
reicht. Menelik, der Erbfeind der Muhammedaner als christlicher Abessinier
zeigte sich vorurteilsfrei! Als Gegenleistung sendet ihm der Sultan durch eine
besonders prunkvolle Abordnung den Osmaniöorden usw. Alles Folgen des
Friedens von Abif Abeba!

So bliebe noch England. Stillvergnügt betrachtet es den Niedergang der
italienischen Kolonisation, und während es den Italienern mit patrvnisirender,
Miene das Zeugnis ausstellt, daß ihrer militärischen Ehre in Erythrüa vollauf
Genüge gethan sei, giebt es ihnen den guten Rat, sich ganz aus Afrika zurück¬
zuziehen. Kassala hat es schon halb in der Tasche, warum soll ihm nicht das
ganze, zur Abrundung des nordostafrikanischen Besitzes so außerordentlich ge¬
eignete Erythrüa zufallen? Dann erst würden der Zug nach Dongola und
ein weiterer nach Khartum-Omdurman goldne Früchte tragen. Freilich haben
bei solchen kolonialen Verschiebungen die europäischen Mächte auch noch ein
Wort mitzureden.

So sind denn als Folgen des Friedens von Abif Abeba zu verzeichnen:
für Italien eine stille Selbstbescheidung, in einzelnen andern Ländern eine ge¬
steigerte Begehrlichkeit. Erhthräa muß also doch etwas wert sein. Jedenfalls
würde eine etwaige Räumung der Kolonie vonseiten Italiens ernste europäische
Verwicklungen nach sich ziehen, zumal da es sich um Häfen und Gebiete handelt,
die an dem wichtigsten Seewege nach Indien liegen. Was wird geschehen,
wenn Italien die Flinte etwa voreilig ins Korn wirft?


Karl von Bruch Hausen


Die Entstehung des Staatsschuldenwesens
und der Börsen

me Madame Rothschild soll zur Zeit einer politischen Krisis in
Gesellschaft gesagt haben: es wird kein Krieg, mein Mann giebt
das Geld dazu nicht her. Das ist eine unverbürgte Anekdote;
urkundlich verbürgt aber ist es, daß Karl V. keinen seiner Kriege
hätte führen können, ja daß er nicht Kaiser geworden wäre, wenn
Jakob Fugger nicht das Geld dazu gegeben hätte. Da durfte wohl Ehrenberg


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[0282] Die Entstehung des Staatsschuldenwesens und der Börsen ladungen mit Geschenken des Zaren für Menelik, z. B. Musikinstrumente, sind abgegangen, während der Präsident Faure der schwarzen Majestät Sövres- porzellan, Parfümerien und einige Orden für die Ras(!) durch Lagarde über¬ reichen läßt. Und noch mehr. Udo Joseph hat einen Abstecher nach Kon¬ stantinopel gemacht und dem Sultan den abessinischen Orden Salomonis über¬ reicht. Menelik, der Erbfeind der Muhammedaner als christlicher Abessinier zeigte sich vorurteilsfrei! Als Gegenleistung sendet ihm der Sultan durch eine besonders prunkvolle Abordnung den Osmaniöorden usw. Alles Folgen des Friedens von Abif Abeba! So bliebe noch England. Stillvergnügt betrachtet es den Niedergang der italienischen Kolonisation, und während es den Italienern mit patrvnisirender, Miene das Zeugnis ausstellt, daß ihrer militärischen Ehre in Erythrüa vollauf Genüge gethan sei, giebt es ihnen den guten Rat, sich ganz aus Afrika zurück¬ zuziehen. Kassala hat es schon halb in der Tasche, warum soll ihm nicht das ganze, zur Abrundung des nordostafrikanischen Besitzes so außerordentlich ge¬ eignete Erythrüa zufallen? Dann erst würden der Zug nach Dongola und ein weiterer nach Khartum-Omdurman goldne Früchte tragen. Freilich haben bei solchen kolonialen Verschiebungen die europäischen Mächte auch noch ein Wort mitzureden. So sind denn als Folgen des Friedens von Abif Abeba zu verzeichnen: für Italien eine stille Selbstbescheidung, in einzelnen andern Ländern eine ge¬ steigerte Begehrlichkeit. Erhthräa muß also doch etwas wert sein. Jedenfalls würde eine etwaige Räumung der Kolonie vonseiten Italiens ernste europäische Verwicklungen nach sich ziehen, zumal da es sich um Häfen und Gebiete handelt, die an dem wichtigsten Seewege nach Indien liegen. Was wird geschehen, wenn Italien die Flinte etwa voreilig ins Korn wirft? Karl von Bruch Hausen Die Entstehung des Staatsschuldenwesens und der Börsen me Madame Rothschild soll zur Zeit einer politischen Krisis in Gesellschaft gesagt haben: es wird kein Krieg, mein Mann giebt das Geld dazu nicht her. Das ist eine unverbürgte Anekdote; urkundlich verbürgt aber ist es, daß Karl V. keinen seiner Kriege hätte führen können, ja daß er nicht Kaiser geworden wäre, wenn Jakob Fugger nicht das Geld dazu gegeben hätte. Da durfte wohl Ehrenberg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/282>, abgerufen am 01.05.2024.