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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Gottfried Aelter und seine Novellen

Zum Schluß möchte ich nur noch betonen, daß das Ehrenbergsche Buch:
Das Zeitalter der Fugger, aus dem ich hier einen kleinen Ausschnitt gegeben
habe, bei geschichtlichen, volkswirtschaftlichen und staatswissenschaftlicheu
Studien hinfort zu den unentbehrlichen Hilfsmitteln gehören wird.




Gottfried Keller und seine Novellen
Aarl Rinzel von (in
(Schluß)

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^K^Wünfzehn Jahre hielt Keller auf seinem Posten aus, obwohl es eine
höchst arbeitsreiche Zeit für ihn war, und er oft täglich acht
bis zehn Stunden in Anspruch genommen wurde. Denn dem
Staatsschreiber "stand die Oberleitung der Staatskanzlei zu.
Er war zugleich Sekretär der Direktion der politischen An¬
gelegenheiten. Über die Verhandlungen der obersten vollziehenden Behörde
des Kantons führte er die Sitzungsprotokolle; er hatte den offiziellen Verkehr
mit den übrigen Kantonsrcgiernngen und dem Bundesrate zu unterhalten,
mußte die jährlichen Rechenschaftsberichte sämtlicher Departements zusammen¬
stellen, Gesetzesentwürfe, Eisenbahnkonzessionen, Verordnungen aller Art regi-
striren oder endgiltig redigiren" und dergleichen mehr. Sehr poetisch war die
Arbeit nicht, aber sie war dem Menschen Keller heilsam, gewährte ihm und
den Seinen ein anständiges Auskommen und die Möglichkeit, alle seiue Schulden
zu bezahlen. Mit Recht sagt sein Biograph (II, 319): "Niemand beklage
diese Wendung im Leben des Dichters! Sie wurde thatsächlich sein Heil-
Denn er befand sich auf dem nächsten Wege zur Verwilderung. Er war wild,
in unbeschränkter Freiheit aufgewachsen, ohne Schulzucht, ohne regelmüßige
Lehrzeit, ohne einen bestimmten Lebensberuf geblieben.


Sonnen um Sonnen erstehn und führen die blühenden Jnhre
Mir aus der müßigen Hand strahlenden Glanzes hinweg,

klagte er damals. Jetzt mit zweiundvierzig Jahren lenkte er -- es war die
höchste Zeit -- in die geregelte Bahn des Beamten ein und lernte endlich an
sich und seinem ganzen Thun den Segen einer vorgeschriebnen Berufsarbeit
kennen. In diesem Sinne faßten auch seine Freunde die Wahl geradezu als
eine moralische Rettung auf."


Gottfried Aelter und seine Novellen

Zum Schluß möchte ich nur noch betonen, daß das Ehrenbergsche Buch:
Das Zeitalter der Fugger, aus dem ich hier einen kleinen Ausschnitt gegeben
habe, bei geschichtlichen, volkswirtschaftlichen und staatswissenschaftlicheu
Studien hinfort zu den unentbehrlichen Hilfsmitteln gehören wird.




Gottfried Keller und seine Novellen
Aarl Rinzel von (in
(Schluß)

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^K^Wünfzehn Jahre hielt Keller auf seinem Posten aus, obwohl es eine
höchst arbeitsreiche Zeit für ihn war, und er oft täglich acht
bis zehn Stunden in Anspruch genommen wurde. Denn dem
Staatsschreiber „stand die Oberleitung der Staatskanzlei zu.
Er war zugleich Sekretär der Direktion der politischen An¬
gelegenheiten. Über die Verhandlungen der obersten vollziehenden Behörde
des Kantons führte er die Sitzungsprotokolle; er hatte den offiziellen Verkehr
mit den übrigen Kantonsrcgiernngen und dem Bundesrate zu unterhalten,
mußte die jährlichen Rechenschaftsberichte sämtlicher Departements zusammen¬
stellen, Gesetzesentwürfe, Eisenbahnkonzessionen, Verordnungen aller Art regi-
striren oder endgiltig redigiren" und dergleichen mehr. Sehr poetisch war die
Arbeit nicht, aber sie war dem Menschen Keller heilsam, gewährte ihm und
den Seinen ein anständiges Auskommen und die Möglichkeit, alle seiue Schulden
zu bezahlen. Mit Recht sagt sein Biograph (II, 319): „Niemand beklage
diese Wendung im Leben des Dichters! Sie wurde thatsächlich sein Heil-
Denn er befand sich auf dem nächsten Wege zur Verwilderung. Er war wild,
in unbeschränkter Freiheit aufgewachsen, ohne Schulzucht, ohne regelmüßige
Lehrzeit, ohne einen bestimmten Lebensberuf geblieben.


