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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Karl V. und die Fugger

sie nach Ausgang der Sache eine mildere Behandlung vom Kaiser erfuhren.
Der Feldzug Karls gegen den Schmalkaldischen Bund wäre ohne die Fugger-
schen Wechsel nicht möglich gewesen. Da aber Karl mit immer neuen Anforde¬
rungen kam, wurden die Fugger der kaiserlichen Anleihen müde, ja sie dachten
ernstlich daran, ihr Geschäft aufzugeben. Hatten sie das gethan, es wäre ihr
Glück gewesen. Aber freilich, es ist oft schwerer, ein Geschäft abzubrechen als
anzufangen.

1552 war Karl mit seinen Hilfsmitteln gänzlich zu Ende, er war finanziell
und politisch bankerott. Diese Lage benutzte Kurfürst Moritz von Sachsen
nachdem er gegen Preisgebung von Metz, Toul und Verdun von Frankreich
Geldhilfe erlangt hatte, um über den kranken und wehrlosen Kaiser herzufallen.
Jetzt gab es nur noch einen, der Karl retten konnte, Fugger. Dieser hielt
so lange zurück, als er konnte; da ihn aber der Kaiser im März in dringlicher
Weise persönlich nach Innsbruck forderte, reiste er hin. Den Ausgang des
Krieges konnte er freilich nicht mehr ändern, doch konnte er die Verhandlungen
in Passau zu Gunsten des Kaisers wenden. Ohne Geld und Truppen hätte
sich Karl allen Bedingungen der deutschen Fürsten unterwerfen müssen; nach¬
dem aber Fugger von neuem Geld vorgestreckt hatte, änderte Karl die
Tonart der Verhandlungen, und Moritz erreichte lange nicht das, was er er¬
strebt hatte.

Der Geschäftsgewinn der Fugger war in der zweiten Periode, das heißt
von 1525 bis 1546, nicht so glänzend als in der ersten. Die Bilanz von
1546 führt an liegenden Gütern und sonstigen Aktiven 5111883 Gulden auf.
Das Anlagekapital hatte 153!) betragen 2197 740 Gulden. Es waren also
verdient worden in sieben Jahren 2914143 Gulden oder jährlich neunzehn
Prozent.

Der Krieg gegen Frankreich 1553 warf die guten Vorsätze Fuggers, die alten
Geschäfte abzuwickeln und keine neuen einzugehen, wieder über den Haufen. Es
wurden jetzt besonders große und gewagte Geschäfte begonnen, um den Verlust,
den die letztem Jahre gebracht hatten, wieder einzubringen. Das Handelshaus
glich dem Spieler, der den Einsatz verdoppelt, um den Verlust zu decken.
Trotzdem konnte der Krach nicht ausbleiben. Bei einer solchen ein halbes
Jahrhundert lang geführten Geldwirtschaft mußte der Staatsbankerott kommen.
Als Kaiser Karl V. im Oktober 1555 die Regierung der Niederlande seinem
Sohne abtrat, überließ er ihm eine solche Schuldenlast, daß Philipp später
äußerte, es sei ganz unmöglich gewesen, die schwebenden Verpflichtungen zu
erfüllen. 1557 stellte Philipp sowohl in Spanien als auch in den Nieder¬
landen alle Zahlungen an seine Gläubiger ein. Hieraus entstanden für die
Fugger enorme Verluste. Doch gingen sie auf einen Akkord mit der Krone
nicht ein, da, wenn ein Teil der Forderungen ausfiel, der Zins für das ganze
Kapital ans fünf Prozent herabgedrückt worden wäre.


Karl V. und die Fugger

sie nach Ausgang der Sache eine mildere Behandlung vom Kaiser erfuhren.
Der Feldzug Karls gegen den Schmalkaldischen Bund wäre ohne die Fugger-
schen Wechsel nicht möglich gewesen. Da aber Karl mit immer neuen Anforde¬
rungen kam, wurden die Fugger der kaiserlichen Anleihen müde, ja sie dachten
ernstlich daran, ihr Geschäft aufzugeben. Hatten sie das gethan, es wäre ihr
Glück gewesen. Aber freilich, es ist oft schwerer, ein Geschäft abzubrechen als
anzufangen.

1552 war Karl mit seinen Hilfsmitteln gänzlich zu Ende, er war finanziell
und politisch bankerott. Diese Lage benutzte Kurfürst Moritz von Sachsen
nachdem er gegen Preisgebung von Metz, Toul und Verdun von Frankreich
Geldhilfe erlangt hatte, um über den kranken und wehrlosen Kaiser herzufallen.
Jetzt gab es nur noch einen, der Karl retten konnte, Fugger. Dieser hielt
so lange zurück, als er konnte; da ihn aber der Kaiser im März in dringlicher
Weise persönlich nach Innsbruck forderte, reiste er hin. Den Ausgang des
Krieges konnte er freilich nicht mehr ändern, doch konnte er die Verhandlungen
in Passau zu Gunsten des Kaisers wenden. Ohne Geld und Truppen hätte
sich Karl allen Bedingungen der deutschen Fürsten unterwerfen müssen; nach¬
dem aber Fugger von neuem Geld vorgestreckt hatte, änderte Karl die
Tonart der Verhandlungen, und Moritz erreichte lange nicht das, was er er¬
strebt hatte.

