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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Den Gefechtswert der wichtigsten Kriegsflvtten zeigt nach dieser Berechnung
folgende Übersicht!



Obgleich also sozusagen "Krüppel und Lahme," nämlich die Hafenschiffe mit¬
gerechnet sind, und obgleich den alten Schiffen ein etwas höherer Gefechtswert ein¬
geräumt ist, als ihn die amtliche Denkschrift festsetzt, nimmt die deutsche Flotte erst
die siebente Stelle ein. Und da wagt man davon zu reden, es sollte eine Flotte
ersten Ranges werden!

Wie die Stärkeberechnung deutlich zeigt, giebt es nur eine einzige Seemacht
ersten Ranges, die englische; die französische ist knapp halb so kräftig wie die
englische, sie ist folglich keine Seemacht ersten, sondern mir eine zweiten Ranges.
Da aber die französische Flotte je zwei der andern Flotten geringerer Größe ge¬
wachsen ist, so giebt es anch keine andre Flotte zweiten Ranges, als die französische.
Wie die Verhältnisznhlen zeigen, muß man die russische, die nordamerikanische, die
japanische, die italienische und die deutsche Flotte zu den Flotten dritten Ranges
rechnen. Ist es nnn der Größe des deutschen Welthandels angemessen, daß Deutsch¬
l Georg Wislicenns and die schwächste Flotte dritten Ranges hat?


Handelsstand und Kriegsmarine.

Wenn auch die neuesten Verhand¬
lungen über die Stärkung der deutschen Seemacht nicht unmittelbar zu einem so¬
genannten "Konflikt" zwischen Regierung und Reichstag führen sollten, so werden sie
doch eine wertvolle praktische Bedeutung für die Zukunft behalten. Um des lieben
Friedens willen diese Bedeutung zu vertuschen, wäre ein arger Fehler. Mag man
an der Form, in der es geschehen ist, manches bemängeln: daß die oberste Kriegs¬
leitung dem Volke in der Flottenfrage einmal "reinen Wein" eingeschenkt hat, kann
nicht hoch genng angeschlagen werden. Es ist endlich unzweideutig ausgesprochen
worden, daß mit dem bisherigen parlamentarischen Spiel, worin die Mehrheit des
Reichstags ihre Weisheit und Manneswürde bethätigen zu müssen glaubte, und
für dessen Verkehrtheit die jüngsten Verhandlungen und Beschlüsse deu schlagendsten


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Den Gefechtswert der wichtigsten Kriegsflvtten zeigt nach dieser Berechnung
folgende Übersicht!



Obgleich also sozusagen „Krüppel und Lahme," nämlich die Hafenschiffe mit¬
gerechnet sind, und obgleich den alten Schiffen ein etwas höherer Gefechtswert ein¬
geräumt ist, als ihn die amtliche Denkschrift festsetzt, nimmt die deutsche Flotte erst
die siebente Stelle ein. Und da wagt man davon zu reden, es sollte eine Flotte
ersten Ranges werden!

Wie die Stärkeberechnung deutlich zeigt, giebt es nur eine einzige Seemacht
ersten Ranges, die englische; die französische ist knapp halb so kräftig wie die
englische, sie ist folglich keine Seemacht ersten, sondern mir eine zweiten Ranges.
Da aber die französische Flotte je zwei der andern Flotten geringerer Größe ge¬
wachsen ist, so giebt es anch keine andre Flotte zweiten Ranges, als die französische.
Wie die Verhältnisznhlen zeigen, muß man die russische, die nordamerikanische, die
japanische, die italienische und die deutsche Flotte zu den Flotten dritten Ranges
rechnen. Ist es nnn der Größe des deutschen Welthandels angemessen, daß Deutsch¬
l Georg Wislicenns and die schwächste Flotte dritten Ranges hat?


Handelsstand und Kriegsmarine.

Wenn auch die neuesten Verhand¬
lungen über die Stärkung der deutschen Seemacht nicht unmittelbar zu einem so¬
genannten „Konflikt" zwischen Regierung und Reichstag führen sollten, so werden sie
doch eine wertvolle praktische Bedeutung für die Zukunft behalten. Um des lieben
Friedens willen diese Bedeutung zu vertuschen, wäre ein arger Fehler. Mag man
an der Form, in der es geschehen ist, manches bemängeln: daß die oberste Kriegs¬
leitung dem Volke in der Flottenfrage einmal „reinen Wein" eingeschenkt hat, kann
nicht hoch genng angeschlagen werden. Es ist endlich unzweideutig ausgesprochen
worden, daß mit dem bisherigen parlamentarischen Spiel, worin die Mehrheit des
Reichstags ihre Weisheit und Manneswürde bethätigen zu müssen glaubte, und
für dessen Verkehrtheit die jüngsten Verhandlungen und Beschlüsse deu schlagendsten


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[0619] Maßgebliches und Unmaßgebliches Den Gefechtswert der wichtigsten Kriegsflvtten zeigt nach dieser Berechnung folgende Übersicht! 1 2 3 8 4 - 6 9 5 7 vamerinische ^ zösische ienische Obgleich also sozusagen „Krüppel und Lahme," nämlich die Hafenschiffe mit¬ gerechnet sind, und obgleich den alten Schiffen ein etwas höherer Gefechtswert ein¬ geräumt ist, als ihn die amtliche Denkschrift festsetzt, nimmt die deutsche Flotte erst die siebente Stelle ein. Und da wagt man davon zu reden, es sollte eine Flotte ersten Ranges werden! Wie die Stärkeberechnung deutlich zeigt, giebt es nur eine einzige Seemacht ersten Ranges, die englische; die französische ist knapp halb so kräftig wie die englische, sie ist folglich keine Seemacht ersten, sondern mir eine zweiten Ranges. Da aber die französische Flotte je zwei der andern Flotten geringerer Größe ge¬ wachsen ist, so giebt es anch keine andre Flotte zweiten Ranges, als die französische. Wie die Verhältnisznhlen zeigen, muß man die russische, die nordamerikanische, die japanische, die italienische und die deutsche Flotte zu den Flotten dritten Ranges rechnen. Ist es nnn der Größe des deutschen Welthandels angemessen, daß Deutsch¬ l Georg Wislicenns and die schwächste Flotte dritten Ranges hat? Handelsstand und Kriegsmarine. Wenn auch die neuesten Verhand¬ lungen über die Stärkung der deutschen Seemacht nicht unmittelbar zu einem so¬ genannten „Konflikt" zwischen Regierung und Reichstag führen sollten, so werden sie doch eine wertvolle praktische Bedeutung für die Zukunft behalten. Um des lieben Friedens willen diese Bedeutung zu vertuschen, wäre ein arger Fehler. Mag man an der Form, in der es geschehen ist, manches bemängeln: daß die oberste Kriegs¬ leitung dem Volke in der Flottenfrage einmal „reinen Wein" eingeschenkt hat, kann nicht hoch genng angeschlagen werden. Es ist endlich unzweideutig ausgesprochen worden, daß mit dem bisherigen parlamentarischen Spiel, worin die Mehrheit des Reichstags ihre Weisheit und Manneswürde bethätigen zu müssen glaubte, und für dessen Verkehrtheit die jüngsten Verhandlungen und Beschlüsse deu schlagendsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/619>, abgerufen am 01.05.2024.