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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Das Flottengesetz

ffenheit und Klarheit sind gute, scharfe Waffen, besonders in
einer Zeit des Niedergangs der öffentlichen Moral, in einer Zeit
der häßlichen Parteikämpfe, wo ohne Pfiffe und Kniffe, ohne
Schacher und Winkelzüge fast nichts mehr geschieht. -

Der Grundgedanke des Gesetzentwurfs über die deutsche Flotte
ist der, Klarheit darüber zu schaffen, wie stark unsre Flotte sein muß, damit
sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Wer nicht weiß, was er will, der arbeitet
planlos, ziellos; wer aber wichtige Arbeit ernsthaft anfaßt, der macht sich
einen Plan, der setzt sich ein Ziel. Bisher ist von der Negierung wie von
der Volksvertretung an dem Ausbau der Flotte ohne festes Ziel gearbeitet
worden; man hat mit einander jahraus jahrein um jedes einzelne Schiff ge¬
handelt, ohne Klarheit darüber, wie stark die Flotte eigentlich sein müßte.
Dadurch ist dem Reichstag das Gefühl der Verantwortlichkeit verloren - ge¬
gangen, weil er sein Gewissen damit trösten konnte: die Marineforderungen
gehen ins Blaue, ius "Uferlose"; wenn wir nachgiebig sind, so wachsen uns
die Ausgaben über den Kopf. Das wird jetzt anders, denn jetzt soll die
Volksvertretung selbst darüber beschließen, welches Ziel erreicht werden soll.
Sie muß sich dabei also schlüssig werden, was sie eigentlich will, wie stark sie
die Flotte haben will, und welchen Aufgaben die Flotte dienen soll. Denn es
liegt auf der Hand, daß es von der Stärke der Flotte abhängt, welchen Auf¬
gaben sie in einem Kriege mit den verschiednen Seemächten gewachsen sein
würde. Die Regierung zeigt in dem Entwürfe mit rücksichtsloser Offenheit
die jetzige Schwäche der Flotte und zieht ebenso deutlich die Grenzen für
das, was sie unbedingt zu ihrer Stärkung braucht, um die Aufgaben zu
erfüllen, die ihr jetzt, ein Vierteljahrhundert nach der Aufstellung des
Gründungsplanes, zufallen. Dadurch, daß dieser neue Flotteuplau mit Hilfe
des Reichstags zum Gesetz erhoben werden soll, wird der Reichstag viel nach¬
drücklicher sür das Wohl des Reichs mit verantwortlich gemacht als früher,
wo alle Denkschriften weder sür die Regierung noch für die Volksvertretung
bindende Kraft hatten.

Die staatsrechtliche Seite der Sache behandelt Professor Dr. P. Laband
in Ur. 23 der Juristenzeitung; es dürfte zweckmüßig sein, die wichtigsten Sätze
seiner Ausführungen hier wiederzugeben:




Das Flottengesetz

ffenheit und Klarheit sind gute, scharfe Waffen, besonders in
einer Zeit des Niedergangs der öffentlichen Moral, in einer Zeit
der häßlichen Parteikämpfe, wo ohne Pfiffe und Kniffe, ohne
Schacher und Winkelzüge fast nichts mehr geschieht. -