Der Geschäftsgewinn der Fugger war in der zweiten Periode, das heißt
von 1525 bis 1546, nicht so glänzend als in der ersten. Die Bilanz von
1546 führt an liegenden Gütern und sonstigen Aktiven 5111883 Gulden auf.
Das Anlagekapital hatte 153!) betragen 2197 740 Gulden. Es waren also
verdient worden in sieben Jahren 2914143 Gulden oder jährlich neunzehn
Prozent.

Der Krieg gegen Frankreich 1553 warf die guten Vorsätze Fuggers, die alten
Geschäfte abzuwickeln und keine neuen einzugehen, wieder über den Haufen. Es
wurden jetzt besonders große und gewagte Geschäfte begonnen, um den Verlust,
den die letztem Jahre gebracht hatten, wieder einzubringen. Das Handelshaus
glich dem Spieler, der den Einsatz verdoppelt, um den Verlust zu decken.
Trotzdem konnte der Krach nicht ausbleiben. Bei einer solchen ein halbes
Jahrhundert lang geführten Geldwirtschaft mußte der Staatsbankerott kommen.
Als Kaiser Karl V. im Oktober 1555 die Regierung der Niederlande seinem
Sohne abtrat, überließ er ihm eine solche Schuldenlast, daß Philipp später
äußerte, es sei ganz unmöglich gewesen, die schwebenden Verpflichtungen zu
erfüllen. 1557 stellte Philipp sowohl in Spanien als auch in den Nieder¬
landen alle Zahlungen an seine Gläubiger ein. Hieraus entstanden für die
Fugger enorme Verluste. Doch gingen sie auf einen Akkord mit der Krone
nicht ein, da, wenn ein Teil der Forderungen ausfiel, der Zins für das ganze
Kapital ans fünf Prozent herabgedrückt worden wäre.


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[0533] Karl V. und die Fugger sie nach Ausgang der Sache eine mildere Behandlung vom Kaiser erfuhren. Der Feldzug Karls gegen den Schmalkaldischen Bund wäre ohne die Fugger- schen Wechsel nicht möglich gewesen. Da aber Karl mit immer neuen Anforde¬ rungen kam, wurden die Fugger der kaiserlichen Anleihen müde, ja sie dachten ernstlich daran, ihr Geschäft aufzugeben. Hatten sie das gethan, es wäre ihr Glück gewesen. Aber freilich, es ist oft schwerer, ein Geschäft abzubrechen als anzufangen. 1552 war Karl mit seinen Hilfsmitteln gänzlich zu Ende, er war finanziell und politisch bankerott. Diese Lage benutzte Kurfürst Moritz von Sachsen nachdem er gegen Preisgebung von Metz, Toul und Verdun von Frankreich Geldhilfe erlangt hatte, um über den kranken und wehrlosen Kaiser herzufallen. Jetzt gab es nur noch einen, der Karl retten konnte, Fugger. Dieser hielt so lange zurück, als er konnte; da ihn aber der Kaiser im März in dringlicher Weise persönlich nach Innsbruck forderte, reiste er hin. Den Ausgang des Krieges konnte er freilich nicht mehr ändern, doch konnte er die Verhandlungen in Passau zu Gunsten des Kaisers wenden. Ohne Geld und Truppen hätte sich Karl allen Bedingungen der deutschen Fürsten unterwerfen müssen; nach¬ dem aber Fugger von neuem Geld vorgestreckt hatte, änderte Karl die Tonart der Verhandlungen, und Moritz erreichte lange nicht das, was er er¬ strebt hatte. Der Geschäftsgewinn der Fugger war in der zweiten Periode, das heißt von 1525 bis 1546, nicht so glänzend als in der ersten. Die Bilanz von 1546 führt an liegenden Gütern und sonstigen Aktiven 5111883 Gulden auf. Das Anlagekapital hatte 153!) betragen 2197 740 Gulden. Es waren also verdient worden in sieben Jahren 2914143 Gulden oder jährlich neunzehn Prozent. Der Krieg gegen Frankreich 1553 warf die guten Vorsätze Fuggers, die alten Geschäfte abzuwickeln und keine neuen einzugehen, wieder über den Haufen. Es wurden jetzt besonders große und gewagte Geschäfte begonnen, um den Verlust, den die letztem Jahre gebracht hatten, wieder einzubringen. Das Handelshaus glich dem Spieler, der den Einsatz verdoppelt, um den Verlust zu decken. Trotzdem konnte der Krach nicht ausbleiben. Bei einer solchen ein halbes Jahrhundert lang geführten Geldwirtschaft mußte der Staatsbankerott kommen. Als Kaiser Karl V. im Oktober 1555 die Regierung der Niederlande seinem Sohne abtrat, überließ er ihm eine solche Schuldenlast, daß Philipp später äußerte, es sei ganz unmöglich gewesen, die schwebenden Verpflichtungen zu erfüllen. 1557 stellte Philipp sowohl in Spanien als auch in den Nieder¬ landen alle Zahlungen an seine Gläubiger ein. Hieraus entstanden für die Fugger enorme Verluste. Doch gingen sie auf einen Akkord mit der Krone nicht ein, da, wenn ein Teil der Forderungen ausfiel, der Zins für das ganze Kapital ans fünf Prozent herabgedrückt worden wäre.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/533>, abgerufen am 21.05.2024.