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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Englische Offenherzigkeiten

ohin die Herzenswünsche der großen Mehrheit des englischen
Volks gerichtet sind, läßt sich eins einigen Kundgebungen der
neuesten Zeit deutlich erkennen. Einer der höchsten Staatsbeamten
hat sich in öffentlicher Rede herausgenommen, ein ebenso unver¬
schämtes, wie auf völliger Unkenntnis beruhendes Urteil über
die Sklaverei in der deutschen Armee abzugeben -- unwillkürlich erinnert man
sich dabei an die Phrasen Napoleons III. über die Befreiung Deutschlands
von dem preußischen Joch; Cecil Rhodes, der "afrikanische Napoleon." hat
ohne jeden Rückhalt in London erklärt, er habe den Raubzug Jamesous gegen
Transvaal unterstützt, um das Land rechtzeitig deutschem Einflüsse zu entziehen,
und als dritter im Bunde legt die Wochenschrift spectator einen saubern
Plan vor, in welcher Weise man Deutschlands Welthandel und Kolonialpolitik
mit einem Schlage zu Gunsten Englands ein Ende bereiten könnte und sollte.

Bei John Bull hört in Geldsachen die Gemütlichkeit noch früher ans
als bei andern Leuten; der friedliche Wettkampf der Völker wird nur so lange
als Aushängeschild benutzt, wie das Geschäft gut geht. Das Naäs in (Z^i-mal^
dringt in seine Träume ein und läßt ihn nicht mehr schlafen. Da der fried¬
liche Wettkampf in diesem Falle nicht den gewünschten Erfolg zu versprechen
scheint, so kommt der spectator-Artikel kurzer Hand zu dem Schluß: "Schlagt
ihn tot, den Hund! Es ist ein Konkurrent." Alles ist hübsch überlegt und
ordentlich vorbereitet, und da es England niemals an der nötigen Vorurteils¬
losigkeit in moralischer Beziehung gefehlt hat, so wird sich auch zur rechtem
Zeit ein Vorwand einstellen. Auch dem Auge des Philisters muß dadurch
klar werden, was sür Eingeweihte längst sicher ist, daß die ungeheuern Flotten-
ansgciben in England wesentlich gegen die Weltmacht- und Welthaudelsstellnng
Deutschlands gerichtet sind.


Grenzboten I 1897 5>!i


Englische Offenherzigkeiten

ohin die Herzenswünsche der großen Mehrheit des englischen
Volks gerichtet sind, läßt sich eins einigen Kundgebungen der
neuesten Zeit deutlich erkennen. Einer der höchsten Staatsbeamten
hat sich in öffentlicher Rede herausgenommen, ein ebenso unver¬
schämtes, wie auf völliger Unkenntnis beruhendes Urteil über
die Sklaverei in der deutschen Armee abzugeben — unwillkürlich erinnert man
sich dabei an die Phrasen Napoleons III. über die Befreiung Deutschlands
von dem preußischen Joch; Cecil Rhodes, der „afrikanische Napoleon." hat
ohne jeden Rückhalt in London erklärt, er habe den Raubzug Jamesous gegen
Transvaal unterstützt, um das Land rechtzeitig deutschem Einflüsse zu entziehen,
und als dritter im Bunde legt die Wochenschrift spectator einen saubern
Plan vor, in welcher Weise man Deutschlands Welthandel und Kolonialpolitik
mit einem Schlage zu Gunsten Englands ein Ende bereiten könnte und sollte.

Bei John Bull hört in Geldsachen die Gemütlichkeit noch früher ans
als bei andern Leuten; der friedliche Wettkampf der Völker wird nur so lange
als Aushängeschild benutzt, wie das Geschäft gut geht. Das Naäs in (Z^i-mal^
dringt in seine Träume ein und läßt ihn nicht mehr schlafen. Da der fried¬
liche Wettkampf in diesem Falle nicht den gewünschten Erfolg zu versprechen
scheint, so kommt der spectator-Artikel kurzer Hand zu dem Schluß: „Schlagt
ihn tot, den Hund! Es ist ein Konkurrent." Alles ist hübsch überlegt und
ordentlich vorbereitet, und da es England niemals an der nötigen Vorurteils¬
losigkeit in moralischer Beziehung gefehlt hat, so wird sich auch zur rechtem
Zeit ein Vorwand einstellen. Auch dem Auge des Philisters muß dadurch
klar werden, was sür Eingeweihte längst sicher ist, daß die ungeheuern Flotten-
ansgciben in England wesentlich gegen die Weltmacht- und Welthaudelsstellnng
Deutschlands gerichtet sind.


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[0425] [Abbildung] Englische Offenherzigkeiten ohin die Herzenswünsche der großen Mehrheit des englischen Volks gerichtet sind, läßt sich eins einigen Kundgebungen der neuesten Zeit deutlich erkennen. Einer der höchsten Staatsbeamten hat sich in öffentlicher Rede herausgenommen, ein ebenso unver¬ schämtes, wie auf völliger Unkenntnis beruhendes Urteil über die Sklaverei in der deutschen Armee abzugeben — unwillkürlich erinnert man sich dabei an die Phrasen Napoleons III. über die Befreiung Deutschlands von dem preußischen Joch; Cecil Rhodes, der „afrikanische Napoleon." hat ohne jeden Rückhalt in London erklärt, er habe den Raubzug Jamesous gegen Transvaal unterstützt, um das Land rechtzeitig deutschem Einflüsse zu entziehen, und als dritter im Bunde legt die Wochenschrift spectator einen saubern Plan vor, in welcher Weise man Deutschlands Welthandel und Kolonialpolitik mit einem Schlage zu Gunsten Englands ein Ende bereiten könnte und sollte. Bei John Bull hört in Geldsachen die Gemütlichkeit noch früher ans als bei andern Leuten; der friedliche Wettkampf der Völker wird nur so lange als Aushängeschild benutzt, wie das Geschäft gut geht. Das Naäs in (Z^i-mal^ dringt in seine Träume ein und läßt ihn nicht mehr schlafen. Da der fried¬ liche Wettkampf in diesem Falle nicht den gewünschten Erfolg zu versprechen scheint, so kommt der spectator-Artikel kurzer Hand zu dem Schluß: „Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Konkurrent." Alles ist hübsch überlegt und ordentlich vorbereitet, und da es England niemals an der nötigen Vorurteils¬ losigkeit in moralischer Beziehung gefehlt hat, so wird sich auch zur rechtem Zeit ein Vorwand einstellen. Auch dem Auge des Philisters muß dadurch klar werden, was sür Eingeweihte längst sicher ist, daß die ungeheuern Flotten- ansgciben in England wesentlich gegen die Weltmacht- und Welthaudelsstellnng Deutschlands gerichtet sind. Grenzboten I 1897 5>!i

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/425>, abgerufen am 30.04.2024.