Sonnen um Sonnen erstehn und führen die blühenden Jnhre
Mir aus der müßigen Hand strahlenden Glanzes hinweg,

klagte er damals. Jetzt mit zweiundvierzig Jahren lenkte er — es war die
höchste Zeit — in die geregelte Bahn des Beamten ein und lernte endlich an
sich und seinem ganzen Thun den Segen einer vorgeschriebnen Berufsarbeit
kennen. In diesem Sinne faßten auch seine Freunde die Wahl geradezu als
eine moralische Rettung auf."


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[0534] Gottfried Aelter und seine Novellen Zum Schluß möchte ich nur noch betonen, daß das Ehrenbergsche Buch: Das Zeitalter der Fugger, aus dem ich hier einen kleinen Ausschnitt gegeben habe, bei geschichtlichen, volkswirtschaftlichen und staatswissenschaftlicheu Studien hinfort zu den unentbehrlichen Hilfsmitteln gehören wird. Gottfried Keller und seine Novellen Aarl Rinzel von (in (Schluß) W> -^^^ ^K^Wünfzehn Jahre hielt Keller auf seinem Posten aus, obwohl es eine höchst arbeitsreiche Zeit für ihn war, und er oft täglich acht bis zehn Stunden in Anspruch genommen wurde. Denn dem Staatsschreiber „stand die Oberleitung der Staatskanzlei zu. Er war zugleich Sekretär der Direktion der politischen An¬ gelegenheiten. Über die Verhandlungen der obersten vollziehenden Behörde des Kantons führte er die Sitzungsprotokolle; er hatte den offiziellen Verkehr mit den übrigen Kantonsrcgiernngen und dem Bundesrate zu unterhalten, mußte die jährlichen Rechenschaftsberichte sämtlicher Departements zusammen¬ stellen, Gesetzesentwürfe, Eisenbahnkonzessionen, Verordnungen aller Art regi- striren oder endgiltig redigiren" und dergleichen mehr. Sehr poetisch war die Arbeit nicht, aber sie war dem Menschen Keller heilsam, gewährte ihm und den Seinen ein anständiges Auskommen und die Möglichkeit, alle seiue Schulden zu bezahlen. Mit Recht sagt sein Biograph (II, 319): „Niemand beklage diese Wendung im Leben des Dichters! Sie wurde thatsächlich sein Heil- Denn er befand sich auf dem nächsten Wege zur Verwilderung. Er war wild, in unbeschränkter Freiheit aufgewachsen, ohne Schulzucht, ohne regelmüßige Lehrzeit, ohne einen bestimmten Lebensberuf geblieben. Sonnen um Sonnen erstehn und führen die blühenden Jnhre Mir aus der müßigen Hand strahlenden Glanzes hinweg, klagte er damals. Jetzt mit zweiundvierzig Jahren lenkte er — es war die höchste Zeit — in die geregelte Bahn des Beamten ein und lernte endlich an sich und seinem ganzen Thun den Segen einer vorgeschriebnen Berufsarbeit kennen. In diesem Sinne faßten auch seine Freunde die Wahl geradezu als eine moralische Rettung auf."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/534>, abgerufen am 30.04.2024.