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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Der Katholizismus im Staatsdienst

lljährlich kehren bei der Beratung des preußischen Staatshaus¬
halts die Klagen des Zentrums über angeblichen Mangel an
"Parität" wieder. Dieselben Beschwerden werden in der kleri¬
kalen Presse fast ohne Unterbrechung das ganze Jahr hindurch
geführt, die Katholiken, heißt es, die in Preußen etwa fünfund¬
zwanzig, im deutschen Reich etwa dreißig vom Hundert der gesamten Bevölke¬
rung ausmachen, werdeu bei Besetzung der hohen und höchsten Ämter in
Preußen und im Reich auch nicht annähernd in dem richtigen Verhältnis be¬
rücksichtigt. Den Einwand der Gegner, daß die Ämter fast ausnahmslos eine
akademische Vorbildung erfordern, die Katholiken aber sich diese nicht in der
nötige" Zahl aneignen, weisen die Klerikalen mit Recht als haltlos zurück.
Allerdings müßten nach dem Verhältnis, in dem die beiden Bekenntnisse an
der Gesamtbevölkerung teilnehmen, auf hundert Studenten im deutschen Reich
etwa dreißig Katholiken kommen, während thatsächlich, namentlich wenn man
vom theologischen Studium absieht, die Zahl der katholischen Studenten nur
etwa zwanzig vom Hundert beträgt; aber die Klerikalen heben mit Recht her¬
vor, daß dieser Umstand doch nur dann zur Erklärung herangezogen werden
könnte, wenn die Katholiken etwa nur zu einem Fünftel bei Besetzung der
genannten Ämter berücksichtigt würden; thatsächlich aber würden sie nur ganz
ausnahmsweise und vereinzelt als Inhaber hoher und höchster Unter in
Preußen und im Reichsdienst angetroffen. So wenig also die klerikale Partei
eine rein "arithmetische" Beteiligung der Katholiken fordert, so wenig kann
man ihr den Vorwurf machen, daß sie bei ihren Beschwerden "katholisch" mit
"ultramontan" verwechsle. Die Leiter der preußischen Staatsregierung und
der Reichsrcgierung stehen in politischer Beziehung auf konservativem oder
nationalliberalem Standpunkt, und die notwendige Einheitlichkeit jeder Regierung


Grenzboten I 18V7 78


Der Katholizismus im Staatsdienst

lljährlich kehren bei der Beratung des preußischen Staatshaus¬
halts die Klagen des Zentrums über angeblichen Mangel an
„Parität" wieder. Dieselben Beschwerden werden in der kleri¬
kalen Presse fast ohne Unterbrechung das ganze Jahr hindurch
geführt, die Katholiken, heißt es, die in Preußen etwa fünfund¬
zwanzig, im deutschen Reich etwa dreißig vom Hundert der gesamten Bevölke¬
rung ausmachen, werdeu bei Besetzung der hohen und höchsten Ämter in
Preußen und im Reich auch nicht annähernd in dem richtigen Verhältnis be¬
rücksichtigt. Den Einwand der Gegner, daß die Ämter fast ausnahmslos eine
akademische Vorbildung erfordern, die Katholiken aber sich diese nicht in der
nötige» Zahl aneignen, weisen die Klerikalen mit Recht als haltlos zurück.
Allerdings müßten nach dem Verhältnis, in dem die beiden Bekenntnisse an
der Gesamtbevölkerung teilnehmen, auf hundert Studenten im deutschen Reich
etwa dreißig Katholiken kommen, während thatsächlich, namentlich wenn man
vom theologischen Studium absieht, die Zahl der katholischen Studenten nur
etwa zwanzig vom Hundert beträgt; aber die Klerikalen heben mit Recht her¬
vor, daß dieser Umstand doch nur dann zur Erklärung herangezogen werden
könnte, wenn die Katholiken etwa nur zu einem Fünftel bei Besetzung der
genannten Ämter berücksichtigt würden; thatsächlich aber würden sie nur ganz
ausnahmsweise und vereinzelt als Inhaber hoher und höchster Unter in
Preußen und im Reichsdienst angetroffen. So wenig also die klerikale Partei
eine rein „arithmetische" Beteiligung der Katholiken fordert, so wenig kann
man ihr den Vorwurf machen, daß sie bei ihren Beschwerden „katholisch" mit
„ultramontan" verwechsle. Die Leiter der preußischen Staatsregierung und
der Reichsrcgierung stehen in politischer Beziehung auf konservativem oder
nationalliberalem Standpunkt, und die notwendige Einheitlichkeit jeder Regierung


Grenzboten I 18V7 78
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[0625] [Abbildung] Der Katholizismus im Staatsdienst lljährlich kehren bei der Beratung des preußischen Staatshaus¬ halts die Klagen des Zentrums über angeblichen Mangel an „Parität" wieder. Dieselben Beschwerden werden in der kleri¬ kalen Presse fast ohne Unterbrechung das ganze Jahr hindurch geführt, die Katholiken, heißt es, die in Preußen etwa fünfund¬ zwanzig, im deutschen Reich etwa dreißig vom Hundert der gesamten Bevölke¬ rung ausmachen, werdeu bei Besetzung der hohen und höchsten Ämter in Preußen und im Reich auch nicht annähernd in dem richtigen Verhältnis be¬ rücksichtigt. Den Einwand der Gegner, daß die Ämter fast ausnahmslos eine akademische Vorbildung erfordern, die Katholiken aber sich diese nicht in der nötige» Zahl aneignen, weisen die Klerikalen mit Recht als haltlos zurück. Allerdings müßten nach dem Verhältnis, in dem die beiden Bekenntnisse an der Gesamtbevölkerung teilnehmen, auf hundert Studenten im deutschen Reich etwa dreißig Katholiken kommen, während thatsächlich, namentlich wenn man vom theologischen Studium absieht, die Zahl der katholischen Studenten nur etwa zwanzig vom Hundert beträgt; aber die Klerikalen heben mit Recht her¬ vor, daß dieser Umstand doch nur dann zur Erklärung herangezogen werden könnte, wenn die Katholiken etwa nur zu einem Fünftel bei Besetzung der genannten Ämter berücksichtigt würden; thatsächlich aber würden sie nur ganz ausnahmsweise und vereinzelt als Inhaber hoher und höchster Unter in Preußen und im Reichsdienst angetroffen. So wenig also die klerikale Partei eine rein „arithmetische" Beteiligung der Katholiken fordert, so wenig kann man ihr den Vorwurf machen, daß sie bei ihren Beschwerden „katholisch" mit „ultramontan" verwechsle. Die Leiter der preußischen Staatsregierung und der Reichsrcgierung stehen in politischer Beziehung auf konservativem oder nationalliberalem Standpunkt, und die notwendige Einheitlichkeit jeder Regierung Grenzboten I 18V7 78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/625>, abgerufen am 01.05.2024.