Der Grundgedanke des Gesetzentwurfs über die deutsche Flotte
ist der, Klarheit darüber zu schaffen, wie stark unsre Flotte sein muß, damit
sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Wer nicht weiß, was er will, der arbeitet
planlos, ziellos; wer aber wichtige Arbeit ernsthaft anfaßt, der macht sich
einen Plan, der setzt sich ein Ziel. Bisher ist von der Negierung wie von
der Volksvertretung an dem Ausbau der Flotte ohne festes Ziel gearbeitet
worden; man hat mit einander jahraus jahrein um jedes einzelne Schiff ge¬
handelt, ohne Klarheit darüber, wie stark die Flotte eigentlich sein müßte.
Dadurch ist dem Reichstag das Gefühl der Verantwortlichkeit verloren - ge¬
gangen, weil er sein Gewissen damit trösten konnte: die Marineforderungen
gehen ins Blaue, ius „Uferlose"; wenn wir nachgiebig sind, so wachsen uns
die Ausgaben über den Kopf. Das wird jetzt anders, denn jetzt soll die
Volksvertretung selbst darüber beschließen, welches Ziel erreicht werden soll.
Sie muß sich dabei also schlüssig werden, was sie eigentlich will, wie stark sie
die Flotte haben will, und welchen Aufgaben die Flotte dienen soll. Denn es
liegt auf der Hand, daß es von der Stärke der Flotte abhängt, welchen Auf¬
gaben sie in einem Kriege mit den verschiednen Seemächten gewachsen sein
würde. Die Regierung zeigt in dem Entwürfe mit rücksichtsloser Offenheit
die jetzige Schwäche der Flotte und zieht ebenso deutlich die Grenzen für
das, was sie unbedingt zu ihrer Stärkung braucht, um die Aufgaben zu
erfüllen, die ihr jetzt, ein Vierteljahrhundert nach der Aufstellung des
Gründungsplanes, zufallen. Dadurch, daß dieser neue Flotteuplau mit Hilfe
des Reichstags zum Gesetz erhoben werden soll, wird der Reichstag viel nach¬
drücklicher sür das Wohl des Reichs mit verantwortlich gemacht als früher,
wo alle Denkschriften weder sür die Regierung noch für die Volksvertretung
bindende Kraft hatten.

Die staatsrechtliche Seite der Sache behandelt Professor Dr. P. Laband
in Ur. 23 der Juristenzeitung; es dürfte zweckmüßig sein, die wichtigsten Sätze
seiner Ausführungen hier wiederzugeben:


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[0454] [Abbildung] Das Flottengesetz ffenheit und Klarheit sind gute, scharfe Waffen, besonders in einer Zeit des Niedergangs der öffentlichen Moral, in einer Zeit der häßlichen Parteikämpfe, wo ohne Pfiffe und Kniffe, ohne Schacher und Winkelzüge fast nichts mehr geschieht. - Der Grundgedanke des Gesetzentwurfs über die deutsche Flotte ist der, Klarheit darüber zu schaffen, wie stark unsre Flotte sein muß, damit sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Wer nicht weiß, was er will, der arbeitet planlos, ziellos; wer aber wichtige Arbeit ernsthaft anfaßt, der macht sich einen Plan, der setzt sich ein Ziel. Bisher ist von der Negierung wie von der Volksvertretung an dem Ausbau der Flotte ohne festes Ziel gearbeitet worden; man hat mit einander jahraus jahrein um jedes einzelne Schiff ge¬ handelt, ohne Klarheit darüber, wie stark die Flotte eigentlich sein müßte. Dadurch ist dem Reichstag das Gefühl der Verantwortlichkeit verloren - ge¬ gangen, weil er sein Gewissen damit trösten konnte: die Marineforderungen gehen ins Blaue, ius „Uferlose"; wenn wir nachgiebig sind, so wachsen uns die Ausgaben über den Kopf. Das wird jetzt anders, denn jetzt soll die Volksvertretung selbst darüber beschließen, welches Ziel erreicht werden soll. Sie muß sich dabei also schlüssig werden, was sie eigentlich will, wie stark sie die Flotte haben will, und welchen Aufgaben die Flotte dienen soll. Denn es liegt auf der Hand, daß es von der Stärke der Flotte abhängt, welchen Auf¬ gaben sie in einem Kriege mit den verschiednen Seemächten gewachsen sein würde. Die Regierung zeigt in dem Entwürfe mit rücksichtsloser Offenheit die jetzige Schwäche der Flotte und zieht ebenso deutlich die Grenzen für das, was sie unbedingt zu ihrer Stärkung braucht, um die Aufgaben zu erfüllen, die ihr jetzt, ein Vierteljahrhundert nach der Aufstellung des Gründungsplanes, zufallen. Dadurch, daß dieser neue Flotteuplau mit Hilfe des Reichstags zum Gesetz erhoben werden soll, wird der Reichstag viel nach¬ drücklicher sür das Wohl des Reichs mit verantwortlich gemacht als früher, wo alle Denkschriften weder sür die Regierung noch für die Volksvertretung bindende Kraft hatten. Die staatsrechtliche Seite der Sache behandelt Professor Dr. P. Laband in Ur. 23 der Juristenzeitung; es dürfte zweckmüßig sein, die wichtigsten Sätze seiner Ausführungen hier wiederzugeben:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/454>, abgerufen am 06.05.2